Fahrbericht Audi S4 Avant (2016)
Turbo statt Kompressor, Wandlerautomatik statt Doppelkupplung: Technisch unterscheidet sich der S4 deutlich von seinem Vorgänger, dennoch fühlt er sich mehr als vertraut an.
Stimmt ja eigentlich schon: Sich über den Motorklang zu streiten, ist ungefähr so sinnig, wie Philosophieren übers Design. Schön oder hässlich? Zu laut oder zu leise? Variiert je nach Betrachter.
Neuer Audi S4 Avant mit sonorem V6-Sound
Den Sound des S4 dürfte jedoch jeder mögen. Beim gemütlichen Cruisen im langen Gang hält sich der neuentwickelte V6 noch dezent zurück, bis Tempo 100 ist kaum mehr als das Säuseln des Fahrtwindes zu hören. Gibt der Fahrer Kickdown, öffnen sich jedoch Klappen im Auspuff und der Dreiliter trompetet voluminös los. Dabei bleibt er aber immer sonor und harmonisch - pubertäres Geschrei kommt ihm nie über die vier Endrohre. Anders als bei einigen Diesel-Modellen verzichtet Audi auf Soundtunig mittels Bordlautsprecher, der S4-Klang ist also echt.
T steht jetzt für Turbo
Und noch was ist jetzt echt: Stand das T im Namenszug des 333 PS starken Vorgänger. noch etwas legasthenisch für "Kompressor", wird der aktuelle V6 (354 PS) von einem Twinscroll-Turbolader zwangsbeatmet, der zwischen den beiden Zylinderbänken sitzt und sich dadurch auf kurzen Wegen anströmen lässt. Der Direkteinspritzer holt daher nur einen Wimpernschlag lang Luft, um schon ab 1370/min die vollen 500 Nm aus dem Ärmel zu schütteln und durchzustarten. Grund an den Werksangaben zu zweifeln, besteht keinesfalls: Tempo 100 soll unser Avant in 4,9 Sekunden erreichen, bei der leichteren Limousine sind es nochmals zwei Zehntel weniger.
Wer fürchtet, dass die Wandlerautomatik, die angesichts des hohen Drehmoments den Vorzug über das Doppelkupplungsgetriebe erhielt, Ambitionen hemmt, wird positiv überrascht: Beim Beschleunigen liefert die Achtgang-Box fast ohne Zugkraftunterbrechung Übersetzung um Übersetzung. Und während der Kompressor-Motor des Vorgänger. im obersten Drehzahlbereich noch leicht zugeschnürt wirkte, dreht der Turbo hochmotiviert bis in den Begrenzer.
Neuer Audi S4 mit Saugrohr- und Direkteinspritzung
Wie sein Vierzylinder-Kollege im normalen A4 arbeitet der 3.0 TFSI nach dem Miller-Zyklus: So schließen die Einlassventile schon deutlich vor Erreichen des unteren Totpunktes, wodurch der Mitteldruck sinkt, der Wirkungsgrad des kombinierten Saugrohr- und Direkteinspritzers jedoch steigt. Zudem schluckt der Turbolader weniger Leistung als der mechanisch angetriebene Kompressor im Vorgänger. Der neue S4 soll daher spürbar sparsamer geworden sein, Aussagen über den Verbrauch sind jedoch erst nach einem ausführlichen Test möglich.
Um sich vom S4 begeistern zu lassen, genügt hingegen schon eine kürzere Runde durchs Rheingau, wo Audi den Mittelklasse-Sportler präsentiert. Auf Kommando seiner variabel verzahnten Sportlenkung wirft sich der leer schon 1.675 Kilo schwere Kombi mit Wonne in jede Kurve, die er schnell und spurstabil durcheilt. Das letzte Quäntchen Kopflastigkeit früherer Audis ist mit der aktuellen Baureihe endgültig passé.
Hoher Alltagsnutzen trotz sportlicher Ambitionen
Geblieben ist glücklicherweise die enorme Traktion des hecklastig ausgelegten Allradantriebs (Kraftverteilung 40:60 Prozent) samt optionalem Sportdifferenzial an der Hinterachse. Beim Herausbeschleunigen aus den vielen Kehren des Weinanbaugebietes leitet es einen Großteil des Antriebsmomentes an das kurvenäußere Rad, wodurch ein Eigenlenk-Impuls erzeugt wird und sich der Kombi beeindruckend agil sowie leicht beherrschbar aus der Kurve katapultiert.
Doch der S4 kann auch ganz zahm: Die leichtgängige Lenkung macht ihn beim Rangieren handlich, ohne dass sie sich auf der Autobahn nervös anfühlen würde. Angesichts der 18 Zoll-Räder überrascht auch der Federungskomfort: Auf kurze Querfugen sprechen die Adaptivdämpfer sensibel an, ohne bei tiefen Wellen die Kontrolle zu verlieren. Gerade als Avant beherrscht der S4 das sowohl als auch. So schlägt sich der Hobbysportler bestens als variabler Familientransporter der bis zu 1.510 Liter Gepäck wegsteckt. Am eindrucksvollsten lässt sich die charakterliche Bandbreite an den neuen S-Sportsesseln festmachen, die sich trotz Schalensitz-Optik und Schraubstock-Seitenhalt um eine Massagefunktion ergänzen lassen.
Marktstart des neuen Audi S4 steht noch nicht fest
Den Aufpreis für die Wellness-Sportsitze verrät Audi derzeit aber ebenso wenig wie die Preise sonstiger Extras oder den genauen Händlerstart ("zweite Jahreshälfte"). Fest steht jedoch, dass die Limousine 59.300 Euro kosten wird und es für 61.150 Euro den Avant gibt, der in Deutschland auf rund 80 Prozent Anteil kommen dürfte.
Bei allem Lob für die gebotene Perfektion, größere Überraschungen bietet der S4 nicht. Vom modernen Connectivity-System mit Volldigital-Instrumenten über die perfektionistische Materialqualität bis hin zum lediglich dezent aufgefrischten Design der aktuellen A4-Baureihe wirkt alles gewohnt souverän und gekonnt. Wer den Vorgänger hat, dürfte jedoch keine schlaflosen Nächte bekommen. Mit dieser Strategie fährt Audi jedoch seit Jahren bestens. Sich darüber zu streiten lohnt also ebenfalls nicht.