40.000 Tonnen fahren auf Fett
An der A45 bei Wilnsdorf wurde in Deutschland bisher einzigartiges Bauvorhaben erfolgreich abgeschlossen. Die nördliche Hälfte der neuen Talbrücke Rinsdorf wurde quer verschoben – samt ihrer bis zu 70 Meter hohen Pfeiler.
Rund 40.000 Tonnen Stahl und Beton bewegen sich an diesen beiden Tagen um exakt 20,59 Meter Richtung Südwesten in ihre endgültige Position. Ein Vorhaben, das selbst im großangelegten Ersatzneubauprogramm der Sauerlandlinie heraussticht.
Bereits Wochen zuvor liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Damit sich das tonnenschwere Bauwerk überhaupt verschieben lässt, wurden die sechs Pfeiler zuvor um rund zwei Zentimeter angehoben. Zwischen Fundament und Pfeilerköpfen liegen Teflonplatten, die mit Spezialfett beschichtet wurden. So glitt die gesamte Brückenhälfte nahezu reibungsfrei auf einer Verschubbahn – Zentimeter für Zentimeter, rund 20 bis 30 Stunden lang.
Der Querverschub erfolgt bei laufendem Verkehr. Während der südliche Überbau bereits seit einiger Zeit fertiggestellt ist und den Verkehr trägt, wird das nördlich parallel errichtete Brückenteil nun in seine endgültige Lage geschoben. Für die Verantwortlichen ein technischer Meilenstein. "Der Querverschub inklusive Pfeiler ist ein innovatives Verfahren, das in dieser Größenordnung in Deutschland einmalig ist", sagt Elfriede Sauerwein-Braksiek, Direktorin der Autobahn-Niederlassung Westfalen. Sicherheit habe dabei oberste Priorität: "Wir haben in allen Projektphasen gezielt Risiken identifiziert und umfassend abgesichert."
Vorteile des Querverschubs
Der Brückenverschub bringt laut Autobahn GmbH gleich mehrere handfeste Vorteile mit sich:
- Zeitgewinn beim Bau: Hilfspfeiler oder zusätzliche Traggerüste entfallen – das beschleunigt den gesamten Bauablauf.
- Sicherheit bei der Montage: Weil der Verschub in Bodennähe stattfindet, werden gefährliche Arbeiten in großer Höhe vermieden.
- Weniger Lärm und Schmutz: Aufwändige Zusatzkonstruktionen müssen nicht gebaut und später auch nicht abgerissen werden.
- Materialeinsparung: Rund 13.000 Kubikmeter Beton und 730 Tonnen Stahl können eingespart werden – ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit auf der Baustelle.
Ersatzneubau seit 2017
Die Talbrücke Rinsdorf wurde 1967 erbaut und war zuletzt nicht mehr sanierungsfähig. Bereits im September 2017 begann der Ersatzneubau, bei dem zunächst das südliche Brückenteil an Ort und Stelle errichtet wurde. Im Februar 2022 folgte die Sprengung des alten Bestandsbauwerks – ein ebenfalls bundesweit beachtetes Ereignis, da ein Brückenrückbau in dieser Höhe bisher einzigartig war.
Der nun zu verschiebende nördliche Überbau wurde in Seitenlage parallel aufgebaut. Dabei kam das sogenannte Taktschiebeverfahren zum Einsatz: Vorgefertigte Stahlteile wurden im sogenannten Taktkeller verschweißt und mit einem Vorbauschnabel schrittweise auf die Pfeiler geschoben. Wegen der großen Bauhöhe mussten Windkräfte und Schwingungen detailliert berechnet und durch temporäre Stabilisierungen abgefangen werden.
Die Brücke liegt zwischen den Anschlussstellen Siegen-Süd und Wilnsdorf und überspannt das Rinsdorfer Tal in bis zu 71,9 Metern Höhe. Insgesamt misst das Bauwerk 485,5 Meter. In direkter Nachbarschaft wird parallel die kürzere Talbrücke Rälsbach ersetzt. Ziel ist es, durch die Bündelung der Bauphasen Einschränkungen für die Verkehrsteilnehmenden möglichst gering zu halten.
Wann genau beide Brückenhälften vollständig für den Verkehr freigegeben werden, steht noch nicht fest. Klar ist jedoch: Mit dem Querverschub geht das Projekt nun in seine entscheidende Phase – und setzt zugleich ein eindrucksvolles Zeichen für ingenieurtechnische Präzision im deutschen Brückenbau.