Bürstner Lyseo M 660 (2020) im Test

Komfortabel reisen und campen mit dem Sprinter als Basis und einem fast ausgestorbenen Grundriss. Das verspricht der Lyseo M mit Längsdoppelbett und Seitenbad. Hält er das Versprechen?
Nach längerer Pause gibt es wieder einen Bürstner auf Mercedes-Basis. Die Lyseo M-Baureihe ist eng verwandt mit dem Dethleffs Globeline und dem Laika Kosmo 2009. Während Letztere nur mit einem Einzelbettengrundriss zu haben sind, kann der Lyseo M auch mit Längsdoppelbett im Heck und danebenliegendem Bad bestellt werden. Dieser Grundriss war früher weit verbreitet, und bei Caravans ist dieses Layout auch heute noch sehr beliebt. Bei den Reisemobilen muss man dagegen fast schon danach suchen. Der Wunsch nach großen Heckgaragen und bequemen Einzelbetten schickte den einstigen Bestseller auf das Abstellgleis.
Dabei gibt es einiges, das für das Seitenbad im Heck samt Doppelbett daneben spricht. Zuallererst das offene Raumgefühl, das daraus resultiert, dass kein Sanitärraum oder andere Engstellen den Blick nach hinten verbarrikadieren. Der so gewonnene Platz kann großen Schränken und der Arbeitsfläche in der Küche zugeteilt werden. Ein weiterer Pluspunkt dieser Grundrissvariante ist das große Bad. Aber auch zwei Nachteile sind layoutbedingt. Das Doppelbett fällt relativ schmal aus, und der Stauraum im Heck reicht nicht für den Fahrradtransport. Wir schicken den seltenen Grundriss mit komfortabler Mercedes-Basis auf den Supercheck-Prüfstand.
Wohnen
Der Einstieg in den Lyseo M 660 erfolgt bequem durch eine 63 Zentimeter breite Tür. Die Wohnwelt in Hellbraun, Beige und Weiß passt gut zum luftigen Raumgefühl im Innenraum. Dank optionalem Dachfenster (De-Luxe-Paket) und dem 1350 Euro teuren Skyroof über dem Fahrerhaus kommt dazu noch viel Licht. Die Blickachse diagonal durchs Fahrzeug ist völlig frei von Hindernissen, und man hat besonders im Küchenbereich sehr viel Bewegungsfreiheit. Auch die Stehhöhe fällt mit 1,99 bis 2,05 Meter üppig aus.
An der L-Sitzgruppe mit Seitensitz können bis zu fünf Personen bequem Platz nehmen. Oder man nutzt Bank und Seitensitz bei kürzeren Pausen zu zweit, ohne die Fahrerhaussitze zu drehen. Der Tisch fällt mit 55 Zentimetern etwas schmal aus, hat aber mit 96 Zentimetern eine gute Länge. Er ist allerdings nicht drehbar, und eine Verlängerung gibt es ebenfalls nicht. Als Abstellplatz für Gläser findet sich dennoch immer eine passende Position, da die Tischplatte in Längs- und Querrichtung verschiebbar ist und somit von allen Plätzen erreichbar ist. Einzig das Essen vom Beifahrersitz aus gestaltet sich unkomfortabel, da man zu weit entfernt sitzt. Ansonsten funktioniert die Einbeziehung der Fahrerhaussitze gut, man muss nur beim Drehen auch die Sitzlängsverstellung nutzen, da das schmale Sprinter-Fahrerhaus den Bewegungsspielraum der Drehkonsolen einschränkt.
Ein schick mit einem LED-Band beleuchteter, halbhoher Raumteiler trennt die Sitzgruppe von der Küche. Der L-förmige Block mit drei Schubladen und einem sehr großen Spülenunterschrank lässt in Sachen Arbeitsfläche und Stauraum wenig Wünsche offen. Zum Kochen lädt ein Dreiflammherd mit elektrischer Zündung ein. Ein großer 142-Liter-Absorberkühlschrank mit 15 Liter Gefrierabteil nimmt reichlich Vorräte auf.
Im Heck wartet rechts das Doppelbett auf müde Camper. Es fällt mit maximal 2,03 mal 1,35 Meter nicht sehr breit, dafür aber lang aus. Der Einstieg ist komfortabel. Aus der rechten Betthälfte kommt man aber kaum, ohne den Partner zu stören. Auf der linken Seite sollte der kleinere der beiden Reisenden schlafen, denn ab einer Länge von 1,26 Meter läuft das Bett schräg zum Fussende zu, um bei knapp ein Meter Breite zu enden. Hat man sich mit dem Platzangebot arrangiert, kann man die Aussicht durch das große Seitenfenster genießen. Für etwas Privatsphäre ist das Bett mit einem Faltvorhang vom Wohnraum abtrennbar. Bei Bedarf gibt es optional zudem ein Hubbett quer über der Sitzgruppe.
An der Tür des Badezimmers hängt ein großer Ganzkörperspiegel, der beim Styling hilft. Dahinter erstreckt sich ein sehr großer Sanitärraum, der fast 1,60 Meter lang und 78 Zentimeter breit ist. Ein Spiegelschrank an der Rückwand und neun offene Ablagen nehmen Sanitärbedarf auf. Eine Banktoilette lässt genug Bewegungsfreiheit beim Geschäft,das Waschbecken ist gut nutzbar. Der Spiegel darüber ist schick mit einem LED-Band beleuchtet. Der Clou ist aber die klappbare Waschtischwand, mit deren Hilfe man den Raum in eine sehr stattliche Dusche mit rund 117 mal 78 Zentimeter Grundfläche verwandelt. Das ist größer als in so mancher kleinen Stadtwohnung.
Beladen
Der Lyseo lädt mit zahlreichen Schränken und Staukästen zur Mitnahme von üppigem Reisegepäck und Vorräten ein. Staukästen unter dem Seitensitz neben der Aufbautür und unter dem Bett, ein hoher Kleiderschrank neben dem Kühlschrank und ein großer Regalschrank neben der Küche nehmen etliches an Reisegepäck auf. Dazu kommen noch drei Hängeschränke, ein schmaler Wandschrank an der Sitzgruppe und ein Staufach im Bettkasten. Vier Weinflaschen reisen bevorzugt im Flaschenregal neben dem Einstieg mit.
Dazu kommt der große Heckstauraum, den man aber wohlgeplant beladen sollte. Denn es gibt nur einen Zugang zu dem teils unter dem Bad hindurch bis zur linken Seitenwand reichenden Staufach. In diesen flachen Teil passen Campingmöbel perfekt. Beim Ausladen muss der Platz davor aber frei sein, um dranzukommen. Auch wenn ein Kleinteil in diesen Bereich des Stauraums rutscht, ist es schwer, es wieder herauszuangeln. Ein zweiter Zugang auf der linken Seite wäre hilfreich.
Vor dem Beladen sollte man das Fahrzeug einmal wiegen. Beim gut ausgestatteten Testwagen schlagen die Extras mit rund 180 Kilogramm Mehrgewicht zu Buche. Das gemessene reisefertige Leergewicht von 3330 Kilogramm würde bei serienmäßigen 3,5Tonnen nur wenig Zuladung übrig lassen. Mit der günstigen Auflastung auf 3,88 Tonnen (150 Euro) wie im Testwagen sind es angemessene 550 Kilo. Für moderate 280 Euro extra sind zudem 4,1 Tonnen Gesamtgewicht möglich.
Technik
Aufbautechnisch begeht Bürstner einen Mittelweg. Dach und Boden sind mit resistentem GfK versehen, Wand und Seiten mit leichtem Alu beplankt. Auch bei der Isolierung ist nur der Boden mit XPS gedämmt und kommt ohne Holzverstärkungen aus. Dach und Wände sollen holzunterstützt und EPS-gedämmt gegen Wind und Wetter schützen. Bürstner vertraut dieser Konstruktion aber voll und ganz und gibt stattliche 10 Jahre Dichtheitsgarantie.
Die schicken Alu-Rahmen-Fenster sind Teil des 1650 Euro teuren De-Luxe-Pakets, das auch eine Gasumschaltanlage mit Crashsensor beinhaltet. Weniger überzeugend ist der Gaskasten ausgeführt. Zum Öffnen der unpraktischen Tür müssen gleichzeitig zwei Knöpfe eingedrückt und die Tür an zwei schmalen Aussparungen am Rahmen in Gegenrichtung gezogen werden. Dazu fällt der Gaskasten schmal aus, und die Ladekante ist hoch, was das Hantieren nicht gerade rückenschonend gestaltet. Einen Flaschenauszug findet man nicht einmal in der Aufpreisliste. Optimal angeordnet ist dagegen der Schalter des elektrischen Gasventils neben der Küche. Ein Druck, und die Anlage ist aktiviert.
Eine saubere Sache ist das serienmäßige elektrische Ablassventil für das Grauwasser. Leicht erreichbar im Heckstauraum, kann hier auf Knopfdruck, ohne sich die Hände schmutzig zu machen, das Abwasser entsorgt werden. Unpraktisch angeordnet ist dagegen der Ablass des Frischwassertanks und dessen Reinigungszugang. Während der isolierte Grauwassertank gut durch eine Bodenluke von innen erreichbar ist, versteckt sich der Zugang zum Frischwassertank tief unten im Staukasten unter dem Bett. Selbst mit langen Armen kommt man schwer an das Ablassventil, und eine Tankreinigung ist nur mit armverlängernden Hilfsmitteln möglich. Hier würde es schon helfen, wenn der Bettkasten seitlich eine Tür hätte, um den direkten Zugang zum Tank zu ermöglichen.
Tadel erntet auch die Abdichtung des Kassettenschachts der Banktoilette. Im Anschluss an den Kunststoffrahmen der Kassettenaufnahme finden sich Spalten, sägeraue Holzkanten und eine Öffnung, die in die Tiefen des Aufbaus hineinführt. Nicht gerade optimale Bedingungen, um diesen Bereich vernünftig sauber – und damit geruchsarm – halten zu können.
Die Beleuchtung schrammt knapp an der Bestbewertung vorbei. Nur der Durchschnittswert in der Küche mit 222 Lux und die Lesespots mit 264 kommen nicht ganz an die geforderten 300 Lux heran.
Lichtcheck
An der Sitzgruppe mit harmonischer Lichtverteilung gibt es volle Punktzahl für 217 Lux im Schnitt und 303 in der Spitze. Der Maximalwert von 366 Lux in der Küche bekommt Höchstpunktzahl. Das Bad ist nicht nur groß, sondern auch sehr gut ausgeleuchtet. 843 Lux maximal am Spiegel. Das Bett schneidet mit im Mittel 136 Lux gut ab. Nur beim Lesespot ist noch etwas Luft nach oben.
Fahren
Der Testwagen ist mit der optionalen 7G-Tronic-Automatik für 3530 Euro Aufpreis ausgestattet. Bestellt man diese Schaltung, bekommt man automatisch auch einen Abstandsregeltempomat mitgeliefert, der den Reisekomfort auf langen Strecken deutlich erhöht. Als Zusatznutzen hat der Tempomat eine Staufunktion. Er bremst bis zum Stillstand, und wenn die Standpause nur kurz ausfällt, fährt er automatisch in der Kolonne weiter. Bei längerem Stillstand muss man nur kurz das Gaspedal antippen, und weiter geht es.
Das Fahrwerk ist sehr komfortabel ausgelegt. Das schont den Rücken und reduziert Aufbau- und Ausbaugeräusche, da Fahrbahnunebenheiten größtenteils glattgebügelt werden. Dafür legt sich der Lyseo M spürbar in die Kurve. Der Aufbau neigt sich deutlich mehr zur Seite als bei vergleichbaren Modellen auf Fiat-Ducato-Basis, woran man sich in Kreisverkehren erst einmal gewöhnen muss. Das ESP greift sehr frühzeitig ein, wenn das Fahrzeug nur ansatzweise Gefahr läuft, in den Grenzbereich vorzudringen. Eine Autobahnauffahrt mit Tempo 50 bei trockener Straße kann schon zum harten ESP-Eingriff führen.
Beim Verbrauch liegt der Sprinter mit 11,8 Liter im leicht überdurchschnittlichen Bereich. Die Fahrleistungen mit dem 163-PS-Vierzylinder sind gut, insbesondere bei der Elastizität. Der Wendekreis bleibt mit knapp 13 Metern erfreulich klein.
Preise
Der Grundpreis des Bürstner klingt eher hoch. Die Serienausstattung mit Beifahrerairbag, elektrischem Abwasserventil, Combi 6 und manchem mehr relativiert den Basispreis aber. Auch die Tatsache, dass die sieben Ausstattungspakete sinnvoll bestückt sind und keines als Pflichtpaket nötig ist, kann gefallen. Die Verlockung, Kreuzchen bei der Sonderausstattung zu setzen, ist dennoch hoch, und so summiert sich der Testwagenpreis auf über 85.000 Euro. Immerhin weniger als beim Schwestermodell Globeline T von Dethleffs, das als Testwagen im Supercheck auf fast 94.000 Euro kam – dabei allerdings mit an Bord der 190-PS-Sechszylinder, den man in der Bürstner-Preisliste vergeblich sucht.
Grundpreis: 67.170 Euro(Mercedes Sprinter 414 CDI, Motor 105 kW/143 PS) mit TÜV und Zulassungsbescheinigung II Testwagenpreis: 85.420 Euro
Basisinformationen Bürstner Lyseo M 660
Gurte/Schlafplätze: 4/2 Zul. Gesamtgewicht: 3880 kg Länge/Breite/Höhe: 6,99/2,32/2,99 m Grundpreis ab: 66.990 Euro
Das fiel uns auf
(+) Die breite Aufbautür ermöglicht einen bequemen Einstieg auch mit sperrigen Gegenständen.(+) Eine Doppel-USB-Dose über dem Bett zum Laden von Mobilgeräten – inklusive Ablagemöglichkeit.(+)(-) Die schicken Alurahmenfenster kosten zwar Aufpreis, sorgen aber für eine plane Optik.(+)(-) Der Tisch ist zwar recht groß, kann aber weder erweitert noch gedreht werden.(-) Schlechte Abdichtung des Kassettenschachts. Offene Schnittkanten und Spalten erschweren die Reinigung.(-) Das Frostwächterventil in der Querbanktruhe neben dem Elektroblock ist schwer zu erreichen.
Nachgefragt
Markus Pangerl, Produktmanager bei Bürstner, nimmt Stellung ...
... zum Fehlen des 190-PS-Diesels: Die Motorisierung 190 PS wird ab MJ 2021 angeboten.
... zur unpraktischen Lage des Zugangs zum Frischwassertank: Zur Reinigung des Frischwassertanks gibt es die Möglichkeit, den Schrankboden zu entfernen und so den optimalen Zugang zu gewährleisten.
... zum fehlenden Zugang zum Heckstauraum von innen: Aus ergonomischer Sicht ist vom vorderen Bereich des französischen Bettes der hintere Ladebereich von innen kaum zugänglich. Deshalb haben wir auf den Klappmechanismus verzichtet.
...zum schlecht abgedichteten Toilettenschacht: In der Tat besteht hier Verbesserungspotenzial. Wir nehmen diese Anregung in unsere Modellpflegemaßnahmen auf.
...zum fehlenden Gaskasten-Auszug: Auch diese Anregung nehmen wir in unsere Modellpflegemaßnahmen mit auf.
Konkurrenten
Eura Mobil Profila T 675 SB Grundpreis: 61.490 Euro Basisfahrzeug: Fiat Ducato,103 kW/140 PS Länge/Breite/Höhe: 6990/2320/2860 mm Leer-/zul. Gesamtgewicht: 2845/3500 kg(+) Günstiger Grundpreis, Beifahrerairbag Serie, holzfreier Aufbau, Doppelboden, gute Serienausstattung. (-) Kleines Bett.
Knaus Van TI Plus 700 LF Grundpreis: 70.990 Euro Basisfahrzeug: MAN TGE, 103 kW/140 PS Länge/Breite/Höhe: 7470/2200/2900 mm Leer-/zul. Gesamtgewicht: 3015/3500 kg(+) Beifahrerairbag Serie, Front-, Heck- und Allradantrieb verfügbar, langes Bett, schmales Fahrzeug. (-) Gehobener Grundpreis.
Rapido 656 F Grundpreis: 56.600 Euro Basisfahrzeug: Fiat Ducato, 103 kW/140 PS Länge/Breite/Höhe: 6790/2350/2900 mm Leer-/zul. Gesamtgewicht: 2885/3500 kg(+) Günstiger Grundpreis, hochwertiger GfK-Aufbau mit XPS-Dämmung, Zentralverriegelung. (-) Beifahrerairbag nicht Serie, kleines Bett.
Die Baureihe im Überblick: Bürstner Lyseo M
Preise: 66.990 Euro Basis: Mercedes Sprinter Länge: 6,99 m Gesamtgewicht: 3500–4100 kg Weitere Modelle: 1 Charakter: Die Lyseo M-Baureihe kommt mit zwei identisch langen, preisgleichen Grundrissen zu den Händlern. Neben dem getesteten 660 steht auch der M 690 mit Einzelbetten zur Wahl. Ein Vorteil dieses Modells ist die fahrradtaugliche Garage im Heck. Andererseits fallen Sitzgruppe und Sanitärraum spürbar weniger großzügig aus. Beide basieren auf dem Sprinter-Fahrgestell mit Heckantrieb. Möchte man dagegen einen Bürstner mit Queensbett, muss man sich bei der Lyseo TD-, oder Time T-Familie umsehen, die auf dem Ducato basieren. Die Preise starten hier schon bei 53.990 Euro.