Volvo S70 T-5 im Test

Neue Rückleuchten und ein leicht gestreckter Kofferraum sind die auffälligsten kosmetischen Veränderungen am neuen Volvo S70 T5. Die enge Verwandtschaft zum Vorläufer 850 lässt sich nicht leugnen, und auch für Vortrieb im neuen Modell sorgt ein alter Bekannter: der 240 PS starke Motor des Volvo 850 T-5R.
Das Design des neuen S70 orientiert sich am skandinavischen Stil, verkündet Volvo Deutschland. Was immer damit gemeint ist: Es drängen sich unwillkürlich Blockhütten-Bilder vor das innere Auge. Vom Holzhaus-Design früherer Modellreihen entfernte sich Volvo aber bereits 1991 mit dem Erscheinen des 850, ohne jedoch Tugenden aufzugeben, die für den schwedischen Hersteller als typisch gelten: Sicherheit, Solidität und ein unverwechselbares Äußeres. So interessierten sich für den 850 mehr und mehr Leute, die mit der spröden Optik der bis 1991 produzierten Autos der 700- Reihe wenig anfangen konnten. Nach knapp sechs Jahren wurde der 850 eingestellt und die Baureihe 70 als Nachfolger präsentiert. S70 steht jetzt für Saloon und damit für Stufenheck- Limousine. Der Neue entpuppt sich allerdings als ein gelifteter alter Schwede. Auch wenn Volvo knapp 2000 Teile geändert hat, fallen die Unterschiede zwischen 850 und S70 nicht sofort ins Auge. Die Modifikationen an der Front beschränken sich im wesentlichen auf eine neue Kühlermaske und daran angepaßte Scheinwerfer. Außerdem wurden praktische Vorzüge optischer Gefälligkeit geopfert. Wie schon bei anderen Herstellern üblich und dort oft kritisiert, liefert jetzt auch Volvo seine neue Modellreihe mit vollständig lackierten, kratzempfindlichen Stoßfängern aus. Am stärksten modifiziert präsentieren sich die Rücklichter mit einer weniger strengen Form als beim 850. Gegenüber ihrem Vorgänger hat die Limousine fünf Zentimeter Länge zugelegt.
Gewonnen hat dadurch der Kofferraum, und zwar um 25 Liter. Er faßt jetzt bei stehender Sitzbanklehne 470 Liter. Sollten die einmal nicht ausreichen, läßt sich die Sitzbanklehne serienmäßig im Verhältnis 40 zu 60 umlegen. So wächst das Volumen auf knapp 1100 Liter, und wem das immer noch nicht reicht, der kann sogar die Lehne des Beifahrersitzes nach vorn klappen. Aber so variabel der Kofferraum auch ist, der S70 darf nur mit mageren 378 Kilogramm beladen werden. Knapp geht es im Volvo auch auf dem mittleren Platz der Rückbank zu. Kopffreiheit und Sitzflächenbreite reichen allenfalls für Kinder. Links und rechts von diesem leicht erhöhten Notsitz stimmen Kopf- und Beinfreiheit allerdings, und so lassen sich im Fond des S70 zwei groß gewachsene Personen kommod unterbringen.
Bequemer reist es sich aber in der ersten Reihe. Die großzügig in Höhe und Tiefe verschiebbaren Vordersitze (für 2900 Mark Aufpreis elektrisch verstellbar) und das in zwei Ebenen einstellbare Lenkrad (Serie) machen es unterschiedlichen Fahrerstaturen möglich, eine entspannte Position einzunehmen. Zur Entspannung tragen auch die passiven Sicherheitsmerkmale des Volvo bei. Vier Airbags sind ebenso Serie wie der für den S70 nochmals verstärkte Seiten-Aufprallschutz (SIPS). Sehen kann der Volvo-Kunde diese Struktur- Veränderungen freilich nicht. Aber auch für das Auge hat sich im S70 einiges getan. Im Sichtbereich setzt Volvo konsequent hochwertige Materialien ein, die zudem so gut verarbeitet werden, daß sich ein Unterschied zu BMW oder Mercedes kaum noch feststellen läßt.
Dennoch ist das Fahren mit dem S70 T5 keine reine Erholung, weil die Servolenkung ihrer Aufgabe exakt, aber schwergängig nachkommt, darunter leidet die Handlichkeit. Zusätzlich kann das Fahrwerk für Komforteinbußen sorgen, denn für den Volvo mit dem 240 PSBenziner stehen zwei unterschiedliche Abstimmungen zur Verfügung. Dynamik und Sport (770 Mark Aufpreis). Querfugen gibt das Sport- Fahrwerk fast ungefiltert an die Passagiere weiter, die Vorderachse stuckert spürbar. Die bequemen Sitze müssen bei dieser Abstimmung einen Großteil der Arbeit übernehmen, für den eigentlich die Federung zuständig wäre. Immerhin zeigt sich die Karosse von der Härte unbeeindruckt. Quietsch- oder Knarzgeräusche sind auch beim Passieren übler Kopfsteinpflasterstraßen nicht zu hören.
Wer auf die extreme Härte verzichten kann, sollte das Dynamik- Fahrwerk bestellen. Die sportliche Direktheit leidet unter der weicheren Abstimmung kaum, dafür verbessern sich Federungs- und Abrollkomfort erheblich. Schlechte Straßenoberflächen meistert die Dynamik- Version wirbelsäulenfreundlicher, ohne nach langen Wellen zu schaukeln oder durch Karosserieneigung in Kurven negativ aufzufallen. Gleichermaßen gutmütig verhalten sich beide Fahrwerke in schnell gefahrenen Kurven: Wie für einen Fronttriebler üblich drängt der S70 mit dem Bug zum Kurvenaußenrand, bei plötzlichem Gaswegnehmen gibt es aber kaum Lastwechselreaktionen. Und noch etwas haben Sport- und Dynamik-Abstimmung gemeinsam: Volles Beschleunigen in engen Kehren und Anfahren mit viel Gas überfordern die Traktion. Der Volvo scharrt mit den Vorderrädern haltlos auf der Straße. In der Kurve wird er dadurch nur langsamer, ohne an Richtungsstabilität zu verlieren.
Beim Anfahren stört das Traktion.problem schon stärker, denn auch die 650 Mark teure Traktion.kontrolle TRACS hilft hier kaum weiter (siehe Kommentar auf Seite 59). Der Allradantrieb, der das Problem beseitigen könnte, ist nur für den Kombi lieferbar. Überfordert wird die Traktion von dem ungestüm zu Werke gehenden Motor. Der schon aus dem Volvo 850 T-5R bekannte 240 PS-Turbo läuft zwar etwas rauh und ist mit 12,4 Liter auf 100 Kilometer nicht gerade sparsam, gemessen an der Leistung jedoch kein unmäßiger Trinker. Unterhalb von 2000/min wirkt der Fünfzylinder turbotypisch kraftlos, darüber steht aber immense Leistung zur Verfügung.
Der Turbomotor verhilft der Volvo-Karosse zu Fahrleistungen, die manchem Sportwagen zur Ehre gereichen würden. Sieben Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h sind alles andere als träge, und 330 Nm Drehmoment aus nur 2,3 Liter Hubraum egalisieren fast jede Steigung. Voraussichtlich ab Juni wird Volvo dann sogar noch einen draufsetzen und in der RVersion den Über-70 mit deutlich mehr als 250 PS ins Programm nehmen.
Noch mehr als gute Beschleunigung fordert die heutige Verkehrsdichte gute Verzögerungswerte. Hier liegt der Volvo zwar geringfügig hinter dem BMW 528i und dem Opel Omega MV6, aber immer noch auf hohem Niveau. 9,3 m/s2 bei kalter und 8,8 m/s2 mit erhitzter Bremse sprechen für die Standfestigkeit der Anlage. So stellt sich der Volvo S70 T5 tatsächlich typisch skandinavisch dar: in puncto Komfort etwas ungehobelt, aber dank 240 PS-Turbomotor mit viel Holz vor der Hütte.