BMW M6 Gran Coupé und Mercedes CLS 63 AMG Shooting Brake
Derzeit werden V8-Biturbo-Triebwerke wohl kaum attraktiver verpackt als in einem BMW Sechser Gran Coupé und Mercedes CLS Shooting Brake. Wir lassen die M- und AMG-Varianten zum Test antreten.
Nur um gleich einmal die Dimensionen dieser Paarung klarzumachen: Allein die Keramik-Bremsanlage sowie das Infotainmentsystem mit Bang & Olufsen-Audioanlage des BMW M6 Gran Coupé entspricht in etwa dem Gegenwert eines Basis-Golf oder eines ordentlich ausgestatteten Mini One – inklusive Radio und Bremsanlage, natürlich. Im Mercedes lässt sich ebenfalls eine nicht unerhebliche Summe für Extras ausgeben, 3.511 Euro für die Carbon-Zierleisten etwa und 4.401 Euro für die Mattlackierung.
CLS rast in 4,3 Sekunden von null auf 100
Sobald allerdings der CLS-Fahrer den Sitz mit den zahlreichen Luftpolstern seiner Statur perfekt angepasst hat und den 5,5-Liter-V8 zündet, plättet das Biturbo-Triebwerk mit einem akustischen Fausthieb alle gedanklichen Irrläufer bezüglich möglicher Fehlinvestitionen. Bei 1.750 Umdrehungen liegt das maximale Drehmoment von 720 Newtonmetern an, das die Automatik schon bald im siebten Gang verarbeitet. Dann brabbelt der Shooting Brake buddhistisch-tiefenentspannt vor sich hin, kommt bei keuschem Gasfuß und brav start-stoppend – wie auch der BMW – mit 9,2 L/100 km über die auto motor und sport -Verbrauchsrunde. Im Stop-and-go-Verkehr assistiert die adaptive Geschwindigkeitsregelung, bei freier Fahrt täuscht das Talent der adaptiven Dämpfer, speziell lange Bodenwellen beflissen auszubügeln, über den Eindruck hinweg, in einer hochpotenten Sportlimousine unterwegs zu sein.
Hier die – Achtung, Wortsinn – Enttäuschung: mittels Launch Control schnalzt der knapp zwei Tonnen schwere Mercedes in 4,3 Sekunden von null auf 100 km/h, schmettert dreckig grollende V8-Hymnen und löst so wie selbstverständlich das Versprechen des Herstellers ein. Dabei lädt das Getriebe die Gänge selbsttätig durch, was mit Schussgeschwindigkeit geschieht. Nur die Reaktionen auf Schaltbefehle im manuellen Modus wirken ein wenig müde.
Sperrdifferenzial verhilft dem AMG zu ordentlicher Traktion
Äußerst aufgeweckt dagegen: sein Fahrverhalten. Der CLS scheut kein ländliches Asphaltgezwirbel, lenkt äußerst direkt ein und bleibt selbst dann noch neutral, wenn das anliegende Tempo den Beifahrer zumindest sacht protestieren lässt. Zudem verhilft dem CLS das optionale Sperrdifferenzial zu ordentlicher Traktion, die erst auf nachlässig gepflegten Straßen zu bröckeln beginnt. Hier regelt das ESP selbst in Stufe zwei etwas zu früh und zu radikal die Leistung weg.
Ein möglicher Grund dafür: Die etwas fahrig wirkenden Hubbewegungen an der Hinterachse bringen den sonst so gelassenen Shooting Brake ein wenig aus dem Takt. Erst im Sportmodus wird das Fahrwerk wieder präziser – die Lenkung dagegen nicht. Sie arbeitet zwar angenehm linear, behält dabei aber zu viel Rückmeldung für sich. Dass der Mercedes dennoch das Kapitel Fahreigenschaften für sich entscheidet, liegt unter anderem an seinem kleineren Wendekreis – willkommen im Alltag.
Und es gelingt dem BMW eben auch nicht, sich eindeutig abzusetzen, obwohl es zunächst immer mal wieder danach aussieht. Das Interieur beispielsweise schmeichelt mit leidenschaftlicher Detailverliebtheit bis in die letzte Ziernaht, modernste Unterhaltungs- und Informationselektronik zeigt dem CLS den Stand der Technik. Einzig die etwas wulstig geformten Sitze – nochmal Wortsinn – passen nicht jedem.
BMW M6 mit direkter abgestimmter Lenkung
Mit dem sportwagenmäßigen Fahrwerk dürften sich dagegen die Interessenten einer 560-PS-Limousine anfreunden. Selbst in der softesten der drei Stufen spricht sich die Abstimmung frei von übermäßigen Komfort-Ambitionen, wenngleich sie in sich stimmig wirkt. Harte Schläge? Fieses Auskeilen? Also bitte. Vielmehr bleibt sie immer betont straff, wirkt zugleich durch die minimalen Karosseriebewegungen unerschütterlich steif.
Seinem Fahrer reicht der BMW die direkter als beim Mercedes abgestimmte Lenkung, versorgt ihn mit klarer Rückmeldung, zuweilen aber auch mit leichten Stößen. Diese Präzision hilft zudem, auf eine andere Schwäche des M6 zu reagieren, bringt er doch seine Leistung mit der Traktion – trotz serienmäßigem, bis zu 100 Prozent sperrbarem Hinterachsdifferenzial – gelegentlich nicht in Einklang. Auf schlechten und nassen Straßen neigt der Viertürer zu Temperamentsausbrüchen mit der Hinterachse, verdeutlicht eindrucksvoll, dass der Humor eines 560-PS-Automobils nur ein ganz spezielles Publikum zum Lachen bringt.
BMW M6-Motor dreht höher
Wer sich dazu zählt, kann ja mal den M-Drive-Modus ausprobieren. Er verschafft dem Fahrer etwas mehr Freiraum, um die Grenze zwischen Haft- und Gleitreibung zu ertasten – und das passiert recht häufig, denn auch der BMW-V8 wirft früh mit viel Drehmoment um sich. Obwohl rund einen Liter schlanker im Hubraum, mobilisiert das Biturbo-Aggregat bereits bei 1.500/min ganze 680 Newtonmeter. Ja, das sind 40 Nm weniger als beim Mercedes. Ein Nachteil? Und selbst wenn – der M6 dreht höher, erst bei 7.200/min ist Schluss (Mercedes: 6.500/min).
Insgesamt entspricht die gleichmäßige, wenngleich gewaltige Art, wie der BMW M6 seine unfassbare Leistung abgibt, eher der eines Saugmotors. Daran orientiert sich auch sein tiefer, warmer, sehr sauberer, nie hochfrequenter und immer leicht gedämpfter Klang. Fast gar nicht gedämpft: das Doppelkupplungsgetriebe. Vor allem in der schärfsten der drei wählbaren Schaltgeschwindigkeiten und unter Volllast boxt es sich rasant und knallhart durch die sieben Gänge. Die Kehrseite: Selbst entschärft neigt der BMW im Stadtverkehr zu leichtem Ruckeln – also wieder kein Punkte-Vorsprung gegenüber dem Konkurrenten. Gleiches gilt für den Standard-Sprint, den der M6 ungerührt in 4,1 Sekunden abhakt und damit gleich viele Punkte erzielt wie der Mercedes.
Beide bleiben beim Verbrauch unter 14L/100 km
Hinzu kommt, dass beide Hochleistungs-Schönlinge die Fahrdynamik-Prüfungen auf nahezu identischem Geschwindigkeitsniveau absolvieren und sich beim Testverbrauch (unter 14 Liter/100 km, immerhin) ebenfalls kaum etwas schenken. Und da unterschiedliche Charaktere keine Punkte bringen, verhilft erst die freche Preisgestaltung der Bayern dem Ergebnis zu Eindeutigkeit. Daran ändert die teure, aber nicht besonders wirkungsvolle Options-Bremse dann auch nichts mehr.