Grosjean bekommt Abschieds-Test
Romain Grosjean kehrt zurück ans Steuer eines Formel-1-Autos. Mercedes bietet dem Franzosen die Chance, zum Abschied von der Königsklasse das Weltmeisterauto von Lewis Hamilton aus der Saison 2019 zu testen. Für die Probefahrt hat das Werksteam die Strecke von Paul Ricard reserviert.
Die Fans haben sicher noch gut die Bilder des dramatischen Feuer-Unfalls von Romain Grosjean in Bahrain vor Augen. Der Haas-Pilot konnte sich damals erst in letzter Sekunde aus seinem Cockpit befreien und den Flammen entkommen. Bei dem Crash hatte er sich schmerzhafte Verbrennungen vor allem an den Händen zugezogen, die weitere Einsätze in der Königsklasse unmöglich machen.
Weil sich Grosjean nach 179 Grand-Prix-Starts nicht ordentlich von der Königsklasse verabschieden konnte, hatte ihm Mercedes-Teamchef Toto Wolff damals sofort eine letzte Session in einem Silberpfeil versprochen. Sein eigenes Ex-Team Haas konnte ihm einen solchen Abschlusstest nicht ermöglichen, weil Ferrari die geleasten Motoren aus den alten Autos einbehält.
Die Verletzungen an Grosjeans Händen sind mittlerweile verheilt. Somit konnten sich Mercedes und der Gastpilot nun endlich auf die Suche nach einem geeigneten Termin machen. Ganz einfach war das nicht. Grosjean ist mittlerweile in der US-amerikanischen Indy-Car-Serie unterwegs. Wegen der großen Distanz, den Quarantäne-Bestimmungen und zahlreichen Rennen in den kommenden Monaten, dauerte es etwas länger, bis ein Tag gefunden wurde, der für beide Parteien passt.
Abschiedstest in der Heimat
Jetzt hat man sich schließlich geeinigt. Wie Mercedes am Mittwoch (5.5.) offiziell mitteilte, wird Grosjean am 29. Juni einen kompletten Testtag auf der Grand-Prix-Strecke in Le Castellet absolvieren – auf den Tag genau sieben Monate nach seinem schweren Unfall.
Für die Probefahrten wird Mercedes dem Formel-1-Rentner einen zwei Jahre alten AMG W10 zur Verfügung stellen, mit dem Lewis Hamilton 2019 seinen fünften Weltmeistertitel erringen konnte. Testfahrten mit aktuellen Modellen unter der Saison sind in der Formel 1 bekanntlich nicht erlaubt.
Die eine Testsession ist aber noch nicht alles. Grosjean soll auch noch die Chance bekommen, sich persönlich von seinen französischen Fans zu verabschieden. Deshalb wird der 35-Jährige im Rahmen seines Heim-Grand-Prix auf dem Paul Ricard Circuit am 27. Juni ein paar Demo-Runden drehen. Noch ist allerdings nicht ganz klar, ob bei dem Event überhaupt Zuschauer auf den Tribünen zugelassen werden.
Erster Besuch bei Mercedes
Um sich auf seine letzten Auftritte im Silberpfeil vorzubereiten, hatte Mercedes Grosjean schon am 30. März in die Fabrik nach Brackley eingeladen, wo ein eigener Sitz angefertigt wurde. Dazu drehte der Aushilfspilot noch einige Runden im Simulator, um sich mit dem Lenkrad und den speziellen Systemen des Silberpfeils vertraut zu machen.
Die Vorfreude bei Grosjean ist bereits groß: "Das ist eine ganz besondere Chance für mich und es wird eine einzigartige Erfahrung, einen Weltmeister-Mercedes zu fahren. Ich bin Mercedes und Toto sehr dankbar für diese Gelegenheit. Das erste Mal, als ich von der Möglichkeit hörte, einen Mercedes zu fahren, lag ich noch in meinem Krankenhausbett in Bahrain. Toto erzählte damals den Medien davon und lud mich in diesem Zuge zu einem Test ein. Das zu lesen hat mich unheimlich aufgemuntert!"
"Aufgrund der Corona-Pandemie konnte die Formel 1 in der Saison 2020 nicht in Frankreich fahren. Deshalb wird es für mich etwas ganz Besonderes sein, im Rahmen des Frankreich Grand Prix mit einem Mercedes zu fahren und danach damit einen Test auf meiner Heimstrecke, dem Circuit Paul Ricard, zu absolvieren. Ich kann diesen Tag kaum noch erwarten."
Letzte Erinnerungen an die Formel 1
Auch Toto Wolff freute sich, dass er sein Versprechen nun endlich einlösen kann: "Die Idee entstand, als es danach aussah, dass Romain seine aktive Formel-1-Karriere beenden würde. Wir wollten einfach nicht, dass dieser Unfall sein letzter Moment in einem F1-Auto sein sollte."
"Ich kenne Romain seit seiner Zeit in der Formel 3, als er die Meisterschaft gewonnen hat. Er kann auf eine lange und erfolgreiche F1-Karriere zurückblicken. Wir wollten sicherstellen, dass seine letzten Erinnerungen in der Formel 1 am Steuer eines Weltmeisterautos entstehen. Ich bin gespannt darauf, wie Romains Feedback zum W10 ausfallen wird."
"Romains Unfall erinnert uns alle an die Gefahren, denen sich diese Jungs jedes Mal aussetzen, wenn sie ins Cockpit steigen. Es ist aber auch ein Beleg dafür, welche unglaublichen Fortschritte unser Sport über die Jahre im Bereich der Sicherheit gemacht hat. Ich weiß, dass die F1-Gemeinschaft sich darüber freuen wird, Romain wieder auf der Strecke zu sehen."
Wiedersehen mit Hamilton
Lewis Hamilton hat sich ebenfalls zur Ausfahrt Grosjeans in seinem ehemaligen Dienstwagen geäußert: "Ich freue mich riesig, Romain nach seinem Unfall im vergangenen Jahr wieder in einem F1-Auto zu sehen. Als es passiert ist, haben wir alle für ihn gebetet. Es war eine unheimliche Erleichterung, zu sehen, wie er den Unfall überstanden und sich davon erholt hat. Ich freue mich darauf, ihn in Frankreich wieder zu sehen und ihn für das Wochenende im Team zu begrüßen. Aber er sollte besser gut auf meinen W10 aufpassen!"
Vor den Testfahrten wird Grosjean aber zunächst noch einmal über den großen Teich fliegen, um für sein Team Dale Coyne Racing bei den Indy-Car-Rennen in Indianapolis (GP Strecke), Detroit und Elkhart Lake teilzunehmen. Bei seinen ersten beiden Auftritten in Alabama und St. Petersburg konnte der Serienneuling sein Können mit einem zehnten und einem 13. Platz zumindest schon mal andeuten.