So fährt sich der Purismus-Held
Lotus hat sein Leichtbau-Coupé nachgeschärft. Wir sind die Exige Sport 380 schon gefahren. Ein Rennstreckenbesuch mit 380 PS und 1.100 Kilogramm.
Dienstag: Mercedes-AMG E 63 auf der Rennstrecke in Portimao, Mittwoch: Lotus Exige Sport 380 auf der Lotus-Teststrecke in Hethel – bei kaum einer Terminabfolge könnte man besser beurteilen, wie wichtige das Thema Gewicht im Sportwagenbau ist. Nach der Fahrt in der 1,9 Tonnen schweren Power-Limousine geht’s tags darauf sofort in den aktuellsten Leichtbau-Puristen von Lotus.
Umsteigen leicht gemacht
Jetzt ist es nicht so, dass die AMG-Entwickler mit dem E 63 ein träges Schiff hingestellt hätten, aber der zeitnahe Umstieg in die Exige ähnelt ungeachtet dessen dem Besuch auf einem anderen Planeten. Mit einem Leergewicht von 1.100 Kilogramm wiegt die Exige Sport 380 rund 800 Kilo weniger als die Muskel-Limo von AMG.
Messerscharf statt kompromissbehaftet – schon beim ersten Mal einlenken, macht Dir der Lotus sofort wieder klar, was wirklich eine direkte Lenkung ist und was straffe Lenkkräfte bedeuten. Uns bei sport auto gefällt es, dass Lotus den Mut beweist und dem Komfortwahn in der Sportwagenwelt weiter einen unbeirrbaren Gegenpol bietet.
Statt einer elektromechanischen Servolenkung steht weiterhin eine servofreie Lenkung auf dem Menüplan. Die Lotus-Ingenieure vertrauen der knackigen Old-School-Lenkung, welche die aktuelle Exige-Baureihe schon seit der Markteinführung 2012 trägt. Während sich die Exige Sport 380 in den mit prominenten Namen behafteten Kurven („Senna Curves“ oder „Rindt Hairpin“) ihre Michelin-Pilot-Sport-Cup-2-Reifen warmturnt, bleibt kurz Zeit die wichtigsten Änderungen vorzustellen.
Lotus Exige Sport 380 mit Pirelli-Semislicks
Ab sofort trägt die Exige keine Pirelli-Bereifung vom Typ P Zero Corsa oder Trofeo mehr wie bisher, sondern rollt serienmäßig auf Michelin-Cupreifen. Ob das Trockengripniveau mit dem neuen Sportreifen ähnlich hoch ist, wie bisher mit dem radikalen Trofeo-Reifen kann erst ein späterer Test klären. Bei den heutigen Mischbedingungen, mit sowohl trockenen als auch leicht feuchten Streckenabschnitten, funktionierte der Michelin jedoch sehr gut.
Doch der Wechsel des Reifenpartners stand nicht im Fokus der Entwickler. Wie der Name „Sport 380“ schon vermuten lässt, leistet der bekannte 3,5-Liter-V6 jetzt 380 statt bisher 350 PS. Ab 4000 Touren zieht das Kompressor-Triebwerk jetzt spürbar stärker durch. Bei mir im Kopf ist immer noch der Exige-Testwagen des Einzeltests aus sport auto 10/2013 hängengeblieben. Mit 327,4 PS lieferte dieser auf dem Leistungsprüfstand deutlich weniger als die Nennleistung von 350 PS.
Erreicht die Exige diesmal die Nennleistung?
Wohl kein Einzelfall in der Anfangszeit dieser Exige-Baureihe. So motiviert wie der Sport 380 jetzt über die Geraden namens „Fittipaldi Straight“ oder „Mansell Main Straight“ drischt, scheinen die Zeiten der Minderleistung subjektiv der Vergangenheit anzugehören. „Da haben wir nachgebessert, die Autos haben jetzt alle die angegebene Leistung“, verspricht Lotus-Boss Gales.
Dass seit der Modellpflege mit dem Exige Sport 350 eingeführte Sechsgang-Getriebe samt offener Schaltkulisse sieht nicht nur hochwertiger aus, sondern lässt sich auch deutlich präziser schalten, als die Exige-Getriebe zu Beginn der Markteinführung der dritten Exige-Generation.
Das 380er-Modell geht und schaltet sich nicht nur besser, sondern klingt jetzt auch nochmals aggressiver. Ab sofort trägt die Exige serienmäßig die Klappenabgasanlage, die auch in Evora 400 und 410 verbaut wird. Unser heutiger Testwagen ist sogar mit der optionalen Titanabgasanlage ausgestattet, die nicht nur herzergreifend trompetet, sondern auch 9,2 Kilogramm gegenüber der Serienabgasanlage sparen soll.
Lotus Exige Sport 380 jetzt mit größerem Tank
„Gewicht ist der Feind“, sagt Lotus-Chef Jean-Marc Gales später schmunzelnd. Zahlreiche Carbonteile (Frontsplitter, Verkleidung Luftauslass vorne, Heckflügel, Heckdiffusor, Schalensitze, optionales Dachpanel, Heckklappe), eine Polycarbonat-Heckscheibe, leichtere Schmiederäder, eine Lithium-Ionen-Batterie sowie die bereits erwähnte Titanabgasanlage reduzieren das Fahrzeuggewicht um insgesamt 30,2 Kilogramm. Durch einen zusätzlichen Getriebeölkühler, einen größeren Tank (48 Liter statt bisher 40 Liter) und den Zuwachs an Aerodynamikteilen hat die Exige auf der anderen Seite aber auch einen Gewichtszuwachs von rund 15 Kilogramm zu verzeichnen. Die Gewichtseinsparung beläuft sich insgesamt also auf rund 15 Kilo.
Bei den Mischbedingungen und kühlen Außentemperaturen fällt es schwer, eine vernünftige Aussage über das Fahrwerk zu treffen. Klar, die Exige lenkt direkt ein, aber ob und wie viel direkter als das Basismodell lässt sich heute nicht seriös sagen. Erster Eindruck: Während sich die Exige auf der öffentliche Straße mit gutem Geradeauslauf recht alltagstauglich präsentiert, könnten die Sturz- und Spurwerte für den Rennstreckenausflug noch aggressiver ausgelegt werden. Und für alle, denen das genauso geht, hat Lotus jetzt ein optionales Track-Paket mit zweifach verstellbaren Nitron-Dämpfer und einstellbaren Eibach-Stabis im Programm. Für mehr Grip an der Vorderachse wurde außerdem die etwas schmächtige Vorderachsbereifung von 205 auf 215 aufgestockt.
Nordschleifen-Einladung bereits angenommen
Nicht nur Gewichts wurde eingespart und das Fahrwerk verbessert: Während das Faceliftmodell Exige Sport 350 bei Höchstgeschwindigkeit einen Gesamtabtrieb von 88 Kilo haben soll, beziffert Lotus den Gesamtabtrieb der Exige Sport 380 bei Vmax jetzt mit 140 Kilogramm. Höchste Zeit also für den nächsten Nordschleifen-Besuch und einen umfassenden Supertest mit der Exige. Lotus hat die Einladung bereits angenommen.