Alfa Romeo 147, Honda Civic und Peugeot 307

Anders als die auf Abgrenzung bedachten Alfa Romeo 147 und Honda Civic versucht der neue Peugeot 307, den deutschen Bestseller in der Kompaktklasse mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Kommt der bessere Golf jetzt aus Frankreich?
Jeder Vergleichstest beginnt wie eine Weltreise mit dem ersten Schritt vor die Haustür. Vor dem traditionellen Marathon über Autobahnen, Stadt- und Landstraßen mit ständigem Fahrerwechsel – neben den Messungen auf dem Hockenheimring wichtigster Teil des Testprogramms bei auto motor und sport- trifft sich die Crew an der Zapfsäule. Der fast leere Tank des VW Golf schluckt 52,3 Liter vom teuren Super Plus, und auch der Fahrer schluckt. 115 Mark sind dafür zu bezahlen.
Anlass genug für ein paar grundsätzliche Gedanken zu den Autos der Kompaktklasse, die einen erheblichen Beitrag zur Volksmobilität leisten, aber gar nicht mehr so volkstümlich sind. Mit wachsenden Ansprüchen an Leistung, Komfort und Sicherheit stieg nicht nur das Preisniveau, sondern auch die Vielfalt des Angebots. Selbst wer am Ende wieder zum Bewährten greift, spielt bisweilen in Gedanken mit dem Seitensprung. Zu verlockend erscheint der Reiz des Neuen, den immer bessere oder zumindest andersartige Alternativen wecken.
Dem Platzhirsch von VW hat diese Entwicklung bislang nicht geschadet, auch weil er mit seinen zahllosen Ablegern längst eine Klasse für sich ist. Als Allroundtalent mit neutralem Image gibt der Golf nun schon in der vierten, seit 1997 gebauten Generation die Messlatte vor, die der ganz frische Peugeot 307 mit großen Ambitionen und der Gnade der späteren Geburt zu überspringen versucht. Er will alles ein bisschen besser, aber nicht grundsätzlich anders machen als sein Vorbild.
Die jüngste Ausgabe des Honda Civic indes entfernt sich optisch weiter denn je vom einst sportlich-kompakten Habitus und sucht ihren Platz nunmehr zwischen Limousine und Minivan – mit stattlicher Länge und Höhe, aber betont unauffälligem Design. Ganz anders dagegen der Alfa Romeo 147, der es selbst als Viertürer mit Basismotor versteht, das emotionale Profil der Marke zu schärfen und der italienischen Lebensart neue Liebhaber zu gewinnen.
Kurz und gut: Wenn hier ein Schönheitspreis zu vergeben wäre, hätte der Alfa alle Chancen auf den Titel. Schön vor allem, dass den Designern der Esprit und das Stilempfinden nicht im Innenraum ausging. Er heißt die Insassen mit einer attraktiven Mixtur aus schwarzen Oberflächen und silberfarbenen Applikationen willkommen, auch die Position auf den gut ausgeformten Vordersitzen stimmt. Gewöhnungsbedürftig sind allerdings die Heizungstastatur, die überfrachteten Lenksäulenhebel sowie der schmale Sehschlitz nach hinten.
Zusammen mit der hohen Gürtellinie und dem flachen Dach vermittelt dies im Fond ein Gefühl von Enge, das nicht ganz der Realität entspricht. Denn wie bei den Außenmaßen liegt der 147 auch innen praktisch gleichauf mit dem Golf, nur beim Gepäckvolumen fällt er nach unten aus dem Rahmen. Anders als früher gilt das nicht für die Materialanmutung und Steifigkeit der Karosserie, die einen guten Eindruck hinterlassen.
Auf den neuen Peugeot trifft das nur eingeschränkt zu, denn zur dezenten Begleitmusik gehören Zisch-, Pfeif- und Klappergeräusche, die den Anspruch gehobener Qualität untergraben. Eher lässt er sich in der reichhaltigen Serienausstattung sowie dem großzügigen Raumangebot ausmachen, wo der 307 mit verschwenderischer Innenbreite und opulenten Staureserven glänzt. Im Fond geht es nicht ganz so üppig zu, und die Funktionalität leidet unter der schlechten Übersicht nach vorn.
Weniger ausgeprägt gilt das auch für den Honda, wo man etwas höher als bei den anderen sitzt. Beim Einsteigen hält er ein weiteres Aha-Erlebnis bereit, denn die Raumfülle ist für diese Klasse konkurrenzlos. Große Fenster, ebener Boden und die kurze Mittelkonsole ergeben ein Gefühl lichter Weite, untermauert vom langen Radstand, der selbst den Fondpassagieren viel Beinfreiheit beschert.
In ihrer Kargheit gibt die Cockpit-Gestaltung bei der Bedienung keine Rätsel auf, zeigt jedoch weder formalen Pfiff noch sonderlich ansprechende Materialien. Das graue Plastik wirkt billig und kratzempfindlich, die Sitze sind dünn gepolstert und wie der Kofferraum lieblos verkleidet, es fehlt an brauchbaren Ablagen. Abgesehen vom hochgesetzten Schalthebel sieht das Civic-Interieur so aus, wie man es seit Jahren von japanischen Autos gewohnt ist.
Mehr her macht klar der Golf, der seine Funktionalität in gediegene Oberflächen mit hoher Passgenauigkeit kleidet. Auch die Karosseriesteifigkeit überzeugt, das Platzangebot jedoch weniger. Während es vorne nicht an Bewegungsfreiheit mangelt, müssen sich die Hinterbänkler zuerst durch schmale Türöffnungen und dann in den knappen Fußraum einfädeln.
Weitere Minuspunkte handelt er sich mit seiner kargen Serienausstattung ein. Klimaanlage, Zentralverriegelung, Cassettenradio sowie elektrische Fensterheber und Außenspiegel sind bei den Rivalen durchweg Standard, VW kassiert rund 4000 Mark extra. Zugegeben – gegen Mehrpreis bekommt man fast alles, doch dass eine Außentemperaturanzeige nur im Technikpaket Elektrik für 2210 Mark geliefert wird, spottet der vorgeblichen Sicherheitsphilosophie Hohn. Immerhin hat die hier getestete Trendline-Version dem Basismodell nützliche Zutaten wie Breitreifen der Dimension 195/65 R 15, eine geteilt umklappbare Rücksitzbank sowie Sportsitze voraus. Sie bieten guten Komfort und Seitenhalt und tragen damit erheblich zum Wohlbefinden bei. Mit geringer Zuladung erreicht seine Federung sogar echtes Mittelklasse-Niveau, doch wenn der Golf bis zur zulässigen Grenze ausgelastet wird, neigt er zu ausgeprägten Vertikalbewegungen.
Davon zeigt sich der Civic weitgehend unbeeindruckt, der zwar nicht so geschmeidig abrollt, aber unabhängig vom Ballast praktisch alle Bodenwellen wegsteckt. Fahrwerksabstimmung und Sitze sind von der straffen Sorte, was sich auf Dauer als angenehm konditionsfördernd erweist. Auch der kernige Motor stört weniger als die geringe Seitenführung des Gestühls. Von französischen Autos darf man gemeinhin höchste Bequemlichkeit erwarten, was der 307 jedoch nur zum Teil erfüllt. Sein Fahrkomfort ist aller Ehren wert, ohne freilich neue Maßstäbe zu setzen. Abrollverhalten und Dämpfung lassen ebenso Wünsche offen wie der Geräuscheindruck, wobei vor allem das laute Gebläse auffällt.
Den sportlichen Sound des Alfa dürften hingegen höchstens Banausen als Belästigung empfinden, zumal die Phonwerte insgesamt niedrig sind. Andererseits offenbart er einmal mehr, dass die Firma manche Fahrwerksschwächen scheinbar nicht in den Griff kriegt. Die ständige Unruhe im Vorderwagen und das Poltern auf kleinsten Unebenheiten schmälern nachhaltig die Freude an langen Strecken, obwohl der Komfort mit Beladung etwas besser wird. Erst auf kurvigen Landstraßen ist der 147 in seinem Element. Da zeigt er eine Agilität und Leichtfüßigkeit, die selbst in abgeklärten Fahrernaturen Lust auf die nächste Rechts-Links-Kombination weckt. Die überaus direkte, dazu etwas stößige Lenkung bringt aber eine gewisse Nervosität ins Spiel, und bei hoher Zuladung muss man mit kräftigen Lastwechselreaktionen rechnen, weil es ESP nur für die stärkeren Typen gibt.
Dem sehr fahrsicheren Peugeot sind solche Allüren völlig fremd, zumal er serienmäßig mit elektronischem Stabilitätsprogramm geliefert wird. Er absolvierte die Fahrversuche leer wie beladen in Bestzeit ohne nennenswerten Aufwand, wirkt dabei allerdings etwas schwerfällig und träge – ganz wie es seinem gediegenen Habitus entspricht. Hier triumphiert gallische Größe über romanische Leichtigkeit, die man eher beim Civic mit gutem Handling und einer leichtgängigen, etwas gefühlsarmen Lenkung findet. Abgesehen vom nicht einmal gegen Aufpreis erhältlichen ESP sind seine Fahreigenschaften auf der sicheren Seite. Selbst viel Gewicht ändert nichts an seinem neutralen Kurvenverhalten. Minuspunkte gibt es nur für den großen Wendekreis und die schlechte Traktion. Sehr handlich wirkt auch der VW zumindest bis kritische Situationen ein schnelles Ausweichmanöver erforderlich machen. Dann untersteuert er kräftig, zeigt starke Karosseriebewegungen und verliert dadurch an Fahrpräzision. Das serienmäßige ESP nimmt ihm zwar jede Tücke, aber zugleich den Schwung, weil es ihn frühzeitig einbremst. Als Dynamiker kann sich der Golf schon wegen seines 1,6-Liter-Vierventilers kaum profilieren, der beim Gangwechsel ruckelt und sein dürftiges Durchzugsvermögen mit lautem Dröhnen kaschiert. Immerhin verbraucht er weniger Benzin als Alfa und Peugeot, die in den getesteten 1,6-LiterVersionen auch keine Bäume ausreißen. Abweichend von den Messwerten wirkt der 147 dabei spritziger als der 307. Obwohl der Civic mit seinen Motordaten nicht viel besser dasteht, bietet er in diesem Umfeld spürbar mehr Temperament. Sein Vierzylinder reagiert sehr spontan auf Gas und dreht so mühelos und vibrationsarm hoch, dass die Nadel des Drehzahlmessers ständig den roten Bereich streift. Vor allem auf Langstrecken sucht man vergeblich nach dem sechsten Gang, wenngleich die akustische Präsenz des Motors selten lästig wird und der Verbrauch moderat bleibt. Genauso bescheiden ist allerdings seine Sicherheitsausstattung, denn abseits der gängigen Unfallvorsorge (ABS, Front- und Seitenairbags vorn, Isofix-Verankerung) tun sich Lücken auf, die nicht einmal gegen Aufpreis geschlossen werden können. Trotz guter Verzögerung und Bremsassistent: Eine Neukonstruktion ohne ESP, Schlupfregelung und seitliche Kopfairbags ist bereits überholt. Noch ein paar Punkte weniger holt der Alfa in der Sicherheitswertung, besonders wegen seiner schwächeren Bremsen. Wenig zu mäkeln gibt es dagegen bei 307 und Golf – abgesehen davon, dass VW hier nochmals für Dinge abkassiert, die beim Peugeot zum Standard gehören (Kopfstütze und Automatikgurt in Fondmitte, seitliche Kopfairbags) und dessen höchsten Grundpreis in einem günstigeren Licht erscheinen lassen. Denn ohne Zweifel bietet der Newcomer einen guten Gegenwert und viele Talente, die ihm neben drei Kapitelsiegen auch einen soliden Gesamtvorsprung einbringen. Mit besserer Sicherheitsausstattung könnte der Honda, der besonders mit Raum, Temperament und Komfort gellt, zur Spitze aufschließen. Dagegen zeigt der VW sichtbare Alterungserscheinungen und keine herausragenden Qualitäten mehr. Die sind dem Alfa kaum abzusprechen, der so starke positive wie negative Reize hat. Aber er geht damit um wie die feinsten unter den Menschen- mit Stil.