Wendland-Porsche 911 (997) Carrera S im Test
Wendland Motorentechnik verhilft dem Porsche 911 (997) Carrera S zu neuem Glanz: Dank Motor- und Fahrwerksmodifikationen ist der Oldie von 2006 fahrdynamisch auf 991-Niveau unterwegs.
Jetzt fehlt nur noch, dass über die Stadionlautsprecher des Motodroms der Rockklassiker „Tage wie diese“ der Toten Hosen geschmettert wird: „Ich wart seit Wochen auf diesen Tag und tanz vor Freude über den Asphalt …“ Nein, an diesem Morgen fehlt uns in Hockenheim nichts wirklich – Kaiserwetter, ein verlassener Kleiner Kurs und ein Porsche 911 Carrera S, Baujahr 2006. Doch der Elfer, der da in der tief stehenden Wintersonne sein dezentes Silbergrau funkeln lässt, ist alles andere als ein zurückhaltender Gebrauchtwagen-Zeitgenosse. Wendland Motorentechnik verfeinerte den 997 der ersten Generation jetzt noch mal motor-und fahrwerksseitig auf hohem Niveau.
Porsche 911 (997) zählt nicht zu altem Eisen./strong>
Ein Blick auf die Trackday-Gemeinde macht schnell klar: Auch drei Jahre nach Produktionsanlauf der aktuellen 991-Elfer-Baureihe zählt der 997 bei Rennstreckenfahrern noch längst nicht zum alten Eisen. Auch wenn der aktuelle Elfer in sämtlichen Ausbaustufen zu Bestwerten hetzt, ist der 991 vielen Trackfans zu groß, zu komfortabel und zu kompromissbereit geworden. Von den Anlaufschwierigkeiten des 991-GT3-Motors wollen wir erst gar nicht reden.
Wer außerdem an seinem Fahrzeug noch selbst schrauben und Optimierungen für die Rennstrecke durchführen will, vertraut eher dem abgelösten 911er. „Die ganzen 991-Modelle haben eine so aufwendige Technik und sind mit so viel Elektronik ausgestattet, dass das eine gar nicht mehr ohne das andere funktioniert“, erklärt Geschäftsführer Karl-Heinz Wendland, der gemeinsam mit seinem Bruder Dieter die kleine, aber feine Firma Wendland Motorentechnik leitet.
Die Motorenspezialisten aus dem schwäbischen Rangendingen realisieren neben Auftragsentwicklungen für die Industrie und Motorrevisionen von luftgekühlten Elfer-Triebwerken auch immer wieder faszinierende Umbauten auf dem hauseigenen Motorenprüfstand. Mit den halbherzigen Versuchen manch anderer Tuner hat auch die aktuelle, tief greifende 997-Motoren-OP nichts gemeinsam.
Motoren-OP von 355 auf 420 PS
Neben dem Einsatz von Wendland-Nockenwellen mit speziellem Drehmomentprofil (für längere Öffnungswinkel und größeren Ventilhub) wurden die Zylinderköpfe sorgfältig überarbeitet. Dazu zählen die Optimierung der Brennräume, die Bearbeitung der Ansaug- und Abgaskanäle, welche vergrößert und strömungsgünstiger ausgelegt wurden, sowie die Strömungsoptimierung von Ventilen und der Ventilsitze. Außerdem werden die Ventilfedern vermessen und ausgewogen.
Doch damit nicht genug. Weiter ging es mit Aluminium-Ansaugrohren samt größeren Rohrdurchmessern und der Adaption der 82er-Drosselklappe des 3,8-Liter-997-GT3 anstelle der Carrera-S-Drosselklappe (76 mm Durchmesser). Außerdem modifizierte Wendland die Abgasanlage mit selbstentwickelten Fächerkrümmern und 200-Zeller-Metallkats, die mit den originalen Porsche-Klappenendtöpfen kombiniert wurden.
Wendland-Porsche 997 Carrera S mit 420 PS unterfordert
Schluss mit der Techniktheorie, Auspuff-Taste drücken. Akustisch hat sich jeder Cent des 21.000 Euro teuren Motorenprogramms für den Wendland-Porsche 997 Carrera S Tuner GP Edition gelohnt. Von wegen graue 911-Maus, der Wendland-Carrera sprotzelt, sägt und boxert so motiviert, dass selbst ein aktueller GT3 strammsteht. Mit 420 PS mobilisiert der frisierte 3,8-Liter des Wendland-Porsche 997 Carrera S nicht nur 65 PS mehr als das Basistriebwerk, sondern platziert sich leistungstechnisch auch zwischen 997 GT3 Mk1 (415 PS) und 997 GT3 Mk2 (435 PS).
Die leicht stößige, aber um die Mittellage kernigere Lenkungsrückmeldung als beim 991, die Kompaktheit der Karosserie, das heimelige Interieur – 997-Fahren ist ein bisschen so, wie einen alten Studienkumpel nach einigen Jahren wiederzutreffen. Plötzlich scheint die letzte gemeinsame Studentenparty erst am vorigen Abend gelaufen zu sein.
Fahrwerksseitig verbaut Wendland im Porsche 997 Carrera S ein eigens abgestimmtes Bilstein-PSS9-Gewindefahrwerk und an der Vorderachse die einstellbaren Domlager sowie Querlenker aus dem 997 GT3. Mit 2,5 Grad Negativsturz lenkt der 2006er-Elfer noch präziser ein. Dunlop-Sport-Maxx-Race-Reifen steigern das Gripniveau, während eine Lamellensperre auch unter Last für gute Traktion sorgt. Das neutrale Fahrverhalten im Grenzbereich lässt nur einen Wunsch offen – nach noch mehr Leistung. Mit den 420 PS wirkt das sehr gut ausbalancierte Fahrwerk fast schon unterfordert.
Boxer-Sauger bald Geschichte?
Und weil der Hockenheimring an diesem Morgen fast im Dornröschenschlaf schlummert, ist heute noch nicht nach dem ersten Stint Feierabend. Nach dem ersten Radsatz mit OZ-Ultraleggera-Rädern (8,5/12,0 x 19 Zoll) wechselt der Wendland-911 das Schuhwerk und sattelt auf BBS-Le-Mans-Räder (8,5/11,0 x 19 Zoll) um. Statt der 245er- und 325er-Sohlen geht's jetzt mit schmalerer Bereifung wieder auf die Strecke (235er vorn und 305er hinten).
Während der modifizierte Wendland-Porsche 997 Carrera S mit dem ersten Radsatz fast die Fahrstabilität des aktuellen 991-Modells erreichte, lenkt er nun zwar immer noch sehr präzise ein, tänzelt jetzt aber bei Lastwechseln in engen Ecken mehr um die Hochachse. Auch die Traktion unter Last reduziert sich durch die schmalere Hinterachsbereifung. Den Fahrspaß schmälert die agilere Abstimmung keineswegs, im Gegenteil: Wer das perfektionistische Fahrverhalten der 991-Modelle als etwas langweilig empfindet, wird hier glücklich. Mehrere Runden innerhalb einer Zehntelsekunde zu absolvieren, verlangt nun konzentrierte Lenkradarbeit.
Und was sagt die Stoppuhr? Mit dem ersten Radsatz unterbietet der Wendland-911 in 1.11,9 min die Rundenzeit des 997 Carrera S Mk1 (1.15,6 min mit PASM-Fahrwerk, 1.14,3 min mit Sportfahrwerk) klar. Er bewegt sich auf dem Niveau des 997 GT3 Mk1 (1.11,7 min) und des letzten getesteten 991 Carrera S ( sport auto 11/2014: 1.11,8 min).
Doch eigentlich ist die Rundenzeit angesichts des emotionalen Saugerklangs fast Nebensache. Genießen wir ihn, solange es ihn noch gibt. Während die Carrera- und Carrera-S-Modelle des 991-Facelifts mit Boxer-Sechszylinderturbo kommen sollen, soll der 991-Nachfolger mit Vierzylinder-Boxer starten, der zunächst in der Cayman- und Boxster-Baureihe präsentiert wird. Spätestens jetzt sollte der Tote-Hosen-Hit über die Lautsprecher des Motodroms kommen: „An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit.“