Alfa Romeo 156 Sportwagon Fahrbericht

Gleichmaßen neue Ein- und Aussichten wird der neue Alfa Romeo 156 Sportwagon eröffnen. Die Kombi-Version verfügt über Laufsteg-Talente und zeigt gleichzeitig, dass gutes Aussehen den praktischen Nutzwert nicht einschränken muss.
Die Form des Alfa 156 Sportwagon wurde aus einem sensiblen Handgelenk geschüttelt, das die Kunst der Kurve gut im Griff hat und im Fundus des Alltäglichen eine Vorlage fand, die es wert war, als Dachlinie festgehalten zu werden: Jene imaginäre Bahn, die entsteht, wenn die rechte Hand eine Streichelbewegung ausführt. Hinter dem lasziven Schwung von den A-Säulen bis zum Heck stecken neben dieser Eingebung auch handfeste technische Änderungen.
Ab Mitte der Fondtüren sind alle Karosserieteile sichtbar neu. Quasi unsichtbar dagegen wurde das Dach gegenüber der Limousine ab den Türrahmen generell um drei Zentimeter angehoben. Dieser Kniff schuf genügend Spielraum, um den Schwung des Daches über den Fondsitzen abfallen und im Bereich des Spoilers nochmals leicht ansteigen zu lassen.
Der Spoiler und die filigrane Anordnung von Heckscheibe und schlitzäugigen Heckleuchten erzeugen beim Betrachter eine Illusion, für die normalerweise Kinoleinwände zuständig sind. Dieser 4,43 Meter lange Kombi mit einem Kofferraumvolumen von maximal 1.180 Litern flimmert als zierlicher Fastback vor den Augen. Seine Rückenansicht erinnert an die nach vorn geschrägten Hecks hölzerner Segelyachten. Die weit ins Dach reichende und hoch öffnende Heckklappe verstärkt diese Idee, wenn sie wie ein kleines Segel achtern in der Luft steht.
Mit Raffinesse, sonst meist dem äußeren Erscheinungsbild vorbehalten, ist dieses Heck auch innen ausgeschlagen. Der Boden des Kofferraums lässt sich umdrehen und als wasserdichte Wanne nutzen, oberhalb der Radkästen sind kleine Staufächer sowie eine 12-Volt-Steckdose untergebracht, und zwei Gepäcknetze können in verschiedenen Stellungen fixiert werden.
Die zugezogene Kofferraumblende verringert den ursprünglichen Stauraum der Limousine zunächst von 378 auf nicht gerade üppige 360 Liter. Doch alles übrige Gepäck, das Italiener stolz auf Autodächern verschnüren, passt ohne Abdeckung und mit nach vorn geklappten Rücksitzen diesmal unter das Dach, wenn der größtmögliche Stauraum von 1.180 Litern genutzt wird.
Eine zusätzliche Traverse unter dem Boden und verstärkte Dachsäulen helfen, die Karosserie auf Limousinen-Niveau zu versteifen. Nicht ganz so limousinenhaft sportlich wurde das Fahrwerk abgestimmt. Es reagiert komfortabler auf Boden-Unebenheiten und ist stärker untersteuernd ausgelegt, um bei voller Zuladung ein Übersteuern des Hecks einzuschränken.
Auch die automatische Niveau-Regulierung ist als typische Zusatzausstattung für einen Kombi gedacht. Doch das Nivomat-System der Firma Boge entpuppt sich als Sport-Häubchen auf dem Wagon-Kuchen. Im Paket mit einer tiefer gelegten Karosserie und den 16-Zoll-Alufelgen mit 205/55-Breitreifen läßt sich der Fronttriebler – speziell unbeladen – wie ein SWV, also die moderne Sportwagon-Veloce-Version seeliger GTV-Modelle, durch Kurven und über Landstraßen schlängeln.
Wer dieses agile Fahrverhalten innen sichtbar machen will, kann unter drei verschiedenen, Sportpakete genannten Ausstattungen wählen. Die üblichen Basics von Momo-Lederlenkrad, schwarzen Instrumentenskalen mit roten Ziffern und 16-Zoll-Bereifung werden immerhin durch Praktisches wie dritte Kopfstütze mit Automatikgurt hinten sowie Mittelarmlehne mit Skidurchreiche und GSM-Dachantenne ergänzt. Das Winterpaket fasst jene Details zusammen, die in einem aufs Mittelmeerklima abonnierten Land nicht nötig sind, in Deutschland jedoch selbstverständlich sein sollten: Nebelscheinwerfer, Scheinwerfer-Waschanlage und die Sitzheizung, ohne die Ledersitze im mitteleuropäischen Winter kalt wie Plastik-Bobs bleiben.
Zusätzlich zu den serienmäßigen Fahrer/Beifahrer- und Seiten-Airbags sollen im Sportwagon ab Sommer – erstmals im gesamten Fiat-Konzern – seitliche Kopf-Airbags als Option erhältlich sein.
Damit scheint beim Alfa Kombi nun ein Bereich austariert, in dem die Kunden ein traditionelles Ungleichgewicht spürten: die Diskrepanz zwischen dem stets glänzenden äußeren Auftritt und der Praxis- oder der Alltagstauglichkeit.
Im Sportwagon haben die geschmeidige Schönheit einer außergewöhnlichen 90-jährigen automobilen Tradition und notwendiger Nutzwert endlich eine moderne Balance erreicht. Man darf es als Kunde noch immer genießen, dass auch im Alfa Romeo 156 mit Kombiheck die hinteren Türöffner weiter als schwarze Grifflöcher im Fensterrahmen versteckt sind. Doch gleichzeitig sind auch Reeling-Systeme lieferbar, mit denen das Dach nicht nur als Kopfbedeckung, sondern auch als Lastentransport genutzt werden kann.
Die Suche nach den fast versteckten Unterschieden zwischen Limousine und Kombi kann in ein kurzweiliges Gesellschaftsspiel ausarten. Bei gleicher Länge und gleichen Überhängen verliert man leicht aus den Augen, dass die seitliche Sicke der Limousine bis um die Heckleuchten reicht, beim Sportwagon aber auf der Wagenflanke ausläuft.
Motorisch hält sich der Sportwagon ans Schwestermodell: Drei Twin-Spark-Vierzylinder, ein V6 und die beiden Common-Rail-Diesel decken ein weites Spektrum ab.
Ist der Alfa Romeo 156 Sportwagon ab Ende Mai dann in Deutschland erhältlich, werden andere Kombis ziemlich alt aussehen.