Opel Insignia, Ford Mondeo, Honda Accord, VW Passat

Über schickes Design und attraktive Technik will Opel die
Mittelklasse zurückgewinnen. Kann der Insignia Ford Mondeo, Honda
Accord und VW Passat davonfahren?
Es gibt auch noch gute Nachrichten: Die Kluft zwischen Mittel- und Oberschicht wird wieder enger - zumindest in Sachen Fahrerassistenzsysteme. Was Mittelklasselimousinen inzwischen an optionalen elektronischen Helfern zu bieten haben, war bis vor kurzem noch elitären Luxuszirkeln vorbehalten. So geht der Honda Accord bei drohenden Auffahrunfällen automatisch auf die Bremse, warnt vor Verlassen der Fahrspur und hält wie VW Passat und Ford Mondeo per Radar den Abstand zum Vordermann konstant. Auch die Verkehrszeichen-Erkennung hat sich in die Mittelklasse hinabdemokratisiert: Nach dem BMW 7er späht der neue Opel Insignia ab Frühjahr 2009 permanent nach Tempolimit-Schildern, um sie im Cockpit anzuzeigen. Bereits zum Serienstart variieren seine Bixenon- Lampen die Leuchtweite je nach Verkehrssituation und blenden bei Gegenverkehr selbständig ab.
Für modernste Technik muss es also beileibe keine Luxuslimousine sein. Mit 4,73 (Accord) bis 4,84 Meter Länge (Mondeo) expandiert die Mittelklasse auch äußerlich in Richtung Oberschicht. Da macht der Insignia keine Ausnahme, der seinen Vorgänger Vectra nicht nur um gut 20 Zentimeter Länge, sondern vor allem an optischer Präsenz übertrifft.
Mit seinen kraftvoll gespannten Linien und dem coupéhaften Dach braucht Opel jedenfalls keine schickere CC-Variante wie VW beim Passat, um auch Ästheten zu mobilisieren. Ähnlich einladend und stimmig wirkt der Innenraum. Hohe Fensterkanten sowie geschwungene Linien zwischen Türen und Armaturenbrett vermitteln ebenso Geborgenheit wie das Qualitätsgefühl bis hin zum flauschig ausgekleideten Handschuhfach. In Verbindung mit dem satten Türschließ-Geräusch, den klaren Instrumenten und soliden Materialien spielt der Insignia in seiner Klasse ganz oben mit.
Bei der Bedienung wollten es die Entwickler offensichtlich allen recht machen. So lassen sich Navi & Co. wahlweise per Dreh-Drück-Steller zwischen den Sitzen oder in der Mittelkonsole steuern. Mit insgesamt fünf Drehreglern und mehr als 30 Tasten schossen sie jedoch über das Ziel hinaus. Immerhin verweigerten sie sich der unsinnigen Startknopf-Manie: Der Insignia wird einfach per Zündschlüssel angelassen. Geräumiger Mondeo
Allerdings fordert das niedrige, früh abfallende Dach hinten einen devoten Einstiegs-Diener sowie den Verzicht auf klassenübliche Bein- und Kopffreiheit. Außerdem ist die Zuladung (387 kg) angesichts des stattlichen Kofferraums (500 Liter) viel zu gering. Wie es besser geht, zeigt der nur einen Zentimeter längere Mondeo.
In dessen geräumigem Fond kann man sogar die Beine übereinander schlagen, und auch beim Gepäckraum kann ihm keiner das Wasser reichen. Dank seiner großen Heckklappe mit herausnehmbarer Hutablage lässt sich das Volumen (550 Liter) zudem am variabelsten nutzen. Nur das Qualitätsgefühl passt nicht ganz zur Oberklasse-Anmutung: Weichen Kunststoff-Oberflächen und dem großen Farbdisplay zwischen den Instrumenten stehen billige Details wie wackelige Lautstärke-Drehregler oder Außenspiegel-Verstellung gegenüber.
Das Cockpit im Passat besteht nicht nur den Fingerkuppen-Test, sondern wirkt mit seinen reduzierten, selbsterklärenden Bedienelementen und der luftigen Gestaltung wohltuend übersichtlich und unaufgeregt. Selbst nach knapp vier Jahren Bauzeit gefallen Kleinigkeiten wie die flaschentauglichen Ablagetaschen oder das Schirmfach in der Fahrertür. Mit bequemen Sitzen vorn und hinten, ausreichend Platz für Passagiere und Gepäck sowie der höchsten Zuladung demonstriert die Stufenheck-Version, dass sie zu Unrecht im Schatten des beliebteren Variant steht.
Obwohl nur vier Zentimeter kürzer als der VW, geht es im kantigen Accord deutlich enger zu. Während Fahrer und Beifahrer auf gemütlichen, aber seitenhaltarmen Clubsesseln logieren, finden die Hinterbänkler deutlich weniger Platz vor, und der kleinste Kofferraum in dieser Runde will über eine schmale Luke beladen werden. Zudem wirkt das reizüberflutende Cockpit, als stünden nicht Urlaubs- oder Einkaufsfahrten an, sondern Reisen in fremde Galaxien. Allein die auf zwei Ebenen verteilten Lenkradtasten künden vom Vertrauen der Entwickler in die Feinmotorik ihrer Kunden.
Ein Hauch Rennflair im Honda Das Steuer seiner ursprünglichen Bestimmung gemäß zu benutzen, macht jedoch Spaß. So setzt der Accord Lenkbefehle zackig um und wirkt ansteckend agil, ohne seinen Mitstreitern davonzufahren. Einen Hauch Rennflair verbreitet gar der präzise klickende Mini-Schalthebel mit seinen kurzen Wegen. Auf eine topfebene Rennstrecke scheint auch die Federung abgestimmt zu sein. Bei Fahrten über holprige Kreisstraßen teilt sie kräftig aus, selbst kurze Autobahn-Querfugen sorgen für mächtig Unruhe.
Außerdem hat der einzige Saugmotor in diesem Vergleich gegen die Turbos keine Chance. Trotz nahezu gleicher Leistung fühlt sich der 2,4-Liter zahnlos an, da sein maximales Drehmoment erst bei über 4.000/min anliegt. Um den Konkurrenten folgen zu können, sind daher hohe Drehzahlen nötig, die den Accord nervtötend laut werden lassen. Zu einer Reiselimousine passt diese Leistungscharakteristik jedenfalls nicht wirklich. Deutlich mehr Antriebskomfort bietet der freudvoll gurgelnde 2,5-Liter-Fünfzylinder- Turbo im Mondeo, der bereits knapp über Leerlaufdrehzahl vehement durchzieht. Mit einem Testverbrauch von üppigen 11,4 Litern lässt er sich sein Temperament an der Tankstelle allerdings auch entsprechend honorieren. Zudem beherrscht auch der stattliche Ford den Spagat aus Agilität und Komfort nicht rundum überzeugend: Zwar schwingt er sich mit seiner direkten Lenkung leichtfüßig durch enge Kehren und Slalom-Parcours, aber die um die Mittellage spitze Auslegung erschwert sauberes Geradeausfahren.
Zudem schaukelt sich der schwere Mondeo trotz straffer Abstimmung auf langen Wellen auf. Schon die am Testwagen montierten 19-Zoll-Räder machen auch den Insignia zu einem harten Burschen. Um Ausgleich bemühen sich jedoch seine adaptiven Dämpfer (Serie in Version Sport), die kleinere und größere Unebenheiten recht geschmeidig ausfiltern, ohne die Insassen mit ausgeprägten Wank- oder Vertikalbewegungen zu verschrecken.
Die präzise und leichtgängige Lenkung macht den Opel zudem angenehm handlich, sie könnte aber einen Tick gefühlvoller sein. Beeindruckend hingegen, mit welcher Wucht der nur zwei Liter große Turbo den 1,6-Tonner anschiebt. Mit 7,1 Sekunden beschleunigt der Insignia auf Landstraßentempo wie Sportwagen der siebziger Jahre. Auch mit seinem Durchzugsvermögen strahlt er Oberklasse-Souveränität aus, die nur von der hakeligen Schaltung getrübt wird. Mit seinem Testverbrauch (11,9 Liter/ 100 km) entwickelt allerdings auch er einen zu großen Durst.
Der VW ist der Teuerste im Bund
Verbesserungspotenzial beim VW zu finden, fällt hingegen schwerer. Lenkung, Schalthebel und Pedale flutschen mit einer idealen Mischung aus Leichtgängigkeit und Präzision. Selbst im zügig genommenen Landstraßen-Geschlängel lässt sich der gegenüber Mondeo und Insignia über 160 Kilogramm leichtere Passat mühelos auf Kurs halten. Weil sein ebenfalls zwei Liter großer Turbo nicht so schwer schleppen muss, ist der Passat trotz Drehmomentdefizit genauso temperamentvoll wie der Opel und begnügt sich dabei mit deutlich weniger Kraftstoff (10,3 Liter/100 km).
Dass er auch Autobahn-Querfugen und fiese Frostaufbrüche am lockersten wegsteckt, verdankt er seinen feinfühlig ansprechenden adaptiven Dämpfern (1025 Euro) sowie der schwachbrüstigen, aber komfortsteigernden 16-Zoll-Serienbereifung.
In puncto Ausstattung bietet der Passat kaum mehr als das Nötigste. Auf ein einheitliches Niveau gebracht, kommt er teurer als Mondeo und Insignia. Dass es auch anders geht, zeigt der als Executive serienmäßig mit elektrisch justierbaren Ledersitzen, Soundsystem samt CD-Wechsler und Freisprechanlage sowie Xenon-Lampen ausstaffierte Accord. Allerdings bleibt es der einzige Trumpf des Japaners, denn sonst kann er nirgendwo richtig glänzen.
Trotz unterschiedlicher Qualitäten kann sich der neue Insignia knapp vor dem Mondeo behaupten und feiert einen gelungenen Einstand. Am ausgewogenen Passat kommt jedoch auch er nicht vorbei. Mit seiner Mischung aus Raumangebot, Komfort und kräftigen Motoren zeigt der VW am besten, zu welcher Reife es die Mittelklasse inzwischen gebracht hat.
So findet sich der Haupt-Dreh-Regler gleich doppelt: griffgünstig zwischen den Sitzen und inmitten einer Knöpfchenarmada auf der Mittelkonsole - unnötig. Ansonsten gefällt das System mit einer übersichtlichen Führung, ansprechendem Radioempfang sowie klangstarken Lautsprechern.
Nochmals druckvoller spielt jedoch das bassstarke Premium-Soundsystem im Honda Accord auf, während die Menüstrukturen seiner DVD-Navigation nicht immer durchdacht wirken. Neben dem zu hoch gelegenen Drehregler nervt außerdem der schlechte Radioempfang.
Trotz gleichem Ansatz bei VW und Ford (Touchscreen plus festen Tasten für die Grundfunktionen) fällt der Umgang mit der Passat-Einheit leichter. Sie überzeugt nicht nur durch übersichtliche Menüstrukturen, sondern auch mit ihrem überragenden UKW-Empfang. Dafür klingen die Mondeo-Lautsprecher ausgewogener und nicht so aufdringlich wie die des Passat.