Amiberry: So wird der Raspberry Pi zum Amiga
Vor Jahrzehnten war der Amiga von Commodore für viele der Einstiegscomputer schlechthin. Mit dem Raspberry Pi lassen sich die alten Zeiten wieder aufleben. Wir zeigen Ihnen, wie das geht.
Retrocomputing wird immer beliebter. Vor allem bei jungen Menschen, welche die Hardware ausschließlich aus den Erzählungen von Computer-Veteranen kennen. Bei Zeitzeugen, die einst einen Commodore Amiga besaßen, weckt der nostalgische Trend Erinnerungen an die eigene Jugend. Der legendäre Computer lässt sich mit dem "Amiga 500 Mini" wiederbeleben. Als Alternative bietet sich aber auch der Raspberry Pi an, um das Amiga-Feeling zurückzuholen. Hierbei sparen Sie zwar Geld, müssen aber ein bisschen basteln.
Installation des Amiberry
Mit Amiberry von Blitter Studio steht Ihnen ein leicht konfigurierbarer Emulator für die Amigawelt zur Verfügung. Damit kommen sogar Einsteiger klar. Die Software ist Teil einer Reihe von Distributionen, die für Retrogamer konzipiert sind. Wer nur einen Amiga emulieren will und auf andere Plattformen verzichten kann, installiert Amiberry unter dem Raspberry-OS. Unter Ubuntu geht das natürlich auch. Zunächst müssen Sie allerdings die Voraussetzungen schaffen, um Amiberry installieren zu können. Dies bedarf der Installation einer ganzen Reihe von Paketen.
sudo apt install libsdl2-2.0-0 libsdl2-ttf-2.0-0 libsdl2-image-2.0-0 flac mpg123 libmpeg2-4
Laden Sie sich unter github.com/BlitterStudio/amiberry/releases zunächst das Image für Ihre Distribution herunter, das passt. Die Images werden als einfache ZIP-Archive zur Verfügung gestellt. Wichtig ist, dass beim Entpacken die Ordnerstrukturen erhalten bleiben. Nachdem Sie das ZIP-Archiv entpackt haben, müssen Sie im Dateimanager oder im Terminal (chmod) kontrollieren, ob es sich bei "amiberry" um eine ausführbare Datei handelt.
Ohne ROM läuft nichts: Falls Sie sich früher schon einmal mit Emulatoren befasst haben, dürfte Ihnen bekannt sein, dass Sie in aller Regel das originale Betriebssystem vom Zielsystem benötigen. Das Amiga-OS war - wie bei Spielekonsolen üblich - als ROM in einem Chip verfügbar. Auch Amiberry benötigt ein solches ROM, damit es den Amiga emulieren kann. Doch Achtung: "Kickstart" unterliegt allerdings nach wie vor dem Urheberrecht. Es ist also nicht gestattet, "Kickstart" einfach aus dem Internet herunterzuladen. Dubiose Internetseiten sollten Sie ohnehin nicht besuchen.
Es gibt zwei Möglichkeiten, um das Problem zu lösen: Sie können von einem Amiga aus das ROM mit Kickstart lesen. Hierbei helfen Programme wie Rip ROM oder Grabkick. Alternativ können Sie die ROM-Dateien von Amiga Forever verwenden. Die Plus-Version ist für rund 30 Dollar erhältlich. Damit können Sie einen beliebigen Amiga unter Windows emulieren. Die ROM-Dateien müssen Sie auf einen Datenträger kopieren, den Sie unter Amiberry verwenden. An Windows führt im ersten Schritt kein Weg vorbei, weil es für den Mac oder Linux noch eine Software von Amiga Forever gibt.
Nachdem Sie das Programm installiert haben, navigieren Sie in "Amiga Files", um das gewünschte Modell auszuwählen. Rufen Sie danach "Tools -> ROM Toolbox" auf. Gehen Sie dann auf "Action" zu dem Punkt "ROM to file". Hier haben Sie die Möglichkeit, eine Version auszuwählen und das Speicherziel für die Datei festzulegen. In aller Regel wird das ein USB-Stick sein. Diesen können Sie nach der Kopieraktion an Ihren Raspberry Pi anschließen. Was Sie jetzt noch benötigen, ist ein Amiga-Datenträger. Dieser steht Ihnen als ADF-Datei zur Verfügung. Weitere Dateien wie die Workbench (also den Amiga-Desktop) finden Sie ebenfalls bei Amiga Forever, wo die Workbenches nach Modellen geordnet zur Auswahl stehen. Mit einem Datenträger und dem ROM für Kickstart haben Sie alles, was Sie für die Emulation brauchen.
Konfiguration des Amiga
Die Emulation ist jetzt startklar. Welches Amiga-Modell Sie auch verwenden, stets ist die Vorgehensweise die Gleiche. Auch bei Verwendung von Amibian oder einer anderen speziellen Distribution führen Sie die nachfolgenden Schritte aus. Die Systemumgebung sorgt lediglich für eine automatisierte Ausführung des Emulators. Der Artikel beschränkt sich aus Platzgründen nur auf die wichtigsten der recht umfangreichen Optionen von Amiberry.
Im Terminal wechseln Sie jetzt in das Installationsverzeichnis, um Amiberry zu starten. Damit ist der Ordner gemeint, in den das ZIP-Archiv entpackt wurde. Dort führen Sie die Datei "amiberry" aus. Gehen Sie zu "Quickstart" und wählen Sie das zu emulierende Amiga-Modell aus dem Listenfeld aus. Dieses muss zur ROM-Datei passen.
Direkt darunter können Sie ein Diskettenlaufwerk auswählen. Klicken Sie auf "Select File", um die selbst erstellte oder besorgte ADF-Datei auszuwählen. Belassen Sie diese auf dem USB-Stick, der an Ihr System angeschlossen ist, oder kopieren Sie die Datei auf die Festplatte des PCs oder die SD-Karte vom Raspberry. Gehen Sie anschließend zum Abschnitt "ROM". Sollte der passende Kickstart noch nicht ausgewählt sein, haben Sie hier die Möglichkeit, eine lokal existierende Datei auszusuchen. Klicken Sie hierzu auf die drei Punkte. Anschließend können Sie über den Abschnitt "Path" den Suchpfad für Amiberry festlegen. Der Pfad also, in dem nach Kickstart und weiteren Dateien gesucht werden soll.
Wenn Sie Spiele am Amiga nur über die Tastatur spielen wollen, müssen Sie jetzt nichts mehr tun. Sollte ein Joystick via USB an Ihren Raspberry angeschlossen sein, lässt sich dieser unter "Custom Controls" konfigurieren. Je nach Modell kann das sofort klappen. Es kann aber auch eine aufwendige Recherche in den Foren nach sich ziehen. Ihren Amiga können Sie jetzt mit "Start" hochfahren. Das eingebundene Diskettenimage sollte nun starten. Übrigens: Mit der Taste F12 können Sie jederzeit zwischen der Oberfläche von Amiberry und der Amiga-Ansicht hin und her wechseln.
Konfigurationssicherung und Fehlerbehebung
Ständig dieselben Aktionen manuell durchzugehen, um den Amiga einzurichten, wäre auf Dauer sicherlich zu aufwendig. Aus dem Grund gibt es unter "Configurations" eine Möglichkeit zum Ablegen der Einstellungen. Diese können Sie dann später laden. Als Erstes müssen Sie einen beschreibenden Namen eintragen und mit einem Klick auf "Save" sichern. Zu einem späteren Zeitpunkt können Sie Ihre Optionen über diesen Dialog laden. "Hard Drives" bietet Ihnen die Möglichkeit zum Anlegen virtueller Festplatten. Hierzu sei gesagt: Erst die fortgeschrittenen Modelle verfügten über eine Festplatte. Beim Klassiker Amiga 500 existierte nur ein Diskettenlaufwerk.
Eine 30 Jahre alte Hardware für eine moderne Plattform fit zu machen ist gar nicht so einfach. Daher ist Amiberry stets eine Art "Work in Progress". Falls es bei Ihnen Probleme gibt, sollten Sie zuerst immer die Projektseite aufrufen und die FAQ studieren. Wenn es beim Start von Kickstart keine Probleme gab, werden Sie vom System gebeten, eine Diskette einzulegen. Daran können Sie erkennen, dass die Emulation prinzipiell funktioniert. Fehler treten häufig bei den Imagedateien auf. Entweder sind die Dateien beschädigt oder für die gewählte Plattform ungeeignet. Das Einzige, was hier hilft, ist Ausprobieren.
Wenn der Joystick oder das Gamepad streikt, obwohl Sie die genau die Tipps aus dem Internet befolgt haben, sollten Sie nicht verzagen. Pacman lässt sich auch prima über "wasd" steuern. Die Devise lautet: Mehr Spielspaß und weniger Akribie.
Ein Wort zum Spieleangebot: Imagedateien mit alten Spielen zur Wiederbelegung auf dem Emulator gibt es ohne Ende. Bei vielen Spielen ist das Urheberrecht bereits erloschen, bei anderen wurden sogar die Lizenzen offiziell freigeben. Schätze dieser Art können Sie etwa auf Flohmärkten finden, wenn Sie früh genug vor Ort sind. Um Originaldisketten mit aktueller Hardware auszulesen, ist allerdings ein wenig handwerkliches Geschick und Spaß an Basteleien nötig. Das ist nicht jedermanns Sache. Um zwischendurch zu spielen, sind Angebote wie Amiga Forever und Amiberry völlig ausreichend.