Stärken und Schwächen des Mittelklasse-Mercedes
Der Mercedes Strich-Acht verdient eine genaue Betrachtung. Denn robuster Technik steht eine gewisse Rostanfälligkeit gegenüber. Gemein: Die Karosserie rostet vor allem im Verborgenen, nur Kenner enttarnen Blender. Wir helfen Ihnen dabei.
Der /8 („Stricht-Acht“) ist die erste Baureihe, von der Mercedes mehr als eine Million Exemplare verkauft hat. Die am 9. und 10. Januar 1968 vorgestellte Mittelklasse-Baureihe beerbte die Heckflosse (W110) und machte Schluss mit der Einheitskarosserie die für kleine und große Baureihe der Heckflosse. Dabei sollten zumindest Vier- und Sechszylinder stärker unterschieden werden: Das geschah nicht, was blieb sind die unterschiedlichen Baureihenkürzel: W114 heißen die Sechszylinder und damit auch alle Coupé, die zeitlebens schlichter ausgestatteten Vierzylinder und der Fünfzylinder Diesel (240D 3.0) heißen W 115.
Strich-Acht mit neuer Diagonal-Pendelachse
Bekannt ist die 1968 eingeführte Baureihe unter ihrem Spitznamen, der sich aus dem Erscheinungsjahr ableitet: Strich-Acht. In manchen Punkten ist der modern konstruierte Wagen sogar der teureren S-Klasse (W108) überlegen: Während die teuren Modelle mit dem „S“ am Heck die Hinterräder noch an einer Pendelachse führen, hat Mercedes für den Strich-Acht eine Schräglenker-Hinterachse konstruiert. Die nennt man dann ganz diplomatisch „Diagonal-Pendelachse“, um die größere Baureihe nicht ins technische Abseits zu stellen.
Markenkern: sicher und komfortabel
In auto motor und sport 4/1968 steht über die Typen 200 und 250: „Der nasse und vereiste Hockenheimring bestätigte die auf der Targa-Florio-Strecke gemachten Erfahrungen: Die Fahrstabilität ist mit der neuen Achse wesentlich verbessert worden“. Die Vorderräder führen doppelte Querlenker. Beide Achsen sind über Fahrschemel mit weichen Gummilagern an die Karosserie angebunden, das sorgt für ein leises und komfortables Fahren. Sicher ist der Strich-8, weil er an allen vier Rädern Scheibenbremsen hat und bei 26 Unfallversuchen beweisen muss, dass er seine Insassen schützen kann. Die Anforderungen der US-Norm – mit 30 Meilen pro Stunde und 100 Prozent Überdeckung gegen die Wand – übertrifft er laut Mercedes.
Motoren von 55 bis 185 PS
Ein Grund für den Erfolg des Strich-Acht ist seine Vielfalt: Die mag heute bescheiden anmuten, doch Limousine, Coupé und Versionen mit verlängertem Radstand ergeben schon drei Karosserievarienten – Kombis und SUV gab es damals bei Mercedes-Benz noch nicht. Dazu kommt eine enorme Bandbreite an Motoren, mit denen sich der Charakter der Limousine von beschaulich bis zur Raserei steigern lässt: Dieselt der 200D noch mit gemütlichen 55 PS vor sich hin, erreicht der 280E schon 200 km/h. Wer heute einen /8 kaufen möchte, unterliegt vielleicht nicht mehr den ökonomischen Zwängen der Erstkäufer, die sich häufig „ihren Mercedes“ vom hart Ersparten gönnten und bar bezahlten. Theoretisch erweitert das die Auswahl – immerhin 1,9 Millionen wurden gebaut – wären da nicht der Rost und sonstige Kalamitäten, die den Bestand reduziert haben. Doch es sind genügend übrige geblieben: Der Strich-Acht zählt zu den häufigsten und beliebtesten Oldtimern.