Källenius – vom E-Auto-Paulus zum Saulus?
Der Mercedes-Chef ist auch ACEA-Präsident. Als solcher schreibt er der EU-Kommissionspräsidentin: Das Verbrenner-Aus 2035 sei "einfach nicht mehr machbar". Wie passt das zur E-Auto-Strategie von Mercedes?
Seit 2019 ist Ola Källenius CEO von Mercedes-Benz. Damals war sein Credo: "Die Zukunft von Mercedes ist elektrisch". Das klang enthusiastisch hinsichtlich des E-Autos, auch wenn damals noch unklar war, wann diese Zukunft sein würde.
2022 verkündete Källenius für Mercedes in der Strategie "Ambition 2039" zeitlich konkreter: "Bis zum Ende dieses Jahrzehnts werden wir bereit sein, vollkommen elektrisch zu sein." Aber von einem realistischen Wirtschaftsboss durfte da ein Nachsatz nicht fehlen: "Überall dort, wo es die Marktbedingungen erlauben."
Seit 2025 ist Ola Källenius Präsident des Europäischen Automobilherstellerverbands (ACEA). In dieser Funktion wirft er EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem offenen Brief vor, dass die Marktbedingungen in der EU eben genau so nicht sind, dass die Antriebswende in der geforderten Geschwindigkeit machbar sei.
Tatsächlich haben sich die Bedingungen in den vergangenen Jahren erheblich verschlechtert: "Europa ist nahezu vollständig abhängig von Asien in der Batteriewertschöpfungskette, die Ladeinfrastruktur ist ungleich verteilt, die Produktionskosten – insbesondere für Strom – sind hoch, und es gibt belastende Zölle von wichtigen Handelspartnern, wie etwa den 15 Prozent Einfuhrzoll auf EU-Fahrzeuge in die USA." Der Brief folgert: "Uns wird abverlangt, uns zu transformieren – mit auf dem Rücken gefesselten Händen." Und er fordert "deutlich ambitioniertere, langfristige und konsistente Anreize auf der Nachfrageseite – darunter niedrigere Energiekosten für das Laden, Kaufprämien, Steuererleichterungen und bevorzugten Zugang zum urbanen Raum".
Das wirkt mehr als nachvollziehbar: Autokäufer müssen rechnen und werden E-Autos dann in Erwägung ziehen, wenn sie günstiger sind oder praktische Vorteile bieten. Vermutlich muss man auch anerkennen, dass "die starren CO₂-Ziele für Pkw und Transporter für 2030 und 2035 unter den heutigen Bedingungen schlichtweg nicht mehr realistisch sind".
Aber in einer schwachgliedrigen Argumentationskette fordert das Schreiben plötzlich: "Technologieoffenheit sollte das zentrale regulatorische Prinzip sein – um sicherzustellen, dass alle Technologien zur Dekarbonisierung beitragen können. Elektrofahrzeuge werden dabei vorangehen, aber es muss auch Raum geben für (Plug-in-)Hybride, Range Extender, hocheffiziente Verbrenner, Wasserstoff und CO₂-neutrale Kraftstoffe."
Das wirkt wie ein Griff in die Mottenkiste der Verbrenner-Verteidiger. Vor allem, wenn dann gänzlich unelegant gefordert wird, den sogenannten "Nutzungsfaktor" (utility factor), der für den Anteil der elektrisch gefahrenen Kilometer bei Plug-in-Hybriden steht, nicht zu verschärfen. "Die Aufgabe dieser Einschränkung ist daher die logische Option und eröffnet industriepolitisch Perspektiven für die Fertigung entsprechender Technologien in Europa." Weil wir die Batteriefertigung in Europa nicht hinkriegen, wollen wir also PHEVs bauen, sprich (mindestens auch) Verbrenner? Dabei kommen doch ausgerechnet die Benzinmotoren des neuen Mercedes CLA aus China – genau wie die Akkus.
Hinzu kommt: Der Nutzungsfaktor setzt den theoretischen CO₂-Vorteil von PHEVs bislang sehr unzulänglich ins Verhältnis zum Tatsächlichen. Wie das Fraunhofer-Institut belegt hat, sind die realen CO₂-Emissionen aktuell etwa vier bis fünf Mal so hoch wie die aus dem WLTP-Zyklus. Wer den Nutzen einer Technologie schönrechnet, fördert am Ende die falsche.