Erste Testfahrt im BMW 5er G30 (2017)
Am 11. Februar steht die siebte Generation des BMW 5ers, intern G30 genannt, bei den Händlern. Wir durften schon damit fahren.
Wenn vom 5er die Rede ist, dann sagen sie ja bei BMW gern, dass die Baureihe ihr wichtigstes Auto sei. Nicht von ungefähr. Seit ihrem Debüt vor fast genau 40 Jahren, im Sommer 1972 zu den Olympischen Spielen in München, ist der 5er das Rückgrat des Modellprogramms, bestimmt das Image der Marke. Und sorgt zudem für ihr Wohlergehen: Rund 7,9 Millionen Exemplare wurden seither gebaut, davon allein 2,2 Millionen der letzten Generation.
Der G30 ist komplett neu konstruiert
Da können die Erwartungen gar nicht hoch genug sein vor der ersten Ausfahrt. Immerhin ist der G30 eine fast komplette Neukonstruktion. Ein neu konstruiertes Fahrwerk haben sie ihm verpasst, mit Doppelquerlenker-Vorderachse und Fünflenker-Hinterachse. Die doppelten Querlenker an der Vorderachse entlasten die Federbeine von Führungsaufgaben, besseres Ansprechen und weniger Störkräfte um die Lenkachse die Folge der aufwendigen Ausführung. Dabei zählte der BMW schon vorher in Sachen Fahrdynamik und Komfort zu den Besten seiner Klasse. Ebenfalls neu: die Option Adaptive Drive, welche die Funktionen der dynamischen Dämpfer und der aktiven Wankstabilisierung Dynamic Drive verbindet. Außerdem: adaptive Geschwindigkeitsregelung bis 250 km/h, die üblichen Spurhilfen, automatischer Spurwechsel oder Querverkehrswarnung.
Erste Fahrt mit 540i und 530d
Das Infotainment wurde zudem aufgefrischt, mit iDrive und Touchscreen ähnlich wie beim Siebener arrangiert, doch dazu später mehr. Eher Bekanntes gibt es dagegen bei den Motoren: Zur ersten Ausfahrt in der Nähe von Lissabon stehen 540i und 530d zur Auswahl. Doch bevor wir losfahren noch ein paar Worte zum Design. Ja, der 5er ist eine elegante, lang gestreckte Limousine, unverkennbar ein BMW. Doch die Nähe zum 3er der Generation F30 ist schon sehr groß. Die anders gestalteten Luftauslässe hinter den vorderen Radausschnitten können als Unterscheidungsmerkmal dienen, ebenso die weit nach vorn gezogenen Rückleuchten. Geschulten Augen fällt zudem die gedrehte Fläche oberhalb der Türgriffe auf, die gibt der Linienführung Dynamik.
Aus der Fahrerperspektive fällt kaum auf, dass der 5er etwas größer wurde. Hans-Dieter Seufert
Zunächst steigen wir in den 540i, trotz des Namens mit Dreiliter-Sechszylinder, Twin-Scroll-Turbo, 340 PS und maximal 540 Nm Drehmoment. Der kommt immer mit Achtstufen-Steptronic, auch in diesem Fall eine gewohnt harmonische Verbindung. Der Turbo hängt fein am Gas, ohne spürbare Laderverzögerung dreht er seidig hoch und klingt bei höheren Drehzahlen und viel Last wie ein Sechszylinder eben klingen muss. Das passt also schon mal, alles andere wäre überraschend. Etwas größer wurde der Fünfer ebenfalls, ein paar Millimeter in alle Raumdimensionen, aus Fahrerperspektive ist kein nennenswerter Unterschied zum 5er der Baureihe F10 feststellbar. Den Unterschied gibt es im Fond, der scheint deutlich luftiger, auch das ist für viele eine gute Nachricht.
Überflüssige Gestensteuerung./strong>
Schnell hat man sich an das neue Bediensystem gewöhnt, auch weil es jenem des aktuellen Siebener nicht unähnlich ist. Zu den möglicherweise entbehrlichen Spielereien zählt nach Ansicht des Verfassers die Gestensteuerung. Sie bietet wenig wirklichen Mehrwert, dafür Fehlbedienungspotenzial. Natürlich eignet sie sich gut, um nichtwissende Mitfahrer zu verblüffen.
Sinnvolle Spracheingabe
Deutlich sinnvoller erscheint da die Doppelbedienung über Touchscreen und iDrive-Controller: Man kann den Bildschirm in die Bedienung einbeziehen, muss es jedoch nicht. Dazu kann der Fahrer sich die angezeigten Bedienflächen aussuchen und sie nach eigenen Vorstellungen anordnen. Auch das scheint eine sinnvolle Ergänzung der BMW.Bedienlogik zu sein. Ebenso der Sprachassistent, der natürlicher Spracheingabe ohne vorformulierte Befehle schon viel näher kommt.
Gute Nachricht: auf der Rückbank bietet der 5er mehr Platz. Hans-Dieter Seufert
Doch nun sind wir schon wieder vom Fahren abgekommen. Wir steigen wir aus dem schon sehr überzeugenden 540i mit M-Paket in den 530d xDrive um – auch er serienmäßig mit Achtgang-Steptronic. Im Gegensatz zum Benziner im 530i ist der Diesel ein Sechszylinder. 265 PS und 620 Nm maximales Drehmoment bietet der Selbstzünder, entsprechend leichtes Spiel hat er mit der Limousine. Die Fahrleistungen reichen nicht nur für die portugiesischen Küstenstraßen der Umgebung, sondern auch für so ziemlich alles andere, was einem Businessliner dieser Klasse unterkommen kann.
Der Sechszylinder ist noch nicht mal das Beste am 530d
Und der mühelos hochdrehende, leise hämmernde Sechszylinder ist noch nicht einmal das Beste am 530d. Das neu entwickelte Fahrwerk ist schlicht ein Hammer. Dass der BMW 5er fahrdynamisch ganz vorn bei der Musik ist, das kennt man ja. Doch den erlesenen Federungskomfort der beiden gefahrenen 5er , den muss die Konkurrenz ebenfalls nicht so ohne Weiteres hin. Die Federelemente sprechen sehr feinfühlig an, ohne dabei knautschig zu wirken. So schwebt der BMW geradezu über Unebenheiten, nur gröbere Verwerfungen bringen ihn etwas aus der Ruhe. Natürlich waren die Testwagen mit dem otpionalen Adaptive Drive samt Dämpferkontrolle und aktiven Stabilisatoren (3550 Euro Aufpreis) ausgerüstet, aber das macht das Fahrerlebnis nicht weniger beeindruckend.
Wenn es schneller durch Kurven geht, ist der Fünfer sowieso in seinem Element, das wurde bereits erwähnt. Mit der sauber ansprechenden Lenkung lässt er sich lässig und neutral durch die Biegungen zirkeln. Untersteuern? Nö!. Überm Atlantik geht inzwischen die Sonne unter, der Fotograf packt Blitzgeräte und Stative zusammen. Zeit für die letzte Runde mit den beiden Fünfern. Einmal die Küstenstraße rauf und runter, beschleunigen, bremsen, einlenken, wieder aufs Gas.
5er-Preise: ab 45.200 Euro für den 520d
Bis es dunkel ist und die LED-Scheinwerfer weiße Lichtklötzchen auf die Straße gleißen. Beim Fünfer ist das LED-Licht Serie, das adaptive Licht gibt es für 1490 Euro zusätzlich. Womit wir zum Schluss beim Geld wären: ab 45.200 Euro kostet der 520d, den 530d gibt es ab 54.300 Euro und der 540i, unser Favorit, steht ab 57.700 Euro ist der Liste – und ab 11. Februar beim BMW.Händler in Ihrer Nähe.
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Jens Dralle über die Fahrdynamik des neuen 5er und die letzten Erprobungsfahrten in Wales mit getarnten Prototypen
Wie ein Schaf auf normale Fahrzeuge reagiert? Keine Ahnung. Die mit der typischen Psycho-Folie beklebten Erprobungsfahrzeuge des BMW 5er glotzen die Viecher ziemlich unverhohlen an – was prinzipiell okay ist, stünden sie dabei nicht gelegentlich mitten auf der Fahrbahn. Das wäre dann auch schon einer der wenigen Nachteile an der Region Wales in Großbritannien, wo die Fahrwerksentwickler von BMW seit einigen Jahren die Stand neuer Modelle überprüfen. Jetzt also steht die Ablösung des 5ers unmittelbar bevor, über zwei Millionen Mal verkauft, der Druck ist also hoch.
Hoher Verkaufsdruck für den neuen BMW 5er G30
Aber wie soll er sich von der Konkurrenz abheben? Assistenzsysteme? Da will schon die Mercedes E-Klasse ganz vorne sein. Infotainment? Für BMW längst fest im Markenimage verankert. Also muss mal wieder die Fahrdynamik ran, die bei den Münchnern beinahe in Vergessenheit zu geraten schien.
Der 530d X-Drive kämpft gerade gegen das Vergessen an, rauscht über Kuppen, geht leicht aus den Federn, setzt sich dann mit einem kurzen Wippen wieder. Seine Konfiguration macht fast schon ein bisschen Angst: Konventionelles Sportfahrwerk mit Tieferlegung, dazu 19-Zoll-Räder mit Mischbereifung und Notlaufeigenschaften. Überraschenderweise bleibt aber noch ein wenig Federungskomfort übrig, er federt straff an, natürlich, poltert und schlägt aber selbst in den teils mies geflickten Ortsdurchfahrten nicht.
Das liegt nicht nur daran, dass die Flanken der Reifen nun weicher ausfallen, dafür die Notlaufeigenschaften bei Druckverlust nur noch bei 80 Kilometern liegt. „Ein 5er muss selbstverständlich bei Langstreckenfahrten einen guten Komfort bieten, selbst mit Sportfahrwerk, dass vor allem bei den Kunden unsere zweitwichtigsten europäischen Marktes, Großbritannien, sehr gefragt ist“, erklärt Manfred Ahrens, Entwickler im Bereich Funktionale Gestaltung Fahrdynamik BMW 5er.
„Ohne Kompromiss geht's nicht!“
Daher bleibe als Kompromiss das zuvor beschriebene, leichte Nachfedern. „Um das zu eliminieren, hätten wir die Druckstufe viel härter ausführen muss. Dann wäre kein Komfort mehr übrig“. Jedenfalls lässt sich die Limousine ziemlich forsch in Kurven werfen, bleibt lange neutral, hält trotz der straffen Abstimmung guten Bodenkontakt, der auf den sehr welligen Pisten gerne mal abhanden kommen könnte.
Einzig das Einlenkverhalten des mit variabler Lenkübersetzung plus Hinterradlenkung ausgerüsteten Fahrzeugs lässt etwas Direktheit vermissen, aus der Mittellage ist ein vergleichsweise hoher Lenkwinkel erforderlich. Der 540i, ebenfalls mit der so genannten Integral-Aktivlenkung ausgestattet, wirkt leichtfüßiger, etwas direkter, speziell im Sport-Modus stimmt auch die Rückmeldung. „Zum einen liegt es daran, dass dieses Fahrzeug keine Mischbereifung hat und so früher Schräglaufwinkel aufbauen kann.
Zum anderen ist es aufgrund des Benziners und des fehlenden Allradantriebs schlicht leichter“, sagt Jos van As, Leiter Integrierte Applikation Fahrdynamik. Eigentlich bedauerlich, denn gerade der mit dem 7er eingeführte Reihensechszylinder-Diesel (265 PS, 620 Nm) fängt den Fahrer sofort mit seiner Wucht aus dem Drehzahlkeller, seinem brummig-zufriedenen, vollen Klang und seiner Drehfreude. Und auch der Allradantrieb schärft den Fünfer an, denn damit verträgt er deutlich früher Gas in Kurven, zieht sich schön auf die Gerade heraus.
Leichtere und steifere Karosserie beim neuen BMW 5er G30
„Ganz gleich, in welcher Konfiguration: Uns war es wichtig, vor allem die Präzision zu schärfen bei im Vergleich zum Vorgänger unverändert hohem Komfort“, erklärt Peter Langen, Leiter Fahrdynamik. „Daher wurde die Karosserie leichter und steifer, was wir durch warmumgeformte und hochfeste Stähle sowie Aluminium im auch im Dachbereich und Heckklappe erzielen konnten“, ergänzt Johan Kistler, Projektleiter Fünfer. Carbon wie beim 7er? Zu teuer. Rund 100 Kilogramm wollen sie aus dem Gesamtfahrzeug herausgeholt haben – mal sehen, was davon auf der Waage tatsächlich übrig bleibt.
Bereits in der Basiskonfiguration, also mit Standard-Fahrwerk und –Lenkung, löst der 5er durchaus das Versprechen der Agilität ein. Jedenfalls lässt sich auch der so konfigurierte 530i zügig und präzise über die Landstraßen scheuchen, ohne Hyperaktivität vorzutäuschen oder unharmonisch zu federn. Einzig die Lenkungskennlinie lässt noch wünsche offen. Zwar lässt die elektromechanische Konstruktion genau jene Fahrbahneinflüsse durch, die als notwendige Informationen empfunden werden, doch das Anlenken und das Halten im Kurvenverlauf erscheint etwas zum Geleé-artig.
Alexander Meske, Leiter Integrierte Applikation Fahrdynamik, sitzt auf dem Beifahrersitz, tippt auf seinem Laptop herum – und schon ist das Gummi-Gefühl weg. „Noch feilen wir an den letzten Details. Die Lenkungsabstimmung ist immer eine Herausforderung, da die Geschmäcker verschieden sind“, plaudert er und auf einmal fühlt sich der BMW 5er ziemlich zäh an, erfordert hohe Handmomente. „Das empfinden beispielsweise einige Kunden als besonders sportlich“, weiß Meske.
In jedem Fall wird eine gewisse Spreizung weiterhin über den Fahrerlebnisschalter möglich sein, allerdings geringer als bislang – die Entwickler wollen, dass ihr Fahrzeug authentischer wirkt, in allen Modi. Bei den adaptiven Dämpfern entfällt übrigens der Modus Comfort +, die Grundeinstellung soll alle Ansprüche an geschmeidiges Federn erfüllen. Tatsächlich spricht sie selbst auf grobe Unebenheiten sensibel an, die Karosseriebewegungen halten sich in akzeptablen Grenzen. Im Sport-Modus wird der neue BMW 5er dann nochmals direkter, härter, der Adaptiv-Modus dagegen nutzt GPS-Daten, um das Fahrwerk auf das Streckenprofil zu konditionieren.
Viel Feinschliff bei Dämpfern und Stabis des neuen BMW 5er G30
„Vor allem die Rollbewegungen konnten wir durch viel Feinschliff an den Dämpfern und den Stabis weitgehend eliminieren,“ sagt Peter Langen. Er verweist zudem auf die neue Hinterachse. „Wir haben Integral-Fünflenkerachse, bei der vier Lenker in einem Alublock zusammengefasst sind plus extra Querlenker in eine Fünflenker-Konstruktion aufgelöst“.
Langen und sein Team haben also trotz hohen Kostendruck viele Register gezogen, um den neuen Fünfer von den Wettbewerbern abzugrenzen. Mit Erfolg? Dem ersten Fahreindruck zufolge durchaus. Den Schafen indes dürfte das alles ziemlich schnuppe sein. Sie glotzen schon wieder auf die Tarnfolie.
Jens Dralle
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