Ford Focus 1.6 16V im Test
Ford stellt den Focus scharf: günstiger Preis und gute Fahreigenschaften statt effektheischender Gimmicks. Test des 100 PS starken
Klar, konsumtechnische Zurückhaltung ist momentan en vogue, aber muss man ein neues Auto deshalb gleich unter einer Tarnkappe verstecken? Da zündet Ford die zweite Auflage des Quotenbringers Focus, dessen Vorgänger immerhin eines der meistverkauften Autos der Welt war, und keiner schaut hin. Wo die Kompaktklasse-Konkurrenz mit viel Brimborium in den Markt brettert, Städtenamen ändert oder Popstars für sich trällern lässt, pirscht der Focus heimlich, still und leise ins Straßenbild. Sorgte Nummer eins anno 1998 noch mit polarisierend kantigem New-Edge-Design für Aufsehen, gibt sich die zweite Generation des Golf-Klasse-Kombattanten bemüht unauffällig. Genau das Richtige also für Leute, die sich öfter mal ein neues Auto gönnen, aber keine Lust auf Neidattacken der Nachbarschaft haben. Selbst den stechenden Neuwagenduft haben sie ihm ausgetrieben, die im Innenraum verwendeten Materialien sollen durchweg antiallergisch sein. Optisch sind sie es auf jeden Fall, denn die Designer haben das schräge Gezacke gegen gefällige Linien getauscht. Die dunkle genarbte Oberfläche des Armaturenbrettes trägt ebenso zur inneren Ruhe bei wie die vorbildlich gezeichneten Rundinstrumente. Fordtypisch scheinen die Lenkstockhebel etwas grob aus Hartplastik gemeißelt, die Bedienung selbst, etwa von Blinker, Bordcomputer oder Wischintervall, ist jedoch eingängig und praxisgerecht. Gleiches gilt für die Handhabung der bei der getesteten Ausstattungsvariante Trend im Preis von 16 450 Euro inbegriffenen Klima- sowie der optionalen Stereoanlage. Deren dank Soundprozessor räumlicher Klang tröstet über die miserable Ablesbarkeit des Displays bei Sonneneinstrahlung hinweg. Mit den radiergummiartigen Oberflächen der Klimaregler sowie dem hart gepolsterten Lenkrad samt der scharfkantig hervorstehenden Naht müssen Focus-Piloten dagegen leben. Ebenso mit kratzempfindlichem Hartplastik im Bereich der Türverkleidungen und der Mittelkonsole sowie nonchalanten Spaltmaßen etwa beim Aufeinandertreffen verschiedener Teile des Armaturenbrettes in Höhe der A-Säule. Das Signal ist eindeutig: dort sparen, wo es kaum stört, und dort investieren, wo es drauf ankommt. Etwa beim Fahrwerk, das den Vorgänger zum Klassenvorbild machte und VW dazu bewog, sich den damaligen Entwickler Ulrich Eichhorn unter den Nagel zu reißen. Ob es auch ohne ihn klappt? Nun, 25 Millimeter mehr Radstand und eine um 45 Millimeter breitere Spur schaffen beim Neuen die Plattform für ein nahtloses Anknüpfen an die bekannteste Focus-Tugend: das Handling.
Mit seiner leichtgängigen, exakten und homogen ansprechenden Lenkung trifft der Fronttriebler jede gewünschte Linie. Feines Agieren aus der Mittellage heraus nimmt zudem haarscharfen Korrekturen in engen Autobahnbaustellen den Schrecken. Dabei muss der 1,6-Liter-Benziner mit einer konventionellen hydraulischen Servolenkung auskommen, die elektrohydraulisch unterstützte Variante bleibt dem Zweiliter-Benziner sowie den Dieselmodellen vorbehalten. Sei’s drum, der Focus stürzt sich bei Bedarf mit Elan in die Kurve, schnappt sich die Ideallinie und hält sie unbeirrt fest. Erst beim ganz späten Tritt auf die sehr gut dosierbare und standfeste Bremse und gleichzeitigem Einlenken blitzt fronttrieblertypisches Untersteuern auf. Normalerweise bleibt er neutral, wirkt dank seinem bei Lastwechseln leicht eindrehenden Heck sogar ausgesprochen kurvenwillig. Damit lädt der Ford förmlich zum Spielen ein, saugt sich auf Wunsch selbst bei hohem Tempo am inneren Rand durch Kurven. In ungewollten Schrecksituationen zahlt sich das serienmäßige ESP aus. Feiner, fast unmerklicher Eingriff der Elektronik hält den Ford sicher auf Kurs. In freier Wildbahn ebenso wie im auto motor und sport-Fahrdynamik-Parcours, wo er die guten Werte seines Vorgängers toppt. Selbst bei voller Zuladung (475 Kilogramm) flitzt der Focus unbeeindruckt um die Pylonen. Dabei erkaufen die Ingenieure präzises Fahrverhalten und moderate Karosseriebewegung nicht durch plombenschüttelnde Härte. Im Gegenteil, der Focus absorbiert – unterstützt von der komfortorientierten Serienbereifung 195/65 R 15 – pockennarbige Straßenoberflächen genauso beflissen wie lange Wellen. Einzig kurze, harte Hindernisse wie etwa Kanaldeckel oder Querfugen kommen speziell bei langsamer Fahrt unzensiert bei den Passagieren an. Dazu stellt sich ein vernehmliches Poltern ein, was auf nachlässige akustische Entkopplung des Fahrwerks schließen lässt.
Gleiches gilt für die Radhäuser: Auf Rollsplitt prasselt es im Innenraum wie in Markko Märtins Rallye-Focus auf schottrigen Sonderprüfungen. Bei Autobahntempo treten – trotz zweilagiger Dichtungen, die bewusstes Türenschließen erfordern – Windgeräusche aus Richtung B-Säule hinzu. Der 100 PS starke 1,6-Liter-Motor ist dagegen ein angenehm kultivierter Partner, dessen harmonische Leistungsentfaltung und Drehfreude vom exakten, passend gestuften Fünfganggetriebe unterstützt wird. Etwas mehr Unterstützung der Lendenwirbelsäule können allerdings die Vordersitze vertragen, also gleich einstellbare Lordosenstützen plus Höhenverstellung des Beifahrersitzes für 150 Euro mitbestellen. Die Fahrerposition selbst ist dank weitem Einstellbereich vorbildlich, die gegen Aufpreis elektrisch einstellbare Pedalerie dürfte nur für ungewöhnlich Proportionierte notwendig sein. Alle anderen genießen eine aktive Haltung bei luftigem Raumgefühl, an dem sogar die Hinterbänkler teilhaben. Sie entern ihre Plätze wegen der Easy-Entry-Mimik der Vordersitze überdies ohne Schlangenmensch-Einlagen. Noch leichter dürfte dies beim 800 Euro teureren Viertürer fallen, wo die Frontpassagiere zudem auch den Gurt ohne Verrenkungen von der B-Säule fischen können. Immerhin, solange vorn nicht gerade Basketball-Stars residieren, geht es im Fond des coupéförmigen Zweitürers trotz abfallender Dachlinie bequem zu, auch die Beinfreiheit reicht aus. Dennoch wären Ausstellfenster und eine dritte Kopfstütze wünschenswert. Ebenso wie etwas mehr Liebe zum Detail bei der Verarbeitung im Kofferraum: Die nackten Blechrückseiten der serienmäßig asymmetrisch teilbaren Sitzlehnen wirken ebenso billig wie das unverkleidete Metallscharnier und die wabbelig-dünne Laderaumabdeckung. Dafür ist der Kofferraum durch die große Klappe einfach beladbar und mit 385 respektive 1245 Litern bei umgeklappten Sitzflächen und -lehnen ordentlich bemessen. Durchaus konsequent: Wie beim ganzen Auto liegt der Focus auch hier streng auf dem Wesentlichen.