Von Hamburg über Dänemark nach Schweden
Campen und Kaffee gehören für uns zusammen. Der Kaffeetrend boomt gerade in Skandinavien so richtig. Ein guter Grund, im VW T4 von Hamburg über Dänemark nach Schweden – ins Mutterland der gepflegten Kaffeepause – zu fahren.
Scandinavian Coffee Culture erleben – das ist unser Ziel. Als wir auf der A7 Richtung Norden fahren, ist die Vorfreude auf den lang ersehnten Citytrip riesig. Damit wir es überhaupt bis Schweden schaffen, haben wir uns vor Abfahrt in Hamburg noch mit dem feinsten Stoff Äthiopiens eingedeckt.
Der fruchtige Duft der frisch gemahlenen Bohnen verwandelt unseren VW T4 in ein Wohnzimmer auf Rädern. Unser 2,4 Liter-Camper schnurrt nach 340.000 Kilometern zwar immer noch wie ein Kätzchen, schreibt mit seinen 78 PS aber ein gemütliches Tempo vor. So tuckern wir gemächlich dahin und setzen alles daran, der Versuchung zu widerstehen, einfach die nächste Abfahrt zu nehmen und eine Kaffeepause einzulegen. Wenigstens bis zur dänischen Grenze wollen wir es schaffen.
„Oldschool“ Kaffee brühen
Den ersten Halt machen wir im ehemaligen Wikingerquartier Ribe. Der California-Ausbau, den Westfalia vor über 20 Jahren in unserem Bus installiert hat, funktioniert immer noch tadellos. Nachdem wir die Gasflasche gewechselt haben, dauert es nur wenige Minuten, bis das Wasser für unseren neu erworbenen V60-Filter, einen Aufsatz für Filterkaffee, brodelt. Wirklich kompliziert wird es aber erst jetzt und wir gehen noch einmal die Anweisungen des Baristas durch: Mit kochendem Wasser Papierpartikel aus dem Filter waschen und vorwärmen.
12 Gramm Kaffee abwiegen und gleichmäßig einfüllen. Kaffee mit wenig Wasser angießen und „blühen“ lassen. 30 Sekunden warten. Das restliche Wasser mit kreisförmigen Bewegungen aufgießen. Nur so komme der fruchtige Geschmack zur vollen Entfaltung. Dieses Prozedere, das mich zwangsläufig an den Chemie-Unterricht der neunten Klasse erinnert, führt zwar zu einem leckeren Käffchen, doch die angepriesene Jasmin-Granatapfel-Note können weder Kumpel Felix noch ich beim besten Willen herausschmecken. Vielleicht haben wir doch etwas vergessen? Höchste Zeit, einem Profi auf die Finger zu schauen.
Auf dem Weg nach Stockholm ist Kopenhagen unser erstes Zwischenziel. Auch wenn die dänische Hauptstadt nicht ganz so bekannt für ihre Röstereien ist wie die schwedische Schwester, genießt sie doch einen guten Ruf.
Wir stellen unseren Wegbegleiter im Parkhaus ab und satteln auf Drahtesel um. Unser lokaler Kontaktmann Mikkel nimmt uns mit auf eine Tour durch die Straßen der dänischen Metropole. Neben zahlreichen Wahrzeichen, Brücken und Parks ist ein Highlight der Besuch beim „Coffee Collective“. Im Café der angesagten Kaffeeproduzenten finden wir schnell unser erstes Testobjekt: eine fruchtige Bohne aus Guatemala, zubereitet in der Aeropress – einen Brühzylinder, den man auf den ersten Blick eher mit einem Hubkolbenmotor als mit Kaffee in Verbindung bringt. Nachdem der Barista den Presskolben unter Anstrengung nach unten gedrückt hat, tröpfelt der warme Trunk gleichmäßig in das unterstehende Kännchen. Der fruchtig-klare Geschmack überrascht, es mundet. Nicht schlecht! Aber geht da noch mehr?
Die Schweden mögens fruchtig
In Stockholm! Mit europaweit bekannten Röstereien und der viel zelebrierten Kaffeepause „Fika“ ist die Stadt für Kaffeeliebhaber, was Venedig für Verliebte ist. Also geht es mit der Fähre nach Helsingborg und über den Vätternsee nach Stockholm. Erstes Ziel in der schwedischen Hauptstadt ist das Kaffeehaus der Privatrösterei „Drop Coffee Roasters“ im Szeneviertel Södermalm. Nicht nur der Cappuccino soll hier ausgesprochen fruchtig sein. Auch die abgepackten Bohnen erfreuen sich eines ausgezeichneten Rufs. Sie lassen sich sogar in einigen deutschen Cafés finden. Wir erfahren, dass viele Schweden hellere Röstungen bevorzugen mit weniger Röstaromen und fruchtigerem Geschmack. Trinkt man hier also von Haus aus den besseren Kaffee?
Wir brauchen mehr Referenzwerte und begeben uns auf eine ausgiebige Kaffee-Fahrt durch Stockholm. Unser Bulli zeigt sich unbeeindruckt von dem wirren Netz an Brücken und Stadtautobahnen, das die 14 Inseln verbindet, auf denen die wasserreiche Hauptstadt erbaut ist. Mit stoischer Ruhe bugsiert er uns durch den dichten Verkehr. Vom traditionellen Kaffeehaus, wo man seine Tasse beliebig oft nachfüllen kann, bis zum minimalistisch eingerichteten Hipster-Café, in dem der Schemel härter ist als jede Wahrheit, probieren wir uns quer durch die Hauptstadt.
Dabei bestellen wir klassische Espresso-Spezialitäten und besondere Zubereitungsformen, wie die gläserne Chemex-Filtermaschine, die auch am Set eines Mittelalter-Films zum Einsatz kommen könnte. Auffällig ist, dass die Schweden das Kaffeetrinken zelebrieren. Dafür ist man hier auch bereit, etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Fünf Euro für eine kleine Tasse sind keine Seltenheit. Die Koffein-Überdosis, die mit unserer Tour verbunden ist, geht jedoch nicht spurlos an uns vorbei, und als unsere Hände beginnen zu zittern, erklären wir das Experiment für beendet. Fest steht: Geschmäcker sind verschieden – auch bei Kaffee.
Kaffeepause mit Genuss
Während meine Oma in Wanne-Eickel ihren Filterkaffee so stark trinkt, dass er nur mit viel Milch und Zucker zu genießen ist, erinnert so manch eine Tasse in Stockholm an Früchtetee. Doch das Geheimnis der schwedischen Kaffee-Kultur liegt nicht in milden Geschmäckern oder ausgefallenen Brühmethoden. Der eigentliche Star der Fika heißt: „Bullar“. Erst die kleinen Hefetörtchen mit Zimt und Kardamom runden jede Tasse perfekt ab und machen die traditionelle Kaffeepause so besonders. Über diese bahnbrechende Erkenntnis hätten wir fast unseren Weggefährten vergessen.
Doch der Routinier scheint sich auf dem städtischen Parkstreifen gut eingelebt zu haben. Jedenfalls hält er unter dem rechten Scheibenwischer schon ein lokales Willkommensgeschenk für uns bereit. Statt 10 Metern nur 7,40 Meter Abstand zum nächsten Fußgängerüberweg gehalten, heißt es in der Begründung des Strafzettels. Dafür werden in Stockholm 130 Euro fällig – der Todesstoß für unsere ohnehin schon überstrapazierte Reisekasse. Ab jetzt müssen wir den Kaffee wohl wieder „zu Hause“ trinken. Zum Glück haben wir noch den V60-Handfilter und unsere Notration Bohnen an Bord. In unserem rollenden Wohnzimmer schmeckt es ohnehin am besten.
Kaffee-Tipps – so brüht ihr den Kaffee richtig auf
Tipp 1: Die richtigen BohnenKaffeebohnen gibt es in jedem Supermarkt. Persönlicher und besser bei der Beratung sind lokale Röstereien. Schauen Sie mal vorbei: Hier kann man auch kleinere Mengen Kaffee kaufen. Außerdem haben die Profis dort oft noch ein paar Geheimtipps in petto.
Tipp 2: Der MahlgradEntscheidend ist auch der Mahlgrad. Selbst wenn der Kaffee aus der Herdkanne an Espresso erinnert, dürfen die Bohnen nicht ganz so fein gemahlen sein wie für eine Espressomaschine. Für die French Press braucht man eine noch gröbere Mahlstufe – wir empfehlen hier einen mittleren Mahlgrad.
Tipp 3: Die LagerungSchon gemahlenes Kaffeepulver sollte auch nach dem Anbrechen wieder luftdicht verpackt und im Schatten und nach Möglichkeit unter Raumtemperatur gelagert werden. Besonders gut eignet sich eine Keramikdose mit Gummidichtung.
Tipp 4: Die HandmühleWer Wert auf maximale Frische legt, kann die Bohnen auch unterwegs selbst mahlen – z. B. mit einer Handmühle. Besonders praktisch ist, dass man den Mahlgrad je nach Zubereitungsform anpassen kann.
Café-Tipps für Scandinavian Coffeee Culture
Kopenhagen:
- „The Coffee Collective“ mit insgesamt fünf Standorten in Kopenhagen, www.coffeecollective.dk
Helsingborg:
- „Koppi Coffee and Roastery“, www.koppi.se
Göteborg:
- „Alkemisten“, www.alkemistenkaffebar.se
Stockholm:
- „Drop Coffeehouse“, www.dropcoffee.com
- „Johan & Nyström“ mit insgesamt sechs Standorten in Stockholm, www.johanochnystrom.se
- „Cykelcafé Le Mond“, www.cykelcafe.se
- „Sturekatten“ (traditionelles Café), www.sturekatten.se