Mercedes-Chef schreibt Brandbrief gegen EU-Politik
Ola Källenius kritisiert in einem offenen Brief die aktuelle EU-Politik scharf. Die Autoindustrie sei "frustriert" und er fordert eine "Rückkehr zur Realität".
Ola Källenius ist nicht nur Mercedes-Chef, sondern seit Jahresbeginn 2025 auch Präsident der europäischen Vereinigung der Autohersteller ACEA. In dieser Funktion hatte der Schwede schon kurz nach seiner Amtsübernahme einen offenen Brief geschrieben, um die EU-Politik auf die Bedürfnisse seiner Branche und die – aus ihrer Sicht – Dringlichkeit der Lage aufmerksam zu machen.
"Frustriert" über die EU-Politik
Doch Källenius scheint das Gefühl zu haben, damit nicht so recht durchgedrungen zu sein. Weshalb er nun mit einem neuen Brandbrief in noch schärferer Form nachlegt, der außerdem von Matthias Zink unterzeichnet wurde, seinerseits CEO Powertrain und Chassis bei Schaeffler und Präsident der europäischen Zulieferer-Vereinigung CLEPA. Er ist direkt an die aktuelle EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gerichtet.
Källenius und Zink nehmen in dem Schreiben kein Blatt vor den Mund. Bereits im zweiten Absatz heißt es, die Auto- und Zuliefer-Industrie sei "frustriert über das Fehlen eines ganzheitlichen und pragmatischen politischen Plans für die Transformation der Automobilindustrie". Die EU reguliere zwar die Hersteller bei der Bereitstellung neuer Fahrzeuge, versäume es aber, die passenden Bedingungen für die Transformation zu schaffen. Als Beispiele nennen die beiden CEOs die Abhängigkeit von Asien in der Batterie-Wertschöpfungskette, eine ungleich verteilte Ladeinfrastruktur, zu hohe Strompreise und Produktionskosten sowie die Belastung durch Zölle wie den neuerdings auf 15 Prozent festgesetzten Einfuhrzoll auf EU-Fahrzeuge in die USA. "Von uns wird verlangt, uns zu transformieren, während uns die Hände gebunden sind."
Besonders ein Punkt ist Källenius und Zink ein Dorn im Auge: Die strikten CO₂-Ziele für Pkw und Transporter für 2030 und 2035 inklusive der verabschiedeten Regelung, dass nach 2035 in der EU keine Neuwagen verkauft werden dürfen, die mit fossilem Brennstoff fahren. Diese Vorgaben seien "in der heutigen Welt schlicht nicht mehr erreichbar". Der Pfad müsse neu kalibriert werden, um sowohl die Klimaziele zu erreichen als auch Europas industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Könnte "unseren Wettbewerbern in die Hände spielen"
Källenius und Zink warnen zudem vor weiteren geplanten Verschärfungen der Emissionsregeln. Beispielsweise, wenn der "Nutzungsfaktor" bei Plug-in-Hybriden – also der Anteil der mit Strom gefahrenen Kilometer – künftig strenger ausgelegt wird. Die Industrie hält das für kontraproduktiv und eine Verschärfung könnte "unseren Wettbewerbern in die Hände spielen".
Die Chefs von Mercedes-Benz und der Schaeffler-Sparte verbinden ihre Kritik mit einer klaren Forderung: Es brauche weitaus ambitioniertere, langfristige und konsistente nachfrageseitige Anreize, "darunter niedrigere Energiekosten für das Laden, Kaufprämien, Steuererleichterungen und bevorzugten Zugang zu städtischen Räumen." Auch die Förderung mehrerer Antriebstechnologien beschleunige die Marktakzeptanz – Stichwort "Technologieoffenheit". Zudem fordern die Präsidenten der Lobbyverbände "einfachere, schlankere EU-Regeln, um Bürokratie abzubauen", sowie die CO₂-Regulierung für schwere Lkw und Busse "so bald wie möglich" zu überprüfen.
"Letzte Chance" für die EU
"Die Welt hat sich drastisch verändert, seit die aktuelle Richtung eingeschlagen wurde – und die EU-Strategie für den Automobilsektor muss sich entsprechend ändern", heißt es in dem Schreiben weiter. Der bevorstehende Strategische Dialog zur Zukunft der Automobilindustrie am 12. September sei der richtige Moment für einen Kurswechsel. Dies sei die letzte Chance der EU, ihre Politik an die heutigen Markt-, geopolitischen und wirtschaftlichen Realitäten anzupassen. Gelinge dies nicht, "scheitert die gesamte Transformation", so Källenius und Zink weiter.
Hinweis: Im Video nach dem dritten Absatz nimmt Ola Källenius unter anderem zum neuen elektrischen Mercedes GLC Stellung. In der Fotoshow über dem Artikel verraten wir Ihnen, wie sich der neue elektrische Mercedes CLA 250+ fährt.