Ford Focus vs. Opel Astra und VW Golf
Der neue Ford Focus, der Opel Astra und der VW Golf stellen sich dem Vergleichstest. Schließlich ist es in der heißumkämpften Kompaktklasse eine Art Sport geworden, den Gipfelstürmer VW Golf zu jagen.
Was haben sie sich nicht alle vorgenommen, die Hoffnungsträger von Opel und Ford. Stets wollten sie den Klassenprimus von VW überflügeln, stets sind sie gescheitert. Nun versucht der Ford Focus in der dritten Generation, den Musterschüler VW Golf bloßzustellen. Und obwohl der Opel Astra als ewiger Zweiter in tiefes Nachdenken versunken ist, rafft er sich auf, dem Herausforderer beizustehen. Mit ihren stärksten Dieseln (Opel: 160 PS, Ford. 163 PS) wollen sie sich mit dem Diesel-Topmodell VW Golf GTD (170 PS) anlegen.
Ford Focus auch in neuer Generation Handling-Meister
Als Handling-Meister hat die erste Generation des Ford Focus Respekt eingefahren und sich als Sportler innerhalb der Kompaktklasse positioniert. Und der neue penetriert seine Ausprägung geradezu: coupéhaft abfallender Dachschwung, zugepfeiltes Heck und eine Front, die ans einstige World Rallye Car erinnert – durchfurcht von riesigen Lufteinlässen. Platz nehmen, erster Eindruck: Da versucht einer zu beeindrucken, kommt dem Fahrer mit allen Bedienelementen entgegen, rückt ihn ins Zentrum des Geschehens und ihm fast schon auf die Pelle mit der Ansage, doch endlich loszulegen.
Auf der Landstraße hält der Ford Focus, was seine Optik verspricht, gehorcht schon auf subtile Lenk-Kommandos, stürzt sich lustvoll in die Ecken, pflügt dank elektronischem Torque Vectoring an der Vorderachse stürmisch wieder heraus. Und bremst sich wohldosiert in den nächsten Scheitelpunkt hinein. Das macht Laune, zumal der Ford Focus trotz 17-Zoll-Reifen beim Federn nicht sportliche Härte, sondern straffe Herzlichkeit beweist. Eine rundum gelungene Abstimmung ohne preispflichtige Adaption oder Verstellmöglichkeiten. Eines für alles – eine Verneigung vor dem wegweisenden Fahrwerk des ersten Ford Focus.
Opel Astra komfortabel aber früh untersteuernd
Verdienste um sein Fahrverhalten hat sich auch der Opel Astra erworben. Obwohl er an der Hinterachse auf Einzelradaufhängung verzichtet und stattdessen die Verbundlenker-Konstruktion mit einem Wattgestänge aufpeppt, kombiniert die Abstimmung gekonnt hohen Komfort mit auffallender Dynamik. Bei diesem Spagat hilft dem Opel allerdings das optionale Flex-Ride-Fahrwerk für 980 Euro Aufpreis, welches nicht nur die Dämpferhärte, sondern auch Gasannahme und Servo-Unterstützung der Lenkung anpasst.
Dies ist Fluch und Segen zugleich, da die angenehmste Abstimmung (Tour) gleichzeitig die Lenkkräfte so weit reduziert, dass ein gewisses Taubheitsgefühl vorherrscht. An der Präzision gibt es dagegen nichts auszusetzen. Wohl aber fällt auf, dass der schwere Opel etwas früher als seine Konkurrenten zum Untersteuern neigt.
Golf mit sehr straffem GTI-Fahrwerk
Davon ist der VW weit entfernt. Klar, er tritt als Dieselversion des GTI an. Mit dessen häufig bejubeltem Fahrwerk gesegnet, pfeffert er neutral ums Eck, von der direkten Lenkung präzise auf Kurs gehalten. Nichts bringt ihn aus der Ruhe, obwohl das ESP sogar leichtes Rutschen zulässt, anschließend aber fein dosiert regelt und Untersteuern mit einem agilitätsfördernden Bremseingriff vorbeugt. Die Fahrdynamikwerte beweisen es: Im freien Feld macht dem GTD so schnell keiner was vor – erst auf der Autobahn. Dort rächt sich die sehr straffe Auslegung der adaptiven Stoßdämpfer (965 Euro), die selbst in Stellung Komfort noch deutlich auf Unebenheiten hinweisen.
Bei der Möglichkeit von drei Setups würde man eine stärkere Spreizung in Richtung Langstrecken-Tauglichkeit erwarten. Maßstab seiner Klasse bleibt der VW Golf dagegen mit seiner überzeugenden Verarbeitungsqualität samt großzügiger Räumlichkeit.
Opel Astra ist wesentlich länger als der VW Golf
Mit 4,42 Metern übertrifft der Opel Astra den VW Golf in der Länge um stolze 21 Zentimeter, doch das schlägt sich nicht in Punktgewinne nieder. Stattdessen enttäuschen Platzangebot und Raumgefühl; auf der Rücksitzbank herrscht keinerlei Gefühl von Weitläufigkeit. Zwar kommen hier noch keine Kleinwagen-Assoziationen wie im Ford Focus auf, doch in Verbindung mit den kleinen Fenstern wirkt der Fond nicht gerade einladend.
Die enorme Grundfläche des Opel Astra steht in keinem Verhältnis zum Platzangebot. Auch der Ford Focus generiert kein Aha-Erlebnis. Im Gegensatz zu seinem überbreiten Vorgänger tritt der neue zwar länger, aber auch schmaler und niedriger auf – mit Folgen für die Fond-Passagiere. Sich vorne perfekt ins Geschehen zu platzieren heißt, den Sitz weit zurückzuschieben, um zumindest etwas Abstand zum Armaturenbrett zu schaffen. Hinten bleibt dann wenig Beinraum. Zusätzlich kann auf der Rücksitzbank der nahekommende Dachhimmel aufs Gemüt drücken.
Durchweg relativ kleine Kofferräume
Das coupéhafte Styling wirkt sich sogar auf die Größe des Kofferraums aus: 363 bis 1.148 Liter Volumen setzen nicht gerade Bestmarken (VW: 350 bis 1.305 Liter, Opel: 370 bis 1.235 Liter), und den Zugang verbaut eine ausgeprägte Ladekante. Die zeigt auch der Opel Astra. hier lässt sie sich aber mit dem zusätzlichen Ladeboden bis zur ebenen Fläche ausgleichen. In Sachen Variabilität bietet der Ford ebenso wie seine Konkurrenten nur die typische Standardkost der Kompaktklasse, nämlich umlegbare Rücksitze. Als Praktiker will er sich wohl nicht gerade etablieren, wuchert eher mit Ausstattungspfunden.
Mit fortschrittlich geschwellter Brust liefert der Ford Focus gegen Aufpreis alle möglichen Assistenzsysteme der Oberklasse, angefangen bei einem Warnton vor Auffahrunfällen in der Stadt, Tote-Winkel-Überwachung bis Spurhalteassistent, Abstandsregel-Tempomat und Verkehrsschilderkennung. Leider arbeiten die Systeme nicht konstant zuverlässig. Die Opel-Preisliste ist zwar so umfangreich, dass sie durchaus als Wochenendlektüre taugt, doch bleibt sie beim Thema aktive Sicherheit weit hinter dem Angebot von Ford zurück, bietet nur Spurhalteassistent samt Verkehrsschild-Erkennung.
VW muss sich bei Elektronik geschlagen geben
VW hat für den Golf nicht einmal das im Programm, sieht erstmals in diesem Test alt aus, macht verlorenen Boden aber zumindest mit der durchdachtesten Bedienung gut. Teilweise winzige Tasten in der Mittelkonsole sorgen hier im Opel für Abzüge. Und im Ford Focus will das Überangebot an Knöpfen mit zusätzlicher Lenkrad-Bedienung erst einmal ausgekundschaftet werden. Beim Thema Fahreigenschaften brilliert das Trio mit vorzüglicher Fahrsicherheit, willigem Einlenkverhalten, solidem Geradeauslauf und guter Traktion.
Golf gewinnt Fahrdynamik-Kapitel
Mit seinem kleinen Wendekreis sichert sich der VW Golf erneut einen minimalen Vorsprung, baut ihn mit den besten Fahrdynamik-Werten weiter aus und beschleunigt aus dem Pylonenwald direkt auf die Siegerstraße. Ihm hierhin zu folgen gelingt weder Ford Focus noch Opel Astra. Letzterer hält mit einem Start-Stopp-System und langer Getriebeübersetzung Drehzahlen sowie Verbrauch niedrig, doch der antrittsschwache Zweiliter-Diesel konterkariert diese Bemühungen – er verlangt ebenso wie der TDCi-Motor des Ford Focus nach Drehzahlen über 2.000/min, um nennenswert nach vorne zu drücken. Will er am GTD einigermaßen dranbleiben, muss der Opel-Fahrer fleißig im hakeligen Getriebe nach dem passenden Gang suchen.
Ford Focus mit knackigem Getriebe
Im Ford Focus macht das Schalten Spaß, und das ist gut so, denn die 163 PS wollen erst mobilisiert werden. Dann reichen sie zwar aus, um dem drei PS schwächeren Opel davonzubeschleunigen und in Sichtweite des 170 PS leistenden VW zu bleiben – nicht aber, ihn ein- oder gar zu überholen. Das ist sinnbildlich für den gesamten Vergleichstest. Die sehr sportliche Karosserieform wird dem Ford Focus zwar neue Fans bringen, aber nicht den Sieg. Zu weit werfen ihn das unterdurchschnittliche Platzangebot im Fond sowie der gegenüber dem wuchtig antretenden VW-TDI zu lethargisch durchziehende Zweiliter-Diesel zurück.
Und für den Opel Astra bleibt diesmal der letzte Platz. Vom ewigen Zweiten hat er sich auf den dritten Platz durchreichen lassen, muss sich in der Eigenschafts- wie auch in der Gesamtwertung dem neueren Ford Focus geschlagen geben. Dennoch bietet der Opel Astra in dieser Gegenüberstellung ein Alleinstellungsmerkmal: ausgezeichneten Federungskomfort dank breit gespreizter (optionaler) Stoßdämpfer-Verstellung. Damit setzen die Opel-Entwickler einen Gegentrend zur grassierenden Versportelung der Alltagsklasse. Zur besseren Platzierung reicht das nicht – ein guter Kaufgrund ist es aber allemal.