Gegen Mercedes in der Defensive

In Saudi-Arabien duellierten sich die WM-Rivalen gleich mehrmals. Inklusive Auffahrunfall. Hamilton siegte und zog in der WM-Wertung gleich.
Mercedes dominierte am Freitag und am Sonntag. Red Bull konnte Mercedes nur in der Qualifikation die Stirn bieten. Ausgerechnet da streifte Max Verstappen die Mauer. Ab da fuhr er in der Defensive.
Die GP-Premiere von Saudi-Arabien erinnerte an den GP Mexiko. Nur mit vertauschten Rollen. Red Bull fuhr als Favorit in die dünne Luft von Mexiko-City und bestätigte am Freitag mit überlegenen Longruns alle Prognosen. Doch am Samstag standen plötzlich zwei Mercedes in der ersten Startreihe. Im Rennen rückte Red Bull das Kräfteverhältnis wieder gerade. Max Verstappen trickste Lewis Hamilton und Valtteri Bottas beim Start aus und fuhr ein einsames Rennen an der Spitze zu seinem neunten Saisonsieg.
Seither läuft es bei Red Bull nicht mehr rund. Dafür umso besser bei Mercedes. Nach zwei Siegen in Brasilien und Katar reiste der Titelverteidiger mit großen Vorschlusslorbeeren nach Saudi-Arabien. Auf den langen Vollgaspassagen des Jeddah Corniche Circuit mussten die Silberpfeile überlegen sein. So weit die Papierform, die am Freitag in den Rennsimulationen so auch bestätigt wurde. Hamilton war im Longrun eine Sekunde schneller als der Rest der Welt.
Die Reifen für eine Runde im Fenster
Am Samstag stellte sich das Bild auf den Kopf. Der schnellste Mann auf der Strecke war Max Verstappen. Und weil auch Sergio Perez in der Qualifikation ständig im Bereich der Mercedes fuhr, war klar, dass Red Bull über Nacht irgendwo Speed gefunden hatte. Lag es nur daran, dass man mit dem Abtrieb eine Spur zurückgegangen war? Verstappen blieb die Antwort schuldig. Auf seiner schnellsten Runde streifte der Holländer die Mauer und schenkte Mercedes die erste Startreihe. "Er hätte uns um eine halbe Sekunde geschlagen", übertrieb Mercedes.Teamchef Toto Wolff. Drei Zehntel wären es aber sicher gewesen.
Irgendwie hatte man schon vor dem Rennen den Verdacht, dass es Red Bull im Rennen so gehen würde wie Mercedes in Mexiko. Wenn das Pendel von einem Tag auf den anderen, von einer Disziplin auf die andere so stark umschlägt, dann hat das fast immer einen Grund. Der eine hat ein Auto, das die Reifen perfekt für die eine schnelle Runde in ihr Fenster bringt. Der andere leidet in der ersten Runde, gewinnt aber in allen anderen. Weil seine Reifen nicht überhitzen.
Red Bull ging drei Mal ins Risiko
Verstappen hatte das Rennen schon am Samstag verloren. Sein Mauerkuss zwang ihn und sein Team zu erhöhtem Risiko. Das Getriebe zeigte bei der Inspektion zwar keine Kampfspuren, aber ein ungutes Gefühl bleibt trotzdem. Red Bull-Getriebe sind für ihre Zerbrechlichkeit bekannt. Ein Wechsel der Kraftübertragung zur Sicherheit kam nicht in Frage. Vom achten Startplatz aus wäre Verstappen maximal Dritter geworden, rechnete die Simulation aus.
Der Schlachtplan für den Holländer war klar. Er musste vor die Mercedes kommen, egal wie. Deshalb packte er gleich drei Mal im Rad-an-Rad-Kampf die Keule aus. Beim ersten Re-Start, beim zweiten und in Runde 37. In der Not ließ ihn Red Bull auf der Strecke, als nach dem Unfall von Mick Schumacher zunächst nur das Safety Car ausrückte. Die rote Flagge war ein Geschenk des Himmels. Die Rückversetzung hinter Ocon und Hamilton ein weiterer Schlag ins Gesicht. Mit dem Rücken zur Wand montierte Red Bull beim zweiten Re-Start Medium-Reifen, obwohl man wusste, dass die bei hohem Tempo nie und nimmer 34 Restrunden halten würden.
Egal, Verstappen musste beim Start an Hamilton vorbei, und das ging nur mit dem Extra-Grip des weicheren Reifen. Red Bull riskierte und hoffte auf einen weiteren Abbruch, der dann noch einmal die Gelegenheit eines freien Reifen.echsels geboten hätte. Er kam nicht. Stattdessen nur vier VSC-Phasen, die zwar allesamt Verstappens Reifen eine Verschnaufpause gönnten, aber nicht genug waren, das Leben der Medium-Sohlen entscheidend zu verlängern.
Hamilton musste eigentlich nur warten, bis der Red Bull vor ihm sturmreif war. In den letzten zehn Runden gingen Verstappens Vorderreifen in die Knie. Der Red Bull wurde bei dem Zusammenstoß der Titelkandidaten noch schwerer beschädigt als der Mercedes. Der Diffusor brach und auf dem linken Hinterreifen mahnten zwei große Cuts zur Vorsicht. An Hamiltons Mercedes zersplitterte rechts vorne die Flügelendplatte. "Es wäre so oder so schwer gewesen, Lewis hinter mir zu halten. Im Windschatten musste sein Antrieb weniger oft in den Ladebetrieb. So hatte seine Batterie mehr Energie als meine", erzählte Verstappen im Ziel.
Am Samstag in allen Kurven langsamer
Der Mercedes war am Sonntag das schnellere Auto. Im intakten und beschädigten Zustand. Das zeigte sich in den Phasen, in denen beide mit gleichen Reifen unterwegs waren. Hamilton konnte Verstappen mühelos folgen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er schneller hätte fahren können. Was er in den Kurve 4 bis 9 und Kurve 23 auf den Red Bull verlor, machte er in den Vollgaspassagen wieder wett. Und die erstreckten sich über 80 Prozent der Strecke.
Genau das war am Samstag anders. "Im Q3 haben wir gegen Max in jeder Kurve verloren und nicht nur in den sieben, in denen er am Sonntag immer noch schneller war. Wir haben fünf Runden gebraucht, um ähnliche Zeiten zu fahren wie er", verraten die Mercedes.Ingenieure. Ihre Erklärung dafür ist einfach. Red Bull hatte ein Samstagsauto, das die Vorderreifen sofort in ihr Fenster brachte und die Hinterreifen bis zum Ende der Runde am Leben hielt. Man wollte dieses Rennen von der Spitze weg kontrollieren. Dafür aber hätte Verstappen von der Pole Position starten und den Spurt in die erste Kurve gewinnen müssen, damit er immer exakt die gleichen Reifen.ypen hätte fahren können wie seine Gegner.
Verstappen stolperte auch über seine schlechten Starts. Er zog mit Hamilton nur deshalb in der ersten Kurve gleich, weil er jenseits von Gut und Böse bremste und darauf setzte, dass der Mercedes.Pilot nachgibt. Hat er auch drei Mal gemacht. Doch zwei Mal funkte die Rennleitung dem Aggressor dazwischen. Bleibt eine Frage: Hätte Verstappen eine Siegchance gehabt, wenn ihm Red Bull beim zweiten Re-Start harte Reifen gegeben und er dann noch den Start gegen Hamilton gewonnen hätte. "Das wäre so nicht passiert, deshalb lohnt es sich nicht darüber zu spekulieren. Max brauchte den Medium-Reifen, um beim Start überhaupt eine Chance gegen Lewis zu haben", wiegeln die Mercedes.Strategen ab.