Welcher Premium-E-SUV macht´s besser?

Im wachsenden Segment der Elektroautos ist immer was los. Heute dreht sich alles um den Mercedes EQB, die E-Version des geräumigen GLB, sowie den vielversprechenden Audi Q4 e-tron. Im Test die Topmodelle mit Allradantrieb.
Inzwischen gibt es ja kaum mehr eine Ausgabe von auto motor und sport, in der kein Elektroauto auf dem Titel prangt. Vom günstigsten E-Mobil, dem Dacia Spring, über all die feschen E-SUV und mitreißenden Racer im Stile des Porsche Taycan Turbo bis hin zum 5,4 Meter langen EQV – alles schon mal hier gewesen. Die Vielfalt ist enorm.
Wer das Angebot aber mal nach den typischen Bedürfnissen einer vierköpfigen Familie mit einem halbwegs gut gefüllten Tagesgeldkonto abgleicht, steht recht schnell vor Hochdachkombis wie Opel Combo-e oder Peugeot E-Rifter. Gewiss vielseitige Begleiter, aber spezieller Natur.
Mercedes EQB: Variabler SUV
Ende letzten Jahres kam nun Schwung ins Segment. Mercedes schickt nach dem EQA den EQB ins Rennen, und das B im Label verrät schon viel: Als Basis dient der geräumige sowie variable GLB. Besonders geschätzt: die gute Rundumsicht, der üppige Stauraum, eine um 14 Zentimeter längs verschiebbare Fondsitzbank oder die dritte Sitzreihe für kleinere Passagiere inklusive Isofix-Aufnahmen. Und der EQB? Na – dem Ingenieur ist nichts zu schwer –, ist kaum minder nützlich. Die variable Bank und sieben Sitze sind zu haben, wenn auch noch nicht im Testwagen. Natürlich fordern die Batterien ihren Platz. Ergo musste der Fahrzeugboden hoch. Den Fondinsassen fehlt es jetzt an Sitzhöhe, das Unterbodenfach ist deutlich flacher, und das maximale Ladevolumen schrumpft um 95 Liter. 1710 Liter sind für ein E-Auto dennoch bemerkenswert. Basispreis: 52 342 Euro (EQB 250).
Audi Q4 E-Tron: Eine weitere MEB-Variante
Ebenso frisch am Markt ist der Q4 e-tron, Audis kleinstes E-Auto, das auf der vielseitigen MEB-Plattform basiert, die Premium-Kunden locken soll und so klein gar nicht ist. Mit 520 bis 1490 Litern Raum kann auch er viel Gepäck transportieren. Nur sperrige Kartons sollten es nicht sein – die schwungvolle Dachlinie schränkt die Höhe stark ein. Als einer der wenigen E-SUV darf der Q4 je nach Antrieb dafür bis zu 1,2 Tonnen schwere Hänger ziehen. Zudem punktet er im luftigen Fond mit einer überaus bequem geformten Rückbank, auf der es sich dank viel Beinfreiheit vorzüglich verreisen lässt. Eine 40 : 20 : 40-Teilung erhöht zudem den Nutzwert, und im Unterbodenfach ist Platz für Hutablage und Ladekabel. Basispreis: 41 900 Euro (35 e-tron)
Zum ersten Test erscheinen die Kontrahenten mit ihren kraftvollsten Antrieben und reichlich Batteriezellen. Im EQB 350 4Matic werkelt vorn, ganz nach Bedarf, ein kompakter Asynchronmotor mit 140 kW, im Heck powert konsequent eine 75 kW starke permanenterregte Maschine. Systemdrehmoment: üppige 520 Nm. Akkugröße: 66,5 kWh.
Der hecklastig ausgelegte Q4 mit etwas fülligerem Energiespeicher (77 kWh) bringt es als 50 e-tron Quattro auf 460 Newtonmeter und eine maximale Leistung von 220 KW (vorn 80, hinten: 150 kW). Ganz sauber ist die Rechnung allerdings nicht. 25 Kilowatt gebühren einem Overboost über 30 Sekunden, so denn 88 Prozent der Batteriezellen gefüllt sind und die Temperatur passt (23–50° C) – Feinheiten, die wir natürlich im Testbetrieb berücksichtigen.
Also stehen die E-Autos bei den Beschleunigungsmessungen wohltemperiert und mit vollen Akkus an der Startlinie. Auf 100 km/h stampft der immerhin 2,24 Tonnen schwere Q4 ohne jegliche Traktionsprobleme in respektablen 6,4 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 180 km/h. Der gar auf 160 km/h limitierte EQB leistet sich zumindest auf dem Papier keine Leistungsverluste, belustigt aber auf der Messstrecke. Er erreicht dort nicht mehr als 159,6 km/h. So erklärt sich auch das Strichlein in der Datentabelle. In der Punktewertung spielt das freilich keine Rolle.
Der EQB beschleunigt auf und davon
Eher schon der weitaus kräftigere Antritt und bessere Sprintzeiten. Schon auf 80 km/h nimmt der EQB dem Q4 über eine halbe Sekunde ab, und auch darüber hinaus kann der Audi nicht mehr aufholen.Grund? Wie üblich geht’s um Bauchspeck.
Zehn Zentimeter kürzer als der fein eingerichtete EQB, bringt der Q4 dennoch 131 Kilogramm mehr auf die Waage. An gewichtigen Materialien kann es nicht liegen. Dank teurer S-line-Lederausstattung (3890 Euro), die auch exzellente Sportsitze beinhaltet, wirkt der e-tron auf den ersten Blick zwar proper. Eine Etage tiefer spart Audi hingegen nicht mit schnöden Kunststoffen und ist kaum edler als die günstigeren MEB-Brüder von VW, Skoda und Cupra.
Eher dürfte das Mehrgewicht an der um 10,5 kWh höheren Batteriekapazität liegen. In jedem Fall ein krasser Unterschied, der zeigt, dass die Mischplattform von Mercedes einer rein elektrischem Basis keineswegs unterlegen ist. Einzig leicht zerrende Vorderräder unter voller Last und eine kürzere Reichweite schmälern das Vergnügen.
Nimmt man den minimal höheren Energiekonsum von 29,3 kWh, kommt der Benz nicht weiter als 252 Kilometer (Q4: 281 km). Für beide Wagen keine werbewirksamen Erkenntnisse. Zahmer und im Eco-Modus gefahren, sind Strecken über 300 Kilometer aber durchaus zu schaffen.
Der Q4 hat mehr Reichweite
Geht es schließlich doch ans Laden, spielt der Q4 zumindest an der HPC-Säule seine Trumpfkarte aus. 35 kW mehr Ladeleistung – entsprechend zügig kann der Audi seine Zellen füllen. Plakativ ausgedrückt: Für 150 Kilometer steht der Q4 32 Minuten an der Säule, der EQB muss zwölf Minuten länger stehen. Das kostet ihn wertvolle Punkte.
Dafür hält der EQB seine maximale Ladeleistung deutlich länger aufrecht, gut zu sehen an der Ladekurve auf Seite 56. Zudem zeigt das Audi-Infotainment nicht an, ob die angepeilte Ladesäule überhaupt frei ist. An der heimischen Wallbox herrscht hingegen Einigkeit. Beide SUV ziehen sich via On-Board-Lader die üblichen 11 kW (Serie). Nach rund sieben Stunden sind die Energiespeicher wieder voll.
Gleichfalls für den Mercedes spricht der hohe Federungskomfort. Ausgerüstet mit Adaptivfahrwerk, rollt er in der Stadt zwar etwas herb ab, leistet sich aber ansonsten keine Schwächen. Leicht wogend gibt er Straßenschäden kaum weiter, bleibt auf holprigen Strecken gelassen, stört auch nicht mit Poltergeräuschen und hält den Aufbau auf langen Wellen dennoch ruhig. Dazu passt das geschmeidige Überblenden von Rekuperation zu hydraulischer Bremse bei verlässlichem Pedalgefühl.
Dem Audi gelingt das sogenannte Blending nicht so reibungslos, und die intelligente Rekuperation arbeitet nicht so verlässlich wie im EQB – trotz dessen geringerer Batteriekapazität. Nervig: Der Audi gibt die eingestellte Rekuperationsstärke während der Fahrt auf, nur im Dynamik-Modus nicht. Bleibt als letzte Lösung also nur die individuelle Konfiguration. In jedem Fall gut zu wissen und ziemlich frech: Die Lenkradwippen sind nicht mal Serie und nur im Verbund mit einem entsprechenden beheizten Lenkrad für zusammen 280 Euro zu haben. Ansonsten bleibt nur die übliche B-Stufe.
Ohnehin legt der kleinste e-tron wenig Wert auf Komfort. Egal wo und wie flott – er stolpert und stößt mehr, als dass er federt. Auch kräftige Hubbewegungen kann er seinen Insassen nicht ersparen, wohlgemerkt trotz adaptiver Dämpfer und Winterreifen im 18-Zoll-Format.
Auf der Messstrecke rollt der Audi mit Hankook-Ventus-S1-Mischbereifung im 21-Zoll-Format vor. Macht 1640 Euro zusätzlich, die sich bei den Fahrversuchen kaum auszahlen. Im Slalom etwas flotter, beim doppelten Spurwechsel träger als der wankarme EQB – mehr nicht. Ohnehin fällt auf, dass der Mercedes mit einer feinfühligen präzisen Lenkung viel Vertrauen aufbaut, während sich der Audi nicht so sauber fahren lässt. Die Bremswege selbst sind okay, wenngleich der 350 4Matic teils noch etwas kräftiger verzögert.
Am Ende zählt jeder Punkt
Kaum Unterschiede ergeben sich im Arsenal der Fahrerassistenzsysteme: alles da, wenn auch teuer. Geht es in die Nacht hinein, ist der Q4 – für weitere 1130 Euro – mit seinen vielseitigen Matrix-LED-Scheinwerfern dagegen klar im Vorteil. Der EQB kann lediglich mit LED-Scheinwerfern und Fernlichtassistent dienen. Schade, denn die Technik wäre da. Der GLB leuchtet mit seinen adaptiven Multibeam-LED und Teilfernlicht nach unserer Erfahrung weitaus besser aus.
Warum so genau? Nach Punkten liegen EBQ und Q4 e-tron erstaunlich nah beieinander. Da zählen Details. Auch dass die Sprachbedienung im Audi immer noch nicht die kompetente MBUX-Dame toppen kann. Schmerzlich? Nein. Anders als bei anderen Modellen baut Audi im Q4 immer noch ein klassisches Bedienmodul für die Klimaautomatik ein und platziert wichtige Tasten für Fahrmodi oder Assistenzsysteme stimmig in der Mittelkonsole. Der EQB mit seinem altbekannten und dennoch hochmodernen Cockpit inklusive kleinerem Screen und zusätzlichem Touchpad zwischen den Sitzen macht es nicht viel besser
Tja, klingt insgesamt ebenbürtig. Bleibt noch der übliche Check der umfangreichen Preislisten. Mit 57 989 Euro liegt der EQB deutlich über dem Q4-Topmodell für 53 600 Euro. Doch so teuer ist der Mercedes gar nicht. Das für E-Autos essenzielle Navi-System, wichtig für Ladepunkte, Routenführung und Vortemperierung, ist beispielsweise im Kaufpreis drin. Audi kassiert für sein MMI Navigation Plus inklusive Verkehrszeichenerkennung und virtuellem Cockpit mal eben 1995 Euro mehr. Auch Wärmepumpe, Durchlade, der variable Ladeboden und eine elektrische Heckklappe kosten Aufpreis.
Wer also gewinnt – Mercedes oder Audi? Siehe unten.