Eignet sich der E-Sprinter als E-Reisemobil?

Offene Baumuster und variable Maße – das sind die wichtigsten Voraussetzungen für eine Reisemobil-Basis. Welche davon erfüllt der neue E-Sprinter und: Wie viel Reichweite steckt im neuen Elektrotransporter?
Schon seit 2020 gibt es bei Mercedes einen einfachen Elektro-Sprinter. 2023 erhält er eine grundlegende Erneuerung. promobil checkt, was neu am E-Sprinter ist und ob sich der E-Transporter künftig als Wohnmobil-Basis eignet.
Hinterachs-Antrieb und offener Rahmen
Der erste Mercedes E-Sprinter von 2020, der noch auf eine komplett andere Basis setzte und einen Frontantrieb, ermöglichte nur eingeschränkt den Umbau vom klassischen Transporter auf andere Fahrzeugarten. Die zweite Generation macht das anders. Der neue E-Sprinter hat eine elektrisch angetriebene Hinterachse.
Der PSM (permanenterregter Synchronmotor) der im E-Sprinter verbaut ist, wiegt nur 130 Kilogramm. Er geht mit zwei Leistungsstufen an den Markt: 110 kW und 150 kW Spitzenleistung. Letzterer entspricht etwa 204 PS. Das Drehmoment liegt bei 400 Nm.
Spannend für Wohnmobil-Fans ist eine Neuerung im Vergleich zum Vorgänger-Sprinter: Mit der neuen Generation wird es offene Baumuster geben. So sind neben Pritschen-Fahrzeugen oder Kühlkoffer-Aufbauten voll- und teilintegrierte Wohnmobile auf dem E-Sprinter möglich. Dank des Updates des Elektro-Kastenwagens könnten Wohnmobil-Hersteller ab 2024 Kabinen mit offenen Rahmen geliefert bekommen, um Teilintegrierte aufzubauen.
Sogar für Vollintegrierte besteht eine Chance. Auf Nachfrage widerspricht Mercedes der Möglichkeit nicht, dass auch sogenannte "Rolling Chassis" an die Caravaning-Branche geliefert werden könnte. So könnten integrierte Reisemobile auf E-Sprinter-Basis entstehen.
Reichweite, Batterie und Ladezeiten
Die Reichweite gibt Mercedes laut WLTP-Testverfahren mit 400 Kilometer an. Die Höchstgeschwindigkeit des E-Sprinters liegt dabei bei 90 km/h. Im Stadtverkehr, im sogenannten WLTP-City-Zyklus, sollen sogar Reichweiten bis zu 500 Kilometer drin sein.
Bei einer Testfahrt von Mercedes und TÜV-Süd lag die Reichweite außerorts bereits weit höher als nach dem genormten Testverfahren angegeben – bei 475 Kilometer. promobil berichtete bereits über diese Testfahrt.
Als "Tank" für den rein elektrisch fahrenden Transporter baut Mercedes LFP-Akkus in den Unterboden ein. Die neuen Lithium-Eisenphosphat-Akkus sind zwar schwerer, aber frei von problematischen und knappen Metallen wie Kobalt. Zudem gilt die Technik als brandsicherer und haltbarer als die frühere.
Ein spezielles Thermomanagement hält die Batterie im idealen Arbeitsbereich. So bringt es etwa vor einem angepeilten Ladestopp die Zellen auf optimale Temperatur.
Die Akkus sind verfügbar in drei Varianten:
- Die größte Batterie hat 113 kWh Nettokapazität und wiegt 850 kg
- Die mittlere Batterie hat 81 kWh Nettokapazität und wiegt 620 kg
- Die kleinste Batterie hat 56 kWh Nettokapazität und wiegt 420 kg
Die größte Batterie ist nur für die Fahrzeuglänge A3 und für 4,25-Tonner verfügbar. Die mittlere und kleine Batterie können sowohl im längeren als auch im kürzeren Chassis verbaut werden.
Alle Batterien erhalten ein Batteriezertifikat als Garantie. Sie reicht für 8 Jahre oder 160.000 Kilometer Laufleistung und lässt sich optional auf 300.000 Kilometer Laufleistung erweitern.
Geladen werden die Akkus via AC-Wechselstrom (11 kW) oder DC-Gleichstrom (115 kW, Schnelllader). Der kleine 56 kWh-Akku benötigt in der AC-Ladung bis zu 5,3 Stunden, der mittlere Akku mit 81 kWh weitere 2,5 Stunden von null Prozent auf 100. Bis der große 113-kW-Akku den State of Charge (SoC) voll ist, vergehen rund elf Stunden.
Kommt der E-Sprinter an die DC-Schnellladestation, dauert eine Ladung von 20 auf 80 Prozent SoC bei kleinen Akkus mit 50 kW Ladeleistung etwa 45 Minuten, bei den vollen 115 kW sind es 28 Minuten. Beim mittleren 81-kW-Akku vergehen indes 67 oder 32 Minuten aus der Ladesäule. Beim großen Akku muss man mit 93 Minuten bei 50 kW Ladeleistung rechnen und wenigstens mit 42 Minuten, wenn die volle Ladeleistung zur Verfügung steht, um den Akku von 20 auf 80 Prozent SoC zu laden.
Maße und Gewichte
Den neuen Sprinter gibt es in zwei Längen und zwei Aufbau-Varianten. Zunächst bestellbar ist allerdings nur der lange A3-Kastenwagen mit Hochdach, der 6,97 Meter lang ist über 14 m3 Ladevolumen verfügt. 2024 bestellbar ist die kürzere A2-Variante, die 5,93 Meter lang ist und 11 m3 Ladevolumen hat. Dann werden die offenen Baumuster für beide Versionen verfügbar sein.
Beide Versionen, A2 und A3, sind 2,03 Meter breit. Inklusive Hochdach ist der A3-Sprinter 2,70 Meter hoch. Der A2 mit Hochdach hat eine Außenhöhe von 2,71 Meter. Der Radstand beträgt 4,33 für den A3 bzw. 3,66 Meter für den A2.
Wie viel der E-Sprinter wiegt, hängt vom eingebauten Akku ab. Die Versionen mit den kleinen Akkus können als 3,5-Tonner zugelassen werden, die maximale Gesamtmasse liegt bei 4,25 Tonnen. Zum Leergewicht hat der Hersteller noch keine Angaben gemacht. Wie viel Spiel den Reisemobil-Ausbauern hier bleibt, ist also noch offen.
Der E-Sprinter kommt darüber hinaus erstmals mit Anhängerkupplung. Die Anhängelasten sollen bis zu 2 Tonnen hoch sein. Damit kommt der Sprinter als Zugwagen für Caravans infrage.
Cockpit, Connectivity, Preis
Das Fahrerhaus im E-Sprinter kann mit zwei oder drei Sitzen bestellt werden. Das Cockpit ist in gewohnter Mercedes-Manier gehalten – wer von den aktuellen Sprintern umsteigt, wird sich nicht großartig umgewöhnen müssen. Neu ist nur das Lenkrad, das den jüngsten Pkw-Varianten aus dem Hause Mercedes entlehnt ist. Das Design setzt auf jede Menge Touchflächen.
Ein 10,25-Zoll-Display mit MBUX-System ist an Bord, genauso wie alle bekannten Mercedes EQ- und Connectivity-Funktionen. Das Infotainment-System ist voll auf den E-Antrieb abgestimmt.
So ermittelt das Navi die aktuelle Reichweite abhängig von der Topografie der Strecke und dem aktuellen Verkehrsfluss, findet Ladesäulen und berechnet sogar die richtige Ladestrategie für die jeweilige Route. Auch das Bezahlen kann der Sprinter über "Mercedes me" selbst übernehmen.
Ende 2023 kommt der Neue mit ausgefeilterer Technik, größerer Flexibilität, mehr Auswahl und vor allem mehr Reichweite – ein wichtiges Versprechen, um Dieselfahrern eine Brücke zu bauen; also auch Reisemobil-FahrerInnen, die noch fossil unterwegs sind. Mercedes gibt sich viel Mühe mit dem Brücken-Bauen. Dazu passt, dass der Konzern sich künftig auch beim Ausbau der Ladeinfrastruktur engagieren will.
Über den Preis des E-Sprinters hat Mercedes bislang keine Angaben gemacht.
Infos und Daten: Mercedes E-Sprinter 2023
- Antrieb: elektrischer Permanentmagnet-Synchronmotor an der Hinterachse
- Leistung/Drehmoment: 100 bzw. 150 kW (136 bzw. 204 PS)/400 Nm
- Batterien: LiFePO4, 56/81/113 kWh
- Lademöglichkeiten: AC (Wechselstrom) mit 11 kW: Ladedauer (0–100 %) bei 56/81/113 kWh: 5,5/8/11 h; DC (Gleichstrom) mit serienmäßigen 50 kW (10–80 %) bei 56/81/113 kWh: 45/67/93 min; mit optionalen 115 kW (10–80 %) bei 56/81/113 kWh: 28/32/42 min
- Gewichte: 3,5–4,25 t Gesamtmasse
- Preis: steht noch nicht fest
Ab wann ist der E-Sprinter lieferbar?
Der neue Mercedes E-Sprinter soll Mitte 2023 in den USA und Kanada ausgeliefert werden. Deutsche E-Transporter-Fans müssen sich noch etwas gedulden. In Deutschland soll der E-Sprinter erst Ende 2023 lieferbar sein. Gebaut wird der elektrische Transporter zusammen mit dem Verbrenner-Sprinter in den Mercedes-Werken in Düsseldorf und Ludwigsfelde und in den USA in Charleston, South Carolina.