Chrysler 300 C

Der Chrysler 300 C ist das neue Flaggschiff der US-Marke. Die große Limousine gibt es mit zwei V6 und als Hemi mit einem 340-PS-V8.
In Deutschland wird die US Sparte von Daimler wegen der anhaltenden Finanzprobleme als Krisler bespöttelt, während sich die Amerikaner über den Pessimismus der Deutschen lustig machen. Ob ein Glas halb voll oder halb leer ist, bleibt Ansichtssache. Ob ein Auto Erfolg hat oder nicht, entscheiden allein die Kunden. Mit dem 300 C ringt Chrysler besonders um Anerkennung, denn die Limousine ist nicht nur das neue Flaggschiff der Marke, sondern auch die Speerspitze einer Offensive, die dieses Jahr noch sieben weitere Neuheiten bringt: das PT Cabrio, den Crossfire SRT-6, das Crossfire Cabrio, den facegelifteten Voyager, den 300 C Touring, den Jeep Wrangler Unlimited und den Jeep Grand Cherokee. Die Lunte für dieses Feuerwerk wurde von jenem Mann gelegt, der schon im Sommer Jürgen Hubbert als Chef der Mercedes Car Group beerbt: Chrysler-Vize Wolfgang Bernhard.
Ihm weinen sie bereits jetzt Tränen nach. „Er hat uns und den Zulieferern mit seiner Akribie alles abverlangt“, meint Entwicklungschef Craig Love, „aber nach Abschluss jedes Projekts merkten alle, dass es die Mühe wert war.“ Wie beim 300 C. Selten machte ein Chrysler mehr her. Und das nicht nur wegen des Gardemaßes, das in der Länge nur einen Millimeter unter der Fünf-Meter-Marke bleibt. Imposant wirkt vor allem die Frontpartie mit der mächtigen Kühlermaske und der markanten Bügelfalte in der Motorhaube. Die Silhouette besticht durch riesige (18 Zoll Serie, Optionen bis 20 Zoll) Räder, aerodynamisch geformte Spiegel, kurze Überhänge vorn und hinten sowie ein niedriges Dach mit kleinen Seitenfenstern.
Von hinten allerdings sieht der 300 C wie ein Allerwelts-Auto aus. An dieser Partie wurde auch am meisten herumgedoktert. Designchef Trevor Creed: „Wir hatten zwischendurch ernsthaft erwogen, wie früher die Reserveradmulde in den Kofferraumdeckel zu integrieren.“ Nun sitzt an dieser Stelle das blanke Nichts. Trotzdem hat das Umsatteln von Front- auf Hinterradantrieb dem Nachfolger des 300 M formal gutgetan. Und dem Package nicht geschadet. Schon der Kofferraum ist riesig. Er fasst 504 Liter und lässt sich durch Umklappen der asymmetrisch geteilten Rücksitzlehnen noch erweitern.
Unter dem Ladeboden ist zu Gunsten der Gewichtsverteilung die Batterie verankert. Das Ersatzrad steckt schräg nach unten geneigt daneben, damit es beim Heckaufprall keinen Schaden am Tank anrichten kann. Der ist weniger üppig bemessen: 68 Liter bei den Sechszylindern und 76 Liter beim V8. Der Radstand hat mit 3048 Millimetern die Ausmaße eines Kleinwagens und eröffnet paradiesische Platzverhältnisse im Fond. Hier gibt es soviel Beinfreiheit, dass sich sogar US Basketballgrößen ganz relaxt hinlümmeln können. Nur die Kopffreiheit ist wegen des niedrigen Dachs dürftig, speziell bei den Versionen mit Schiebedach. Das Beeindruckendste aber ist das Qualitätsgefühl.
Dieser Chrysler wirkt solide wie ein Mercedes: Da klappert nichts, da rappelt nichts – sogar die Türen müssen wie beim schwäbischen Vorbild mit Schmackes ins Schloss geworfen werden. Das kommt nicht von ungefähr. Schließlich stecken im 300 C wirklich Mercedes-Gene: beispielsweise die Lenksäule der alten E-Klasse, die Fünflenker- Hinterachse, die Fünfgang-Automatik der V8-Version sowie die Elektronik-Architektur. Sichtbar wird die Mercedes- Verwandtschaft am eins zu eins übernommenen Lichtschalter, am Lenkstockhebel und der Tempomat-Betätigung.
Ansonsten aber präsentiert sich der 300 C uramerikanisch: mit schönen, chromumrandeten Rundinstrumenten, täuschend echt auf Aluminium getrimmten Kunststoffblenden und schildpattähnlichen Einlegearbeiten in Lenkrad und Türen. Stilecht amerikanisch auch der V8-Motor – eine Reminiszenz an den legendären Hemi der fünfziger Jahre. Der neue Hemi – für halbkugelförmigen Brennraum – holt aus 5,7 Litern 340 PS und 525 Nm. Er ist als erster US-Großserienmotor mit Zylinderabschaltung ausgerüstet, die man beim Fahren aber überhaupt nicht wahrnimmt. Beim Tritt aufs Gaspedal schießt der 300 C davon wie ein wild gewordener Panzer, begleitet von zornigem Brüllen.
Die Automatik reagiert ebenso spontan, schaltet aber weich und sensibel. Und damit den Chrysler nichts aus der Bahn wirft, hat er serienmäßig ASR, ESP und ABS mit Bremsassistent. Die Federung kommt am besten mit langen Bodenwellen klar, bügelt aber auch kleine Unebenheiten ordentlich aus. Nur wirkt da die Lenkung etwas stößig. Ein feiner US-Cruiser ist da entstanden, dem ab Herbst mit dem Touring noch ein Kombi zur Seite gestellt wird, den es auch mit Allradantrieb gibt. Als Motorisierung stehen zunächst drei Benziner zur Wahl (siehe Tabelle). 2005 soll als Ergänzung der 3,2-Liter-Sechszylinder- CDI von Mercedes folgen. Als Konkurrenz zum 300 C sieht Chrysler stilvolle Außenseiter wie Jaguar S-Type, Lancia Thesis, Renault Vel Satis, Saab 9-5 und Volvo S80. Auf Stückzahlen und exakte Preise will sich der neue Chrysler- Deutschland-Chef Bernd Hullerum noch nicht festlegen. Der Hemi dürfte aber auf etwa 50 000 Euro kommen.