Dieser 911 ist sehr speziell – und sehr schnell
Porsche hat 1972 einen 911 Targa mit dem Motor des Carrera RS 2.7 gebaut, mit einem anderen Motor erprobt und zum 60. Targa-Jubiläum restauriert. Fahrbericht.
Bei diesem Porsche 911 passt scheinbar gar nichts zusammen: Der mexicoblaue Targa hat eine Ölklappe, Faltenbalg-Stoßstangen, Chrom an den Scheinwerfern und schwarze Türgriffe. Das alles gab es nie zusammen ab Werk. Oder doch?
Carrera-Motor im Targa
Laut Fahrgestellnummer hat Porsche diesen ganz speziellen 911 Targa 1972 gebaut. Im Heck steckt der schärfste Motor, den Porsche damals hatte: Es ist der 210 PS starke Sechszylinder-Boxer aus "Deutschlands schnellstem Serienauto", dem Carrera RS 2.7. Der beschleunigt als erstes Serienauto im Test von auto motor und sport in unter sechs Sekunden von 0 auf 100 km/h. Der RS läuft 245 km/h, ein schnelleres Auto baut damals kein deutscher Hersteller.
Des Rätsels Lösung: Es handelt sich um ein Erprobungsfahrzeug. Die Entwickler ersetzten den 2,7-Liter durch einen Dreiliter-Carrera-Motor und setzten das Auto für Geräuschmessungen ein. So bekam ihn die Museumswerkstatt: "Das Auto war sehr stark verbaut, Unterboden und Motor waren eingekapselt und es waren auch nicht alle Teile vorhanden", berichtet Werkstattleiter Kuno Werner.
Rund 1.200 Stunden Restaurierungsarbeit stecken in dem mexicoblauen 911, der pünktlich zum 60. Targa-Jubiläum fertig wurde und nun wieder mit einem 2,7-Liter-Motor auf die Straße darf.
Unkompliziert wie ein Käfer
Die 210 PS in der schmalen Karosserie mit dem Targa-Bügel machen den Elfer laut Kuno Werner zum "Wolf im Schafspelz". Denn wer erwartet schon einen RS-Motor in einem Targa? Dabei gibt sich das Auto im Umgang so unkompliziert wie ein Käfer, er klingt nur besser und voluminöser.
Das Losfahren gelingt ganz unspektakulär, nur die Fuhrmann-Sitze und das große Lenkrad mit der viereckigen Prallplatte lassen wenig Platz für lange Beine. Die Sitze sind nach dem Entwickler des Königswellen-Motors im 356 Carrera und späteren Vorstandsvorsitzenden Ernst Fuhrmann benannt und Polstermöbeln der späten 60er-Jahre nachempfunden. In Serie gingen diese Sitze nie – allenfalls zur Optik der Polster im Porsche 928 ließe sich eine Verbindung herstellen.
Typisch Porsche: Motor für Reise und Rennstrecke
Auf der Landstraße kann im Prinzip der zweite Gang drinbleiben. Der reicht bis über 100 km/h und selbst bei hohen Drehzahlen wird der Motor nicht laut. Kultiviert läuft der Boxer sowieso, denn er läuft prinzipbedingt ausgeglichen und vibriert nicht. Schaltet man hoch bis in den Fünften, wird deutlich, dass Kuno Werner mit dem Satz "Der hat ein super Drehmoment" nicht übertrieben hat: Auch wenn der Targa vermutlich ein paar Pfund mehr auf den Rippen hat als ein Carrera RS, schiebt der 2,7-Liter-Motor wie ein Büffel. Heute hauen 210 PS niemand mehr vom Hocker, doch damals hatte ein 911 S der G-Serie 175 PS und ein Normalo-Elfer 150 PS. Wir haben es also mit rund einem Drittel mehr Leistung zu tun, als ein Basis-911 damals hatte.