Q7, ML, Cayenne, Touareg, Discovery im Vergleich
Anfangs mussten sich große SUV ständig rechtfertigen: nicht
geländegängig genug, zu durstig, sowieso überflüssig. Mit dem
Erfolg ihrer Kompakt-Brüder sind sie jedoch längst zur akzeptierten
Alternative in der Oberklasse gereift.
Mit solchen Geschichten wurde einst am SUV-Image gekratzt: So soll Mercedes bei der Entwicklung des ersten ML ernsthaft über den Einbau einer Kaffeemaschine nachgedacht haben. Nur die Sorge, was das kochende Wasser bei einem Unfall anrichtet, hielt die Entwickler angeblich ab.
Das Weichei-Geläster ist längst passé, dank tollem Komfort und ihrem besonderen Schwebegefühl haben große SUV viele große Limousinen und Edel-Kombis aus den Garagen verdrängt. Und falls der Nachbar mal fragt: Q7, Discovery, ML, Cayenne und Touareg ziehen 3,5-Tonnen-Anhänger, gehen im Gelände per Luftfederung auf die Zehenspitzen und kommen dank geregeltem Allradantrieb weiter, als es sich die meisten Fahrer vorstellen.
Mercedes ML 350 Bluetec mit robustem Wesen
Mit dem On- und Offroad-Paket (2.261 Euro) samt Unterfahrschutz, Reduktionsgetriebe und Differenzialsperre lässt sich der Mercedes sogar zum Vollblutkletterer aufrüsten. Dank 50 Zentimeter Wattiefe zwingen ihn nicht mal Bäche zum Umdrehen.
Wer auf dem Weg ins Büro trotzdem lieber die Brücke nimmt, freut sich, dass der Benz auch Straße kann: Fuhr der Ur-ML am liebsten geradeaus, hat die dritte Generation die richtige Mischung aus Cruiser-Lässigkeit und Agilität gefunden und absolviert selbst den engen Pylonenparcours beschwingt. Sein Dreiliter-V6 mit 258 PS und 620 Nm läuft zudem einen Tick kultivierter als die Diesel der Konkurrenz und erfüllt dank Harnstoffeinspritzung Euro 6.
Die robuste Art hindert den ML nicht daran, seine Passagiere zu verwöhnen: Auch wenn er keinen Kaffee kocht, hält er ihn in temperierbaren Cupholdern (250 Euro) heiß. Hinzu kommen bequeme und vielfach einstellbare Sitze, eine optionale Airmatic-Luftfederung, die übelste Rüttelpisten entschärft, sowie viele Schutzengel, die per Kamera und Radar nach Gefahren Ausschau halten. Wer seine Mitfahrer so behütet, dem verzeiht man eine Automatik, die selbst im manuellen Modus bevormundet, oder ein nicht mehr ganz zeitgemäßes Infotainment.
Audi Q7 3.0 TDI mit deutlichen Altersspuren
Beim Audi wirkt nicht nur das antiquiert, auch die umständliche Klima-Bedienung entspricht dem Stand des Vorgänger-A6. Denn während die Konzernbrüder Touareg und Cayenne längst in zweiter Auflage gebaut werden, muss der Brummer von Audi in seiner bereits 2006 eingeführten Urversion durchhalten.
Was man auch an anderen Stellen spürt: Obwohl mit 5,09 Metern mit Abstand der Längste, sitzen Fond-Passagiere erstaunlich beengt. Zudem will der Kofferraum durch eine kleine Luke beladen werden. Dafür lässt sich das Mobiliar des optionalen Siebensitzers (720 Euro) flexibel verschieben und wegklappen.
So weit, so gut und bekannt – ebenso wie der Antriebsstrang mit selbstsperrendem Torsen-Differenzial und hecklastig ausgelegter Kraftverteilung. Immerhin wurde die famose Achtgangautomatik nachgerüstet und der Dreiliter-TDI in Leistung, Drehmoment und Emissionen stets aktualisiert. Mit 245 PS wirkt der 2,4-Tonner ausreichend munter und problemlos beherrschbar. Zudem weiß die leichtgängige Lenkung die Pfunde zu kaschieren, könnte um die Mittellage jedoch entschlossener eingreifen.
Porsche Cayenne Diesel gibt den Fahrdynamiker
Der Porsche kaschiert nicht, er scheint seine Extra-Kilo regelrecht über Bord zu werfen – in dieser Runde ist er klar der Zackigste. Mit seiner direkten Lenkung stürzt er sich auf Kehren, um sie mit geringer Seitenneigung und bis in den Grenzbereich neutral zu durchpflügen. Entspanntes Mitschwimmen fällt ihm schwer, der Cayenne lauert auf jede Geste seines Fahrers und hält ihn mit seiner herben Federung wach.
Die für einen SUV ambitionierte Abstimmung muss man mögen, was jedoch viele Käufer tun. Auch wenn die Gusseisernen anfangs noch das Gesicht verzogen, macht der Offroader inzwischen mehr als die Hälfte des Porsche.Absatzes aus. Wer vom Elfer träumt, aber Platz braucht, wird mit ihm glücklich, schon weil sein Cockpit mit Zentral-Drehzahlmesser und Alu-Schaltpaddeln die Sport-Ikone gekonnt imitiert.
Markentypisch auch die griffigen und extrem standfesten Bremsen, die den Cayenne deutlich früher zum Stehen bringen als die Stopper der Konkurrenz. Wie üblich ist das Preisniveau hoch, doch immerhin kommt der Konzern-Diesel im leichteren Cayenne auf den geringsten Verbrauch bei den besten Fahrleistungen.
Land Rover Discovery SDV6 ist stark im Gelände und schwach auf der Bremse
Er soll das Mittelding aus schickem Range Rover und knochigem Defender sein, was dem Discovery hier eine Sonderrolle einbringt. Mit serienmäßiger Untersetzung, Differenzialsperre und Gelände-Fahrprogrammen nimmt er das Thema Offroad so ernst wie kein Zweiter. Zudem lässt er seinen Fahrer für eine bessere Übersicht aufrecht thronen, steckt das meiste sowie schwerste Gepäck weg und bringt Passagiere selbst in Reihe drei (1.570 Euro) noch ganz entspannt unter.
Mit Hektik hat der Landy ohnehin nichts am Hut. Seine Lenkung beantwortet Richtungswünsche mit britischer Zurückhaltung, für schnelle Kurswechsel ist er zudem zu hoch, zu schwer und zu wankig. Sein Fahrer lässt die anderen lieber vorfahren, genießt den wuchtigen V6-Diesel mit 256 PS sowie die weiche Federung und kommt kaum langsamer ans Ziel – vorausgesetzt, er hat es in der wirren Navigation gefunden.
Gravierender sind die schwachen Bremsen, die den Disco aus Tempo 100 fast fünf Meter hinter dem Cayenne zum Stillstand bringen. Weitere Punkte verspielt er mit seinem hohen Verbrauch (12,1 L/100 km) und der mäßigen Qualitätsanmutung.
VW Touareg V6 TDI mit Ausgewogenheit an die Spitze
Wie der Mercedes lässt sich auch der VW nicht zu Extremen hinreißen, macht manches jedoch einen Tick besser. Zum Beispiel federn: Während sich der ML seinen Komfort mit leichtem Wanken erkauft, liegt der Touareg ruhig wie eine Limousine.
Zudem besticht er mit der besten Geräuschdämmung und bleibt im Grenzbereich ebenso mühelos beherrschbar wie der Porsche, ohne dessen Kurven-Ambitionen zu imitieren. Mit dem Touareg ist VW also gelungen, was dem Phaeton verwehrt geblieben ist: in die erste Liga seiner Klasse aufzusteigen.
Obwohl der V6-TDI dem des Cayenne entspricht, genehmigt sich der schwerere VW sowohl auf der Sparrunde als auch im Testmittel 0,7 L/100 km mehr. Im Gegensatz zum sportlichen Bruder gibt es ihn dafür mit Steighilfen wie hinterer Differenzialsperre und Reduktionsgetriebe (Terrain Tech, 2.000 Euro).
Sein Cockpit strahlt zwar wenig Glamour und Raffinesse aus, gefällt aber mit vorbildlich ablesbaren Instrumenten samt riesigem Bordcomputer-Farbdisplay und problemloser Bedienung. Passend dazu legt sich die bequeme, selbst für drei Erwachsene ausreichend breite Rückbank auf Knopfdruck vom Kofferraum aus flach, während das Heck zum leichten Beladen auf Knopfdruck in die Knie geht.
Damit spielt der Touareg nicht nur in der ersten Liga, er holt sich sogar die Schale vor dem ebenfalls ausgewogenen ML und dem drahtigen Porsche. Während sich der Discovery nach passendem Gelände sehnt, freut sich der Q7 auf den Modellwechsel 2014.