Brauche ich einen 4x4-Camper in Europa?

Allrad liegt im Trend. Aber um was geht es dabei eigentlich in der Regel und wie weit kommt man auch ohne 4 x 4?
Allrad liegt im Trend. Aber um was geht es dabei eigentlich in der Regel und wie weit kommt man auch ohne 4x4-Antrieb?
Allrad-Vans sind in Europa und darüber hinaus für Offroad-Abenteuer unverzichtbar. Sie bieten Sicherheit auf nassen Wiesen, in Kurven und bei Schnee. Bodenfreiheit und passende Bereifung sind entscheidend für die Geländetauglichkeit. Und wer in Sankt Peter-Ording am Strandparkplatz ganz nach vorn fahren will, hat mit dem Allradantrieb die Sicherheit, auch wieder wegzukommen.
Doch ist ein 4x4-Antrieb wirklich unverzichtbar für alle Campingfahrzeuge? Für welche Art von Touren benötigt man Allradantrieb und worauf muss man dabei achten? promobil beantwortet die 12 wichtigsten Fragen rund ums Thema Allrad und Offroad-Camping.
In welchen Regionen braucht man einen Allrad-Van?
Sogar in Europa gibt es noch Refugien, wo man legal abseits asphaltierter Wege unterwegs sein kann. Sei es in den Alpen, Abruzzen, Pyrenäen oder in Albanien. Island ist ein reizvolles Ziel für Allradler, und in Osteuropa hilft Traktion oft weiter. Es kann auch ein Weg zum Strand sein, wie es sie an Mittelmeer-Orten noch gibt, der ohne Allrad heikel ist. Oder Pisten in Marokko und Tunesien, die bei Regen gefährlich werden. Oder man möchte dort in den Sand.
Für die berühmte nasse Wiese, für Wege abseits – und beispielsweise, wer am Strandparkplatz ganz nach vorne fahren will. Zudem ist der Allrad vor allem im Winter ein Sicherheitsfeature.
In welchen Situationen ist ein 4x4-Camper notwendig?
Vor allem in Kurven gleicht der Allrad das sogenannte Giermoment gut aus, wenn das Fahrzeug sonst zu unter- oder übersteuern beginnt. Der Allradantrieb gibt außerdem mehr Sicherheit bei steilen Anstiegen und wenn Schnee und Eisplatten auf der Fahrbahn sind.
Um die Vorteile eines 4x4 richtig nutzen zu können, lohnt sich ein entsprechendes Fahrtraining. Hier lernt man beispielsweise, wie eine Differentialsperre funktioniert oder wie und wann die elektronische Sperre beim Durchdrehen eines Rades greift. Außerdem hilft ein solches Training, Situationen im Gelände besser einzuschätzen und als Fahrer an Sicherheit zu gewinnen. Hier geht es zu den speziellen Offroad-Fahrtrainings für 4x4-Wohnmobile von unserem Partner Tufa.
Wie weit kommt man in Europa mit Zweirad-Antrieb?
Nicht nur versierte Fahrerinnen und Fahrer kommen damit ziemlich weit, auch außerhalb von Europa: Die großen Entdeckerzeiten der 80er Jahre sind weitestgehend vorbei. In Marokko gibt es etwa teils bessere Straßen als in Deutschland.
Grundsätzlich stimmt auch Folgendes: Aber man kommt mit Allrad eben immer ein Stück weiter als ohne – auch, falls Straßen mal schlechter sind als gedacht oder Starkregen die Wege in Matsch verwandelt.
Kann man sich auch mit Allrad "festfahren"?
Das geht manchmal ganz schnell. Es kann die besagte nasse Wiese sein oder Matsch und Sand. Man kann auch in Italien im Sand stecken bleiben – mit Frontantrieb, Automatik und ohne Sandbleche dabeizuhaben. Da muss man nach Brettern suchen und tief buddeln. Und ja – man kann immer stecken bleiben. Auch mit einem 6 x 6. Wenn der Sand zu weich ist, hilft manchmal nur noch Hilfe von außen.
Wenn kein Allrad: Was ist besser fürs Gelände: Front- oder Hecktriebler?
Wichtig ist, auf welcher Achse das Gewicht lastet. Bei Campern ist das größte Gewicht meist hinten, weshalb die verbreiteten Vorderradantriebe auf losem Untergrund schnell durchdrehen. Daher ist ein heckgetriebener Bus besser in losem Terrain.
Heute sind die meisten Transporter, die als Basisfahrzeug für Camper dienen, mit Vorderradantrieb ausgerüstet. Die große Auswahl hat man also oft gar nicht.
Übrigens ergibt es durchaus Sinn, mit einem Fronttriebler eine kurze Steilstrecke mit rutschigem Untergrund rückwärts zu befahren, weil sich am Berg dann das Gewicht mehr auf die angetriebene Achse verlagert.
Wie ist das Fahrverhalten von Allrad-Wohnmobilen auf der Straße?
Sprechen wir von modernen Allrad-Systemen, sind die meist so angelegt, dass sich die zweite Achse nur bei Bedarf zuschaltet. Sprich, da merkt man keine negativen Einflüsse. Die kommen eher von der Art der aufgezogenen Reifen. Die oftmals verwendeten AT-Reifen (All Terrain) bieten im Gelände Vorteile, haben auf der Straße aber Nachteile: Die groben Stollen erzeugen ein deutlich lauteres Abrollgeräusch, und die Belagshaftung, insbesondere auf nassem Asphalt, ist geringer – was sich in Kurven und beim Bremsen negativ bemerkbar macht.
Gibt es Knackpunkte bei Allradmodellen?
Die Bodenfreiheit bestimmt am Ende oft, wie weit man kommt.
Beim gelegentlichen "touristischen Offroadfahren" ist sie daher oft wichtiger als etwa ausgeklügelte Sperrdifferenziale an den Achsen.
Was braucht es neben dem Antrieb noch zu echter Geländetauglichkeit?
Ob mit oder ohne Allrad, größere Räder helfen schon viel: Sie bringen Bodenfreiheit und Fahrkomfort. Moderne AT-Reifen können den Kompromiss zwischen Straße und Gelände viel besser als früher und sind auf losem Untergrund bissiger.
Dann gibt es noch die Option, das Fahrwerk höherzulegen. Das geht über andere Federbeine oder gar Vollluftfedern, die sich hoch- und runterfahren lassen. Oder es werden Distanzblöcke eingesetzt. Gegebenenfalls müssen dann Lenk- und Antriebswellen verlängert werden. Diese Maßnahmen bringen auch ohne Allradantrieb schon einiges.
Wo geht es preislich los? Und wie sieht es bei den Folgekosten aus?
Bei einigen Basisfahrzeugen ist der Allradantrieb schon für wenige tausend Euro Aufpreis zu haben. Wer fürs Gelände gewappnet sein möchte, sollte aber in die passende Bereifung und mehr Bodenfreiheit investieren. Als Hausnummer kann man sagen: Für eine spürbare Verbesserung der Geländegängigkeit sollten mindestens 10.000 Euro extra kalkuliert werden. Was laufende Kosten anbelangt: Die Kfz-Steuer ändert sich nicht oder nur moderat, wenn eine Auflastung nötig wird.
Der Verbrauch wird erfahrungsgemäß um ein bis drei Liter pro 100 Kilometer höher, abhängig von der Art der Offroad-Modifikation. Höhere Folgekosten entstehen vor allem durch die teureren AT-Reifen. Immerhin sind viele dieser Modelle aber für den Winter zugelassen und ersparen so den zweiten Rädersatz.
Fahrradträger, Aufstelldach, Trittstufe … – worauf verzichtet man besser für den Einsatz auf Offroad-Pisten?
Tatsächlich ist die Trittstufe im Gelände manchmal problematisch. Sie ist oft der tiefste Punkt am Fahrzeug und setzt entsprechend früh auf. Die Trittstufe abzuschrauben und eine separate Stufe oder einen kleinen Schemel zu verwenden, kann Schäden vermeiden. Ein weiteres Problem kann ein tiefhängender Abwassertank sein. Den zu versetzen, kann aufwendig sein. Als Lösung könnte etwa ein separater Rolltank fungieren.
Auch alle Dach-Anbauteile sollte man kritisch überdenken: Vor allem tiefhängende Äste, auch überhängende Felsen, können an Markise, Dach-Klimaanlage oder Sat-Schüssel Ärger bereiten. Wer auf diese Extras verzichten kann, tut sich im Gelände leichter.
Auf Rüttelpisten ist mit Standard-Fahrradträgern Vorsicht geboten: Die sind meist nicht für diese Belastung ausgelegt. Wer dagegen mit Aufstelldach ins Gelände fährt, braucht wegen der Karosseriestabilität durch den Ausschnitt keine Bedenken haben – die Rahmenausschnitte werden beim Dacheinbau extra verstärkt. Da kommt ein Hilfsrahmen rein, der sollte die Karosseriesteifigkeit ausreichend garantieren.
Für Allrad-Einsteiger: Was muss man vor dem Kauf wissen und abwägen?
Zuerst mal muss man das eigene Reiseverhalten richtig einschätzen. Ein Auge sollte man auf das Fahrzeug-Gesamtgewicht und die Zuladung haben, und der Geldbeutel spielt natürlich eine Rolle. Man sollte sich aber nicht von schicken Dekoren und Marketing blenden lassen. Eine seriöse Beratung, etwa bei einem Fachhändler, hilft immer weiter.
Welche Basisfahrzeuge sind für Allrad-Camper empfehlenswert?
In der Kompaktklasse ist vor allem der VW Transporter interessant, weil es zum Werksallrad viele Optionen gibt, das Fahrzeug durch Spezialanbieter weiter für den Offroadeinsatz zu optimieren.
Bei größeren Kastenwagen tut sich im preiswerteren Segment vor allem der Ford Transit hervor, dank günstigem Allrad und weiterer Modifikation. Beim VW Crafter liegt das preislich auf höherem Niveau. Ein Sonderfall ist die Allrad-Version des Mercedes Sprinter: Den Transporter gibt es ab Werk optional mit Allrad, dabei ist direkt eine Höherlegung inbegriffen.
Bleiben noch der Fiat Ducato und seine Stellantis-Brüder: Nachteil hier ist, dass es keinen Allradantrieb ab Werk gibt. Da kann man nur auf eine Nachrüstlösung vom französischen Anbieter Dangel setzen.