Kann man Kundenrezensionen im Internet noch trauen?

Fast jeder hat schon einmal etwas über das Internet bestellt. Für viele Händler ist das World Wide Web mittlerweile zum wichtigsten Absatzmarkt geworden. Einige Unternehmer haben ihren stationären Handel bereits vollständig aufgegeben. Für viele Händler ergibt sich daraus ein hoher Wettbewerbsdruck. Denn ob ein Produkt gekauft wird oder nicht, hängt maßgeblich von vorangegangenen Rezensionen ab. Diese kann man mittlerweile kaufen. Für viele Kunden erhöht dies die Gefahr, viel Geld für schlechte Qualität auszugeben.
Der Online-Handel boomt wie nie zuvor, auch in Deutschland. Jährlich werden im World Wide Web Milliarden umgesetzt. 2017 wird es aller Voraussicht nach einen neuen Umsatzrekord geben. Aktuellen Prognosen zufolge sollen am Ende dieses Jahres 73 Mrd. Euro im E-Commerce-Sektor umgesetzt werden, das wären nochmals 10 Mrd. Euro mehr als 2016.
Der stationäre Einzelhandel hat dabei zunehmend das Nachsehen. Denn mittlerweile wird fast alles im Internet direkt nach Hause bestellt. Bücher, Unterhaltungselektronik, Spielwaren, Bekleidung oder auch große, komplexe Geräte wie Sandfilteranlagen, Luftbefeuchter und Wasserenthärtungsanlagen, ja selbst Medizin und Lebensmittel können einfach und bequem online geordert werden.
Aus Sicht von Händlern bedeutet dies, sich auf einen neuen Wettbewerb einstellen zu müssen. Denn im digitalen Medium Internet kommt es bei der Vermarktung seiner Produkte nicht auf schöne Plakate, meist nicht einmal auf den besseren Preis an, sondern auf die Qualität der Produkte und Dienstleistungen, die potentielle Kunden dank zahlreicher Bewertungsfunktion anderer Käufer sehr schnell einsehen können.
Wer daraus nun aber schließt, dass Produzenten und Händler zunehmend um Qualitätssicherung bemüht sind, täuscht sich. Denn um Produkt- und Dienstleistungsbewertungen, um Facebook-Likes und Follower hat sich ein mittlerweile ominöser, aber riesiger Markt entwickelt. Gute Rezensionen lassen sich heutzutage mit dem richtigen Geldeinsatz sicherstellen. Leidtragender ist am Ende der Kunde.
Von Amazon bis zum Google Play Store: Vertraue keiner Rezension!
Wer sich auf dem weltweit größten Online-Portal für Produkte aller Art umschaut, auf Amazon, wird sich womöglich bereits selbst schon einmal erwischt haben, wie er vor der Bestellung erst einen Blick auf vorangegangene Rezensionen warf. Meist werden Produkte, die weniger als vier Sterne vorweisen können, erst gar nicht beachtet. Dies bestätigt auch eine aktuelle Untersuchung des Digitalverbands Bitkom, demzufolge Rezensionen das wichtigste Kaufkriterium beim Online-Shopping sind. Und dies gilt erst recht für Amazon.
Auch der Suchalgorithmus jenes Online-Händlers basiert maßgeblich auf Kundenbewertungen, weil die Suchmaschine davon ausgeht, dass positiv bewertete Produkte besonders relevant sind und deswegen häufiger gekauft werden, auch wenn es natürlich noch andere Faktoren wie Meta-Angaben oder die Verfügbarkeit des Produkts gibt, die bei der Ranking-Zusammenstellung eine zentrale Rolle spielen.
Dass Rezensionen somit nicht nur für Kunden, sondern auch für Händler von immenser Bedeutung sind, dürfte klar sein. Wohl auch deswegen existieren mittlerweile viele dubiose Angebote von ganz legal agierenden Unternehmen, die anbieten, bei den Sternebewertungen und Kunden-Feedbacks etwas nachzuhelfen: mit gefälschten Produkttests, zweifelhaften Rezensionen und gestellten Feedbacks. Das US-amerikanische Unternehmen Reviewmeta geht davon aus, dass circa 20 Prozent aller Bewertungen im Internet gefälscht sind. Konkret bedeutet dies, dass manche Produkte eben nicht „sehr gut“ oder mit 5 Sternen zu bezeichnen sind, sondern eben nur „mittelmäßig“ bis „schlecht“ und eigentlich kaum über 2-3 Sterne kommen dürften.
Wie viel Geld damit zu erwirtschaften ist, zeigt ein Blick auf den Google Play Store, das App-Portal für Android-Smartphones. Auch hier werden in sämtlichen Kategorien, vor allem in den Spielen, „Top Charts“ erstellt, in denen die Apps mit den besten Bewertungen gelistet sind. Hier lassen sich dann Titel wie „Gangster Diebstahl Auto San Andreas Stadt“ finden, die mit wenig Qualität, dafür umso mehr durch Werbeeinblendungen auffallen. 20 Cent sollen „Entwickler“ circa verdienen, wenn dem Spieler eine Werbeeinblendung angezeigt wird. Beim erwähnten Spiel stehen derzeit über 500.000 Downloads zu Buche. Dies ergibt für die Entwickler einen potentiellen Minimalumsatz von 100.000 Euro.
Nicht alle Tests sind gefälscht
Dass es zahlreiche falsche Rezensionen gibt, bedeutet aber nicht, dass tatsächlich auch alle Bewertungen gefälscht sind bzw. alle Online-Händler die zweifelhaften Dienste vieler Unternehmen, die gefälschte Rezensionen anbieten, in Anspruch nehmen. Portale wie Testbewertungen.com betonen daher ganz bewusst und explizit, dass es sich bei allen Testberichten um unabhängige und seriöse Rezensionen handelt.
Für den einzelnen Käufer, der sich aber nicht durch die Tiefen des Internets wühlen möchte, um mehrere verschiedene Testberichte zu lesen, sondern eine einfache und möglichst schnelle Methode braucht, gefälschte und authentische Rezensionen voneinander unterscheiden zu können, bietet sich eigentlich nur eines an: näheres Hinschauen.
Mittlerweile sind sich aber auch viele Verkaufsportale im Internet dieses Problems bewusst geworden und versuchen, aktive Maßnahmen gegen gefälschte Rezensionen zu ergreifen. Dies ist auch zwingend notwendig, denn spürt der potentielle Käufer, dass er den Bewertungen auf einer Seite nicht mehr trauen kann, wandert er womöglich zur nächsten E-Commerce-Plattform, von der es aktuell im Internet nicht gerade wenige gibt.
Bei Amazon beispielsweise besteht mittlerweile die Möglichkeit, einen Kommentar-Missbrauch zu melden. Laut Aussagen des Unternehmens werden die angemeldeten Nutzer, denen tatsächlich ein Nachweis gegen die Amazon.Richtlinien nachgewiesen werden kann, sofort ausgeschlossen und gelöscht. Dies gilt auch für Fake-Shops, die derzeit bei Amazon zu finden sind.
Auch das Bewertungsportal Jameda, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Ärzte bzw. Praxen in Deutschland zu bewerten, hat eigens 15 Mitarbeiter eingestellt, deren einzige Aufgabe es ist, gefälschte Bewertungen ausfindig zu machen und diese sowie die verantwortlichen Nutzer von der Plattform zu entfernen.
YOUTUBE-VIDEO: Galileo zeigt, wie man gefälschte Rezensionen auf Amazon erkennen kann.
Bis allerdings alle Online-Plattformen für mehr Authentizität auf ihrem Bewertungsportal sorgen, dürfte es noch ein weiter Weg sein, denn gefälschte Bewertungen verstoßen zwar in der Regel gegen die Richtlinien der Portale, nicht aber gegen geltendes Bundesrecht. Somit bleiben gefälschte Rezensionen weiterhin ein attraktives Geschäftsmodell.