Campingbus mit Heck-Slide-out-Bett

Sir James Cook war ein legendärer Seefahrer und Entdecker. Wenn der nach ihm benannte Campingbus in einer neuen Generation erscheint, darf man gespannt sein. Erkunden wir unbekanntes Terrain.
Vor über 40 Jahren brach der Westfalia James Cook erstmals zu seiner Abenteuerreise auf, allerdings auf dem Land- statt auf dem Seeweg – im Gegensatz zu seinem historischen Vorbild vor rund 250 Jahren. Basis war der Mercedes T1-Transporter, der sich mehr durch Robustheit als durch Komfort und Vorwärtsdrang auszeichnete. Doch man kam damit überall hin und mancher sogar bis ans Ende der Welt.
Für die neueste Generation nahm sich Campingbuserfinder Westfalia zunächst eine schöpferische Pause, um dann 2019 auf dem gerade neu aufgelegten Mercedes Sprinter die spektakuläre vierte James-Cook-Generation zu präsentieren.
Slide-out: Designer am Werk
Und "spektakulär" ist nicht zu hoch gegriffen, denn mit dem Heck-Slide-out gelingt dem neuen Modell fast so etwas wie die Quadratur des Kreises: ein komfortables Doppellängsbett in einem knapp sechs Meter langen Kastenwagen, ohne dass es anderswo zwickt und zwackt. Das funktioniert nur, weil sich die Karosserie auf Knopfdruck mal eben um 84 Zentimeter verlängern lässt. Gleich einer Schublade schiebt sich der GfK-PU-GfK-Kasten aus dem Heck. Noch das Brett mit Matratze vorziehen, das zweite Matratzenstück umlegen, fertig ist ein 2,04 mal 1,40 Meter großes Doppelbett, das bequem via Ausklappstufe geentert wird. Legt man seitlich noch zwei kleine Polster ein, wächst die maximale Breite gar auf 1,79 Meter.
Das Froli-Bettsystem mit 70 Millimeter dicker Matratze auf Tellerfedern bürgt für hohen Schlafkomfort. Zwei Lesespots, zwei Doppel-USB-Buchsen und zwei offene Ablagen für Smartphones neben den Hängeschränken komplettieren die Ausstattung am Kopfende. Das Beste ist aber das öffenbare Fenster, durch das man den neuen Morgen begrüßen kann.
Also, alles perfekt mit dem Slide-out-Bett? Nicht ganz. Zumindest beim getesteten Vorserienwagen kann man rechts und links an der Slide-out-Führung durch kleine Spalten ins Freie schauen. Da schließt das Dichtungssystem noch nicht perfekt ab. Nach dem Einfahren des Erkers bei Regen bildete sich auch eine kleine Pfütze im Heckstauraum darunter.
Drei Dachvarianten verfügbar
Deutlich konventioneller ist das Dachbett ausgeführt – den neuen Westfalia James Cook gibt es übrigens in drei Dachvarianten ( siehe unten). Wie von anderen Ausbauten der Marke bekannt, müssen nur die senkrecht gestellten Bettteile umgelegt werden. Dann entsteht ein über zwei Meter langes und 1,09 bis 1,19 Meter breites Doppelbett.
Praktisch: Am Tag kann das Bettzeug in der Dachspitze bleiben – auch im Slide-out-Bett. Zum Aufstieg noch die zweiteilige Leiter zusammenstecken, einhaken und rauf ins Dachbett. Auch wenn Liegelänge, Kopffreiheit und Ausstattung mit Dachfenster, Ablagen und USB-Buchsen für Erwachsene geeignet scheinen, wird die Mansarde doch eher das Reich des Nachwuchses sein. Denn die Matratze ist dünn (3–4 cm), und die Querstege des Tellerfederrosts drücken unangenehm durch. Eher was für leichtgewichtige Kids.
Zumal Mama und Papa die Sitzgruppe darunter ohne Einschränkungen parallel nutzen können. Die konturierte Bank, die auch mit Isofix-Ösen ausgestattet ist, lässt sich zudem verstellen und die Lehne in bequeme Schräglage bringen. Obwohl der Tisch leicht und filigran erscheint, steht er recht stabil und ist groß genug für die Verköstigung von vier Personen. Weniger durchdacht, weil sehr umständlich, ist seine Aufbewahrung in der Schiebetürverkleidung unterwegs.
Design über Funktionalität
Denn dabei stört der Küchenblock. An ihm wird besonders deutlich, dass hier Designer am Werk waren. Ganz in seidenglänzendem Weiß und Schwarz gehalten, ohne sichtbare Griffe und Schlösser, mit elegant gerundeten Kanten und wellenförmiger Frontpartie macht er echt was her. Doch die Form soll stets die Funktion unterstützen – das gelingt nicht in jedem Punkt. Da die Kocher-Spüle-Kombination fast die ganze Arbeitsplatte einnimmt, bleibt praktisch nur die geteilte Glasabdeckung als Arbeitsfläche, denn eine klappbare Verlängerungsplatte am Einstieg ist offenbar dem Design zum Opfer gefallen. Auch die drei großen Küchenschubladen ernten nicht nur Zustimmung.
Über zwei Knöpfe werden sie elektrisch ver- und entriegelt, und die Schubladen selbst öffnen und schließen per sanftem Druck – beides klappt nicht immer auf Anhieb. Als räumliche Trennung ragt der 90-Liter-Kompressorkühlschrank halbhoch zwischen Küchenzeile und Heckbett empor. Der Deckel dient als praktische Ablage, die von beiden Seiten zugänglich ist. Das gilt auch für den Kühlschrank selbst mit Doppelanschlagstür.
Stauraum für die Küchenutensilien findet sich auch in einem Fach unter dem Kühlschrank und einem Hängeschrank obendrüber. Wem das nicht reicht, der kann zudem den Regalschrank vis-à-vis mit drei Fächern nutzen. Zusammen mit dem Kleiderschrank ist er in die Außenwand des Sanitärraums integriert. Auch seine Tür öffnet per sanftem Druck und damit beim Kochen häufig ungewollt mit dem Po.
Etwas Besonderes hat sich Westfalia für die Badtür ausgedacht: Sie ist nicht nur gebogen, sondern besteht aus einem halbtransparenten Wabenmaterial, das Licht durchscheinen lässt, aber keinen Einblick gewährt. Der Bewegungsraum im Bad ist für Kastenwagenverhältnisse gut. Die Auskleidung besteht aus wasserfesten Materialien, die Ecken sind verfugt, deshalb wird auf eine Duschabtrennung verzichtet. Nach dem Duschen muss darum zumindest der große Spiegel trockengerieben werden. Das Waschbecken ist eher klein. Abstellfläche gibt es keine, dafür drei relativ große Ablagenischen in der Wandverkleidung neben der Toilette. Weiterer Stauraum findet sich in einem Hänge- und einem Unterschrank.
Gleich vier Lampen erhellen das Bad. Drei davon werden über zwei Sensortasten an der Küche geschaltet und sind nicht nur dimmbar, sondern lassen sich auch zwischen warm- und kaltweißem Licht wechseln. Mit der dritten Sensortaste – alle drei gehören zum optionalen Ambientelichtpaket – kann eine LED-Leiste angeknipst werden, die elegant in die Fensterrahmenblende an der Sitzgruppe integriert ist. Insgesamt bleibt es hier aber viel zu dunkel, da es sonst keine Lampen für diesen Bereich gibt.
Komfortable Bedienung der Bordtechnik
Ansonsten zählt die Bordtechnik zu den Pluspunkten des James Cook. So gibt es etwa drei Dreifachsteckdosen mit 12, 230 Volt und Doppel-USB-Buchsen an der Sitzgruppe, an der Küche und in einem kleinen Fach im Schiebetürausschnitt – praktisch, wenn man draußen sitzt. Mit 100 Liter Frisch- und 78 Liter Abwasser können sich auch die Tanks sehen lassen, zumal letzterer mit einem komfortablen elektrischen Ablassventil ausgestattet ist. Frostgeschützt ist er allerdings nur, wenn man das Winterpaket mitbestellt, das sinnvolle Extras zusammenfasst, bis hin zur für Campingbusse nahezu einzigartigen Fußbodenheizung. Dieses Westfalia-exklusive Warmwasser-Heizsystem basiert auf einer unterflur installierten Eberspächer-Dieselheizung mit separatem Boiler und ist ein echtes Schmankerl für Wintercamper.
Geregelt und programmiert wird sie über das moderne Touchscreen-Kontrollbord, das die brandneue Mercedes-MBAC-Technik nutzt und vielfältige Möglichkeiten bietet. Ein echter Fortschritt, auch wenn im Menü noch nicht alles ganz logisch eingerichtet ist.
Einrichten muss man sich auch mit dem Stauraumangebot. Hängeschränke gibt es nur zwei kleine im Heck. Um so wichtiger sind die drei großen Oberschränke im Hochdach, die aber nur per Kletterpartie erreichbar sind. Unter dem Slide-out gibt es noch einen, eher kleinen Heckstauraum. Von außen muss man sich zum Beladen tief bücken. Am besten kauft man die Campingmöbel passend zum Platzangebot.
Für den Fahrradtransport hat Westfalia inzwischen eine Lösung parat. Einen Träger für zwei Bikes, der am Karosserierahmen angeschraubt wird. Er lässt sich zur Seite schwenken, etwa um den Slide-out auszufahren. Haushalten muss man auch mit der Zuladung. Zumindest als Vier-Personen-Mobil ist die 4,1-Tonnen-Auflastung unerlässlich.
Dann muss der Vorwärtsdrang des optionalen 190-PS-Motors aber bei Tempo 100 gebremst werden. Den Fahrkomfort macht der Sechszylinder mit der Siebengang-Automatik perfekt. Zusammen 7.370 Euro und 130 Kilo extra schlagen allerdings heftig ins Kontor. Der neue James Cook ist eben die Luxusyacht der Landstraße.
Modellvarianten: Drei verschiedene Dachformen
Ganz variabel zeigt sich das Westfalia-Topmodell in puncto Dachausführung. Wer stets zu zweit unterwegs ist und nicht mehr als das Slide-out-Bett braucht, wählt den James Cook Classic mit Original-Blechhochdach. So lassen sich ein paar tausend Euro sparen, konkret beginnt die Preisliste hier mit 143-PS-Basismotor bei 74.900 Euro. Für den gelegentlichen Vier-Personen-Einsatz im Sommerhalbjahr steht der James Cook AD – wie Aufstelldach – parat. Das Dachbett misst bei dieser Ausführung (ab 79.900 Euro) 2,10 mal 1,15 Meter. Auf die Dachstauschränke des HD-Modells und das Panorama-Dachfenster muss man beim AD zwar verzichten, dafür bleibt die Gesamthöhe aber auch gut unter drei Meter. Allradantrieb gibt es für alle drei Varianten optional.
Westfalia James Cook HD (2020)
Gurte/Schlafplätze: 4/4 Zul. Gesamtgewicht: 3500 kg Länge/Breite/Höhe: 5,93/2,05/3,38 m Grundpreis: ab 81.900 Euro Testwagenpreis: 108.290 Euro
Das fiel uns auf
(+) Hochwertige Matratzen und Tellerfederrost garantieren den Schlafkomfort im Heck-Slide-out-Bett.(+) Funktionale Sitzbank mit Isofix-Ösen und neigungsverstellbarer Rücklehne – bequem zum Relaxen.(+) Platzsparend neben dem Dieseltank: der Abwassertank mit Elektroablass und die Kraftstoffheizung.(+) (-) Modernes Touchscreen-Kontrollbord mit zahlreichen Funktionen – nicht immer ganz logisches Menü.(-) Den Slide-out abzudichten ist keine triviale Aufgabe, beim Testwagen bleiben offene Spalte.(-) Kein Vergnügen: den Tisch aus der Schiebetürverkleidung zu fummeln. Der Küchenblock stört dabei.