Der Vanlife-Pionier der 70er-Jahre

Roadtrips im Bulli sind der Trend der 2020er, neu ist das aber nicht. Jürgen Schultz war schon in den 1970igern im Bulli unterwegs und ist bis heute Hippie geblieben.
"Ich bin zufrieden", meint Jürgen schlicht – und streckt die nackten Füße aus. Die Zehen bohren sich nicht mehr in den Sand am Strand von Goa, sondern in den fluffigen Teppich seines Wohnzimmers, doch der Schalk lauert noch immer hinterm Bart des Ober-Hippies. Auch nach 80 Jahren.
Er hat in Paris gelebt, in Berlin und in Johannesburg. Er hat die USA erkundet und war in China, auf Bali und in Australien, "und doch war Indien eines der interessantesten Länder überhaupt", versichert der Weltenbummler. Um dann ein fröhliches "Däss kannsch als Europäer gar ned erfasse" hinterherzuschieben.
Unterwegs auf dem Hippie-Trail
Unter dem Namen Hippie-Trail sind die Reiserouten der ersten Vanlife-Pioniere aus den 1960er und 1970er Jahre bekannt. So sah der Weg Richtung Indien in etwa aus:
Auch Jürgen war auf dieser Strecke unterwegs. Selbstverständlich im Bulli, der wie der Hippie-Trail eine ganze Generation prägte und bis heute unser Bild dieser Zeit bestimmt.
Bunt bemalt, mit Stickern und Blumen beklebt waren die VW-Busse bereit für die lange Reise. Der Bulli von Jürgen hat es sogar ins Museum geschafft, mitsamt der originalen Ausstattung. Die Abenteuerlust kannte keine Grenzen: Im mürben Käfer nach Indien? Das ergab sich! "Einfach so, ohne große Vorbereitung. Wir wollten schauen, wie weit wir kommen." Umgekehrt wurde erst in Varanasi in Nordindien.
Monatelang waren die Hippies für die Überlandfahrt unterwegs, Wagenburgen und Begegnung mit Einheimischen sorgten für Unterhaltung, Geschichten gibt es viele zu erzählen. Die ganz persönliche von Jürgen gibt es jetzt abgedruckt: Das Buch heißt "Im Bulli auf dem Hippie-Trail".
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Erinnerung an viele Reise-Abenteuer
Gerne blättert Jürgen in den Bilderalben oder seinen Zettelwirtschaften durch die Erlebnisse, die alles waren – nur nicht langweilig. Auch wenn er seine Reisen nie als ein spektakuläres Abenteuer ansah, nie viel Aufhebens darum gemacht hat. Allerdings wurde ihm in den letzten Jahren denn doch allmählich klar, wie außergewöhnlich sein Leben war.
"Und was für ein Glück ich hatte", betont er immer wieder. Denn nicht nur hat er all die Reisen durch die Welt ohne schlimmere Blessuren überstanden – er kann dieses Geschenk auch richtig einordnen, wie auch die Chancen des ererbten Häuschens, das Sicherheit wie Heimat bot.
Melbourne ohne Bulli
Jürgen schreibt und bekommt Briefe – keine Mails, keine Sprachnachrichten. Just hat er ein dick mit exotischen Marken beklebtes Kuvert aus Australien in der Hand, sein Kumpel Rolf sendet Glückwünsche zum Achtzigsten. "Der wohnt noch immer bei Melbourne, aber die Brände neulich kamen bis auf 20 Kilometer an sein Haus ran", berichtet Jürgen. "Ich hab den ja auch eine Weile besucht, gepennt hab ich dann in seinem Wohnwagen. Dass wir aber immer nach Schlangen Ausschau halten mussten, das war nicht so meins. Da ist es in Memmingen gemütlicher", freut er sich.
Um dann direkt zurückzublicken in seine Zeit in Südafrika. Eine Weile arbeitete Jürgen als Vorarbeiter im Stahlwerk, danach als Teileverkäufer bei einem VW-Händler, bis der Rückweg via Schiff durch eiserne Sparsamkeit finanziert war. Noch heute hat er so manche Teilenummer von Käfer oder Bulli parat. "Das System ist einfach", versichert er und beginnt spontan, einige Beispiele zu Modell, Motor oder Elektrik runterzurattern.
Beim VW-Händler in Paris
"Das hat mir auch in Paris geholfen." Auch dort war Jürgen eine Weile bei einem VW-Händler tätig – um nebenbei Französisch zu lernen, gewohnt hat er in der Dachkammer eines noblen Hauses in Saint-Germain-des-Prés in der Rue de Sèvres, Ecke Rue des Saint-Pères.
Sein VW-Käfer wohnte derweil am Trottoir: "Dass man die Handbremse nicht anziehen darf, damit die anderen durch Vor- und Zurückdrücken der anderen Autos Platz schaffen können, das lernt man schon am ersten Tag. Das war alles sehr locker und entspannt in Paris, und in Saint-Germain-des-Prés ganz besonders. Es waren halt noch andere Zeiten", blickt Jürgen zurück.
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