Windstärke 13
Ferrari öffnet das Dach des SF90 für ein 1.000-PS-Frischluft-Erlebnis. Damit bauen die Italiener nicht weniger als das extremste Serien-Cabrio der Welt.
Eigentlich reicht die Beaufortskala bis 12 und beschreibt damit einen Orkan. Weil sich die Einteilung der Windstärke aber nicht an exakten Messungen orientiert, sondern an den Auswirkungen der Stürme, sind wir geneigt, dem SF90 Spider eine 13 zu verpassen. Ab Mitte 2021 gibt Ferrari das Hypercar-Cabrio in die Hände der Kunden. Die sind dann dazu in der Lage, sich beim 2,5-sekündigen Sprint auf Tempo 100 die Haare direkt auf dem Weg zur Arbeit zu glätten. So denkt man Mobilität in Maranello lebensnah und menschenzentriert.
Tiefer Schwerpunkt
Spaß beiseite – mit dem SF90 Stradale hatte Ferrari erstmals ein Auto mit vierstelliger Leistungsangabe vorgestellt. Glatte 1.000 PS orchestrieren ein Vierliter-V8-Turbo (780 PS) und drei Elektromotoren (162 kW) zusammen. Dass dem Hypercar früher oder später auch das Dach abgenommen wird, war von vornherein der Plan. Deshalb sitzen V8 und Getriebe auch extra tief und flach in der Konstruktion. Natürlich hat der tiefe Schwerpunkt fahrdynamische Relevanz, aber der Aufbau macht es eben auch möglich, das kompakt gehaltene Dachteil elegant zu verstauen. Ziel war es nämlich, unbedingt den Blick auf den Verbrennungsmotor zu erhalten. Den sehen staunende Passanten oder verträumt blickende Besitzer wie gewohnt durch ein Sichtfenster am Heck.
Bleibt das Dach des Spiders geschlossen, erfordert es schon einen genauen Blick, um ihn als solchen vom Stradale abzugrenzen. "Die Ähnlichkeit ist durchaus gewollt", macht Ferrari-Technologiechef Michael Leiters klar. Die leicht zurückgesetzte Position der Haifischantenne und eine etwas modifizierte Form der Höcker hinter den Sitzen identifzieren das Cabrio. Rein technisch gleicht der Open-Air-Ferrari ansonsten seinem geschlossenen Bruder.
100 Kilo Mehrgewicht
Wobei, nicht ganz. Klar, dass ein Cabrio immer einige Extra-Kilos vorfährt – das ist auch hier der Fall. Rund zwei Zentner trägt der Spider zusätzlich auf den Rippen, 1.670 Kilogramm gibt Ferrari als Trockengewicht an. Neben den verstärkten Türen geht das vor allem zu Lasten der Dach-Konstruktion. Die Performance ändert das nur marginal. Erst beim Sturm auf 200 km/h bleibt der Spider zwei Zehntel hinter dem Stradale zurück. "Wer ambitioniert unterwegs ist und Wert auf seine Rundenzeit legt, der kauft sich das Coupé. Der Spider richtet sich insbesondere an die Genuss-Kunden, die ihr Auto auf der Landstraße noch unmittelbarer erleben wollen", ordnet Leiters das neue Modell ein. Dieses Prinzip ist uns natürlich bereits vertraut. Ob er denn schon mal 340 Sachen mit offenem Verdeck zum persönlichen Genuss gemacht habe, fragen wir. "Ich habe es bislang nur auf 300 km/h gebracht. Wobei Wind und Verwirbelungen kaum ein Problem sind – vordergründiger ist da schon die anschwellende Geräuschkulisse", resümiert der Technologiechef.
Wie schon für den Stradale bietet Ferrari auch den Spider-Kunden das Paket "Asseto Fiorano" an. Darin enthalten sind Stoßdämpfer aus dem GT-Rennsport, ein Karbon-Heckspoiler, die Option auf eine zweifarbige Lackierung und straßenhomologierte Michelin Pilot Sport Cup 2-Reifen. Weitere Teile aus Karbon und Titan senken das Gewicht des sonderausgestatteten Spiders um 21 Kilogramm. 390 Kilo Anpressdruck mutet der SF90 Spider mit Asseto Fiorano-Spezifika bei 250 km/h dem Asphalt zu. Ohne das Paket wird dieser Wert erst bei 300 km/h erreicht.
Zehn Prozent teurer
Bestellbar ist das Hybrid-Cabrio ab sofort, preislich wird sich der offene Fahrspaß rund zehn Prozent über der Coupé-Version einsortieren und damit bei rund 450.000 Euro liegen. Kauft man sich für diesen nicht unerheblichen Betrag nun den Gipfel dessen, was Ferraris Hallen verlässt? Aktuell natürlich schon. Die SF90-Baureihe fürchtet in Sachen Performance keine Konkurrenz aus dem eigenen Haus, aber wie geht es weiter? "Nun, beim nächsten Modell können wir natürlich nicht mit 950 PS ankommen, das ist klar", bestätigt Michael Leiters. Doch vor allem gehe es Ferrari um Emotionen und wahrgenommene Beschleunigung – und da dürfte ein 1.000 PS starkes Cabrio sicherlich ganz gut aufgestellt sein.