Nissan Qashqai und Toyota C-HR im Vergleichstest
Toyota bringt mit dem C-HR einen SUV auf den Markt, der überhaupt keine Scheu hat, aufzufallen. Der Vergleichstest mit dem eher pragmatischen Nissan Qashqai zeigt, was er kann.
Nichts ist unmöglich – mit diesem Slogan warb Toyota gemeinsam mit einer bunten Tiertruppe in den 80er-Jahren für seine pragmatischen Typen wie Corolla oder Carina. Der Claim geriet nie wieder in Vergessenheit, aber erst ab dem 21. Januar, dem Marktstart des neuen C-HR, passt er perfekt zum Konzern. Wer hätte gedacht, dass Toyota einen SUV auf den Markt bringen wird, der eher einem coolen „Star Trek“-Blockbuster entsprungen zu sein scheint als dem Werk im türkischen Sakarya.
Wir jedenfalls lange nicht, selbst als der aktuelle Toyota Prius mit seinem zugespitzten Design für einiges Aufsehen sorgte. Interessierte Blicke sind künftigen C-HR-Besitzern in jedem Fall gewiss. Aber der optische Auftritt ist und bleibt stets Geschmackssache. Daher lesen Sie hier keine weiteren Zeilen über schwungvolle Charakterlinien oder fließende Formen des 4,35 Meter langen C-HR (Coupé High Rider).
Design sorgt für Aha-Effekt
Sobald das Design aber auch mal Nachteile mit sich bringt, sind wir wieder zur Stelle. Und hier gibt es etwas zu berichten. Es fängt damit an, dass kleinere Kinder nicht an die in der überbreiten C-Säule versteckten Türgriffe herankommen. Zugleich fällt auch der Zustieg angesichts der coupéhaften Linienführung nicht ganz leicht.
Einmal Platz genommen, versinken die Passagiere schließlich im Fond, sehen eher wenig von der Außenwelt. Unentschuldigt fehlen: Lüftungsdüsen und größere Ablagen. Andererseits bietet der C-HR hinten ordentlich Kopffreiheit und eine gemütlich ausgeformte Sitzbank mit ausreichender Sitztiefe. Das passt!
Da die Heckscheibe aber klein ausfällt, ist es nur logisch, dass auch der Fahrer kaum überblickt, wer oder was gerade hinterm Heck los ist. Wohl dem, der über Rückfahrkamera oder besser Rückfahrassistent (optional) verfügt. Letzterer warnt beim Ausparken vor etwaigem Querverkehr. Unter der flach stehenden Scheibe ist Platz für 377 Liter Gepäck. Wobei die geringe Innenhöhe weiche Taschen empfehlenswert erscheinen lässt. Unterbodenfächer? Keine. Wer größere Kartons oder Ähnliches einpacken will, muss eben die Rücksitzlehnen umklappen, sich um die Fondtüren schlängeln und mit einer kleinen Stufe arrangieren. Dass die noch mögliche Zuladung nur 432 Kilo beträgt, spielt dann vermutlich auch keine Rolle.
Toyota mit feinem Ambiente
Da gibt sich der vergleichsweise nüchtern auftretende Nissan Qashqai (Zuladung 528 Kilo) deutlich geräumiger und praktischer. Nicht mal drei Zentimeter länger als der C-HR, aber kastenförmiger packt er in seinem Laderaum 430 Liter Gepäck ein. Ein zweigeteilter solider Ladeboden, dessen Elemente sich auch senkrecht einstellen lassen, erhöht die Nutzbarkeit zusätzlich.
Klappt man die Lehnen schließlich um, ergibt sich eine ebene Ladefläche. Zudem mangelt es nirgends an großen Ablagen, Kopffreiheit oder großen Fensterflächen. Ganz so, wie es sich für einen alltagskompatiblen SUV eben gehört. Weniger Wert legt Nissan hingegen auf ein feines Ambiente. Das Interieur des Testwagens ist ziemlich schmucklos. Einfache Tasten sowie harte Kunststoffe sind schnell entdeckt, und die Kartendarstellung des Navis fällt altmodisch aus. Zugleich fehlt es an einer vernünftigen Online-Anbindung. Aber: Die Bedienung vollzieht sich dank Drehknöpfen für Lautstärkeregelung und Kartenzoom einfacher.
Genau hier fordert das Touch & Go-System von Toyota etwas Gewöhnung. Der Maßstab der Karte lässt sich nur via Touchscreen mittels Fingertipperei ändern. Da kann sich der Acht-Zoll-Monitor noch so dekorativ aus dem Armaturenbrett recken – ein Drehregler wäre für die meisten vermutlich einfacher. Dafür verwöhnt der C-HR mit einer sehr genauen Karte sowie Verkehrs- und Wetterdaten in Echtzeit. Ebenfalls gelungen: Materialqualität und Verarbeitung. Obwohl der Testwagen lediglich in der kaum aufgepeppten Flow-Version vorgefahren ist, gefällt der Toyota mit einem aufwendigen, harmonisch geformten Cockpit inklusive Sichtnähten, reichlich lackierten Einsätzen sowie einer dezent gummierten, ansehnlichen Mittelkonsole. Da fühlt man sich sofort wohl.
Der C-HR bietet auch Fahrspaß
So, genug der Innenraumbewertung, schauen wir uns stattdessen die motorrelevanten Werte der beiden frontgetriebenen SUV an. Hier erkennt man schnell: Die Unterschiede halten sich in Grenzen. Die beiden 1,2 Liter großen Basisbenziner mit Turbolader leisten rund 115 PS, liefern ein passables Drehmoment von rund 190 Nm ab und verhelfen zu ordentlichen Spurtwerten auf 100 km/h in knapp unter elf Sekunden.
Und im alltäglichen Umgang? Verhalten sich beide Vierzylinder mustergültig. Gleichermaßen leise wie laufruhig, drehfreudig und ausreichend forsch im Antritt aus niedrigen Drehzahlen, passen sie gut zu den kleinen SUV. Sparsamer gibt sich indes der C-HR, je nach Verbrauchsrunde bis zu einem halben Liter. Beachtlich, schließlich wiegt der Toyota 81 Kilo mehr. Dank eines präzise rastenden, ja fast knackigen Schaltgetriebes überzeugt der Antrieb des Toyota damit letztlich mehr.
Überhaupt fährt der mit 18-Zöllern bereifte Coupé High Rider sehr souverän und längst nicht so bissig, wie sein Design suggeriert. Vielmehr ist der C-HR ein ausgewogen unaufgeregter Typ. Lange wie kurze Wellen bringen ihn nicht aus der Ruhe, ebenso sorgen Straßenschäden nicht für unangemessenes Gepolter. Nur harsche Querfugen kann er seinen in seitenhaltstarken Sitzen platzierten Insassen nicht ersparen. Im Zusammenspiel mit seiner hinreichend präzisen, direkten, aber nicht nervösen Lenkung können flotte Kurvenfahrten tatsächlich Spaß machen. Wer es übertreibt, wird schließlich sanft auf Spur gebracht und schnell wieder freigelassen.
Damit kann der Nissan nicht dienen. Reglementiert durch ein früh eingreifendes ESP und eine rückmeldungsarme, indirekte Lenkung geht er schnelle Richtungswechsel unwillig an. Zudem neigt sich seine Karosse stärker, trotz des straffen Fahrwerks. Da Letzteres auch gerne mal unpassend stößig agiert und die Karosse über Land und auf der Autobahn zu störenden Hubbewegungen zwingt, ist der Qashqai weder besonders agil noch wirklich komfortabel.
Genug bekrittelt? Nicht ganz. Die Bremsen des Nissan liefern zwar passable Messwerte ab, doch an die bissigen Stopper des C-HR (aus 100 km/h kalt: 33,6 Meter) können sie nicht heranreichen. Da es dem Qashqai zudem an Sicherheitssystemen wie einem adaptiven Tempomaten fehlt, der beim C-HR immer serienmäßig an Bord ist, verliert der Nissan gewaltig an Punkten.
Um den Verlust wieder aufzuholen, bleibt ihm letztlich nur das Kostenkapitel. Schließlich ist der Qashqai als Acenta mit einem Preis von 23 890 Euro immerhin 500 Euro preiswerter, dank niedriger Versicherungseinstufung (Vollkasko 19 zu 24) im Unterhalt günstiger und traditionell gut ausgestattet. Doch der C-HR hält mit seiner Flow-Ausstattung gut dagegen. Zum einen mit den üblichen Extras wie Klimaautomatik, einem Notbremsassistenten, Verkehrszeichenerkennung, aktivem Spurhalteassistenten und DAB. Zum anderen mit einem Technikpaket für 990 Euro mit Funktionen wie Totwinkelwarner und Rückfahrassistent, die beim Qashqai erst in der teuren Topversion Tekna (ab 28.850 Euro) zu haben sind.