Jaguar XE 2.0 Diesel und XE-S 3.0 im Fahrbericht

Im Frühsommer soll der Jaguar XE den Mittelklasse-Premiummarkt aufrollen. Erstmals seit dem etwas unglücklichen X-Type auf Mondeo-Basis wagt sich die britische Nobelmarke erneut an einen Konkurrenten zu A4, 3er und C-Klasse. Wir durften den XE im letzten Prototypenstadium bereits fahren – unterwegs in Portugal mit dem 340 PS starken 3.0 und dem 2.0 Diesel mit 163 PS.
Was heißt hier X-Type? Viel mehr ist der eigentliche Vorgänger des Jaguar XE jener legendäre Mark II der sechziger Jahre, der mit seinen Sechszylindermotoren und sportlichen Fahreigenschaften bereits die Standards für sportliche Limousinen definierte, als man bei Audi noch munter zweitaktete, bei BMW gerade erst die Neue Klasse erfand und bei Mercedes in Heckflossen schwelgte.
Und überhaupt, der X-Type. Der war ja, was gern vergessen wird, ein zahlenmäßiger und geschäftlicher Erfolg für Jaguar, damals noch unter Ford-Herrschaft, er wurde immerhin weit über 300.000 mal gebaut und ist bis heute weit besser als sein Ruf. Um den braucht der Jaguar XE nicht zu fürchten, das war bereits bei den ersten, eher flüchtigen Begegnungen mit dem noch etwas unreifen Prototypen klar. Jetzt dürfen wir also zum ersten Mal hinter dem Lenkrad Platz nehmen und den Startknopf drücken. Zwei Versionen stehen fürs erste Kennenlernen bereit, das Basismodell mit 163-PS-Diesel sowie die Topversion mit dem 340 PS starken Kompressor-V6 aus dem F-Type.
Jaguer XE mit sportlich tiefer Sitzposition
Erster Eindruck im Cockpit des Diesels: Die Sitzposition ist sportlich versammelt, der Fahrer sitzt tief integriert ins Auto, Platzmangel herrscht keiner, doch der Dachhimmel schwebt nur einige Millimeter über den Köpfen der Insassen. Das wirkt sportwagenmäßig intim, beengt fühlt man sich im Jaguar XE dennoch nicht. Bei den Bedienungselementen gibt es auf Anhieb keine Rätsel, sie entsprechen jenen der teureren Jaguar-Modelle. Neu ist dagegen die Menüstruktur des über Touchscreen bedienten Infotainments, der Weg durch die Menüebenen scheint nun etwas strukturierter, weiteres wird ein Test zeigen.
Der Motor startet auf Knopfdruck, die Fahrstufen werden über den markentypischen Drehknauf angewählt, für die Kraftübertragung sorgt die bewährte Achtstufenautomatik ZF 8 HP 45. Lauter alte Bekannte also, nur der Motor nicht. Er ist der erste Vertreter der neu entwickelten Ingenium-Familie, zwei Liter Hubraum, wie erwähnt 163 PS stark und beim Start recht leise und ruhig laufend. Später wird er bei höheren Drehzahlen etwas brummig, scheint aber nicht ruppiger als ein vergleichbarer Zweiliter-Diesel der Konkurrenz. Er hängt gut am Gas, zeigt so gut wie keine Anzeichen von Anfahrtschwächen oder Turbolöchern und verbraucht laut Bordcomputer um die sieben Liter Diesel bei doch etwas flotterer Fahrt über portugiesische Landstraßen und Autobahnen. Es geht jedoch auch mit weniger: Nach NEFZ-Norm sind es 3,8 Liter Diesel oder 99g CO2/km.
Sauber abgestimmtes Fahrwerk
Leichtfüßig turnt der Diesel-Jaguar von der Autobahn auf den nächsten Landstraßenabschnitt. Die Chaussee windet sich zwischen Korkeichen-Plantagen die Hügel hinauf, kein Problem. Das Fahrwerk des Jaguar XE ist fast komplett neu entwickelt, nur die Vorderachse stammt aus dem F-Type. Hinten kommt eine Integralachse zum Einsatz, die Bodengruppe sowie die gesamte Karosserie bestehen aus Aluminium und hochfesten Stählen. Ebenfalls neu ist die in Zusammenarbeit mit ZF entwickelte elektromechanische Lenkung, die auch im neuen Modelljahr des F-Type verwendet wird.
Der Aufwand hat sich offenbar gelohnt, der Jaguar XE liegt leicht und agil in der Hand, die Lenkung ist direkt und erfreut mit lebhafter Rückmeldung und das Fahrwerk ist straff, jedoch nicht überhart abgestimmt. Selbst mit den am Fahrzeug montierten 18-Zöllern (Serie 17 Zoll) werden die übleren Unebenheiten recht wirksam absorbiert. Das macht Spaß, zumal noch nicht mal der Blick auf die Preislisten die Stimmung trüben kann: ab 36.450 Euro ist der XE zu haben, allerdings sind da das Adaptivfahrwerk und das Automatikgetriebe nicht an Bord.
Jaguar XE mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis
Etwas teurer ist das Jaguar XE-Topmodell mit dem V6 und 340 Kompressor-PS. 54.600 Euro stehen dann mindestens auf dem Preisschild, doch angesichts der noblen Ausstattung und der Fahrleistungen erscheint selbst das nicht übertrieben. Nur 5,1 Sekunden vergehen laut Werksangaben während des Spurts von 0 auf 100 km/h, bei 250 km/h bremst die Bordelektronik den Vorwärtsdrang.
Der V6 ist nur mit Automatik zu haben, was hier aber keineswegs ein Nachteil ist. Das Getriebe wechselt die Gänge diskret und zielsicher, ab und zu zieht der Fahrer dennoch aus lauter Übermut an den Wippen. Dabei ist der Motor im Jaguar XE deutlich diskreter als im krawalligeren F-Type, ein Leisetreter ist er dennoch nicht. Überraschung am Rande übrigens: subjektiv schien der schnelle S sogar etwas geschmeidiger zu federn als die Diesel-Version. Wobei beide Fahrzeuge mit dem Adaptive Dynamics genannten Adaptivfahrwerk ausgerüstet waren, beim S ist es serienmäßig, beim Diesel kostet es 1.100 Euro und ist erst ab der Prestige-Ausstattung verfügbar.
Zwischen den beiden Extremen Basis-Diesel und Kompressor-V6 wird es zum Marktstart im Juni zudem drei weitere Vierzylinder-Versionen geben: den Diesel mit 180 PS sowie die Benziner mit 200 und 240 PS, alle Motoren ebenfalls aus der Ingenium-Familie. Und falls Sie nach weiteren Gründen suchen, sich auf den neuen Jaguar zu freuen: Drei Jahre Garantie inklusive Inspektionen wird es serienmäßig für jeden XE geben. Wer wird da noch an den X-Type denken?