Kann Gratis-Streaming mit Netflix & Co. konkurrieren?
Die Nutzung von Streaming-Diensten war bisher nur über kostenpflichtige Abos möglich. Neue Dienste bieten Inhalte jetzt auch gratis an. Wir erklären, wie diese werbefinanzierten Streaming-Modelle funktionieren.
Um in der Unterhaltungswelt auf der Höhe der Zeit zu bleiben, reicht ein einziges Abo bei einem Streaming-Dienst nicht mehr aus. Während man sich bei Amazon Prime Video auf die neuesten Blockbuster-Filme konzentriert, sind "Babylon Berlin", "Games of Thrones" und weitere Serien-Highlights vor allem bei Sky zu finden. Die Universen von Marvel und Star-Wars sind wiederum seit geraumer Zeit die Spezialität von Disney+. Nicht zu vergessen die Anbieter wie Netflix, die sich durch ihre megaerfolgreichen Eigenproduktionen hervortun: von "Dark" in Deutschland über "Squid Game" in Korea bis hin zu dem Haus des Geldes "La Casa de Papel" in der spanischsprachigen Welt.
Wer die vorgenannten Dienste in HD-Qualität genießen möchte, zahlt zwischen 9 und 15 Euro pro Dienst und Monat. Bei Nutzung mehrerer Dienste kann das ganz schön ins Geld gehen. Vor allem dann, wenn Sie die Filme in 4K streamen möchten. Wenn Ihnen das zu kostspielig ist, könnten Sie zusätzlich einen AVoD-Dienst (AVoD = Advertising on Demand) nutzen. Bei diesem Streaming-Modell finanziert der Anbieter seine Inhalte über Werbeeinblendungen. Das Tolle ist: Hierbei fallen keine Abogebühren an.
Alternativen zu Abomodellen sind gefragt
Schon lange gibt es Streaming-Dienste, die sich über Werbung finanzieren. Diese standen jedoch bisher im Schatten von Amazon Prime Video, Netflix & Co. Hier vollzieht sich gerade ein Wandel. Während sich die Zahl der Anbieter von Abo-Diensten anfänglich noch überschauen ließ und die Preise bezahlbar waren, kamen die Platzhirsche in den letzten Jahren immer mehr unter Druck. Mit Apple TV und Disney+ tauchten neue internationale Konkurrenten auf und mit RTL+ und Joyn (Discovery und ProSiebenSat1) kamen noch deutsche Wettbewerber hinzu. Das führte zu einem Anstieg der monatlichen Abokosten. Bei Nutzern mehrerer Dienste drückte das spürbar aufs Budget.
Dass sich daran etwas ändern wird, ist nicht zu erkennen. Vielmehr kommen mit AMC+ und Paramount+ noch weitere Streaming-Anbieter hinzu, um im Markt mitzumischen. Auch wenn deren Inhalte aktuell nur über Amazon Channels oder Sky verfügbar sind, stehen große US-Film- und Fernsehanstalten dahinter (siehe weiter unten in der Tabelle). Entsprechend groß ist hierbei das Investitionspotenzial.
Auf der anderen Seite ist ein neuer Trend erkennbar, denn immer weniger Nutzer sind bereit, für zusätzliche Streaming-Angebote noch mehr Geld auszugeben. Gemeint ist das werbefinanzierte Streaming. Bereits 58 Prozent der deutschen Streaming-Nutzer machen bereits von den sogenannten AVoD-Angeboten Gebrauch. Dies ergab eine Umfrage, die das US-amerikanische Tech-Unternehmen Integral Ad Science bei mehr als 500 deutschen Streaming-Nutzern im Januar 2021 durchgeführt hat. Nach den Gründen gefragt, gaben 47 Prozent die Kosteneinsparung als Hauptgrund an. Rund 30 Prozent waren der Meinung, dass sie für ihre abonnierten Streamingdienste zu viel bezahlen und für 32 Prozent waren bei werbefinanzierten Diensten die zusätzlichen Inhalte von Interesse. Fast zwei Drittel der Nutzer, die noch keine AVoD-Angebote nutzten, gaben an, dies in naher Zukunft anzugehen. Werbeunterbrechungen stellten für 78 Prozent der Befragten kein Hindernis dar.
Ist die AVoD-Werbung ähnlich wie bei Privatsendern?
Wer zum ersten Mal vom werbefinanzierten Streaming hört, denkt spontan oft an die Werbepausen, die wir von den privaten Fernsehsendern her kennen. Man nennt diese TV-Kategorie auch Free Ad-supported Streaming TV, abgekürzt FAST. Gefühlt dauern die Werbepausen oft doppelt so lange wie die Filmfragmente davor und danach. Die Werbeblöcke beim AVoD finden sich dagegen meist am Anfang einer Wiedergabe, aber auch mittendrin. Anzahl und Länge einzelner Clips können von Dienst zu Dienst variieren. Die Wiedergabe über Youtube, die manche Dienste anbieten, nervte uns dabei besonders.
Prinzipiell unterscheidet sich die Werbung bei AVoD-Streamingdiensten deutlich von der Werbung bei Privatsendern. Werbepausen sind beispielsweise erheblich kürzer und Clips können nach einer gewissen Zeit auch übersprungen werden. Wer jedoch alle Filmchen ausspielt, muss mit rund zehn Minuten Werbung in der Stunde rechnen. Ein kleiner Trost: Während die Clips abspielen, können Sie sehen, wie lange diese noch dauern.
Trotz alledem gaben in der weiter oben erwähnten Studie rund 48 Prozent aller Befragten an, dass sie die Werbung bei den AVoD-Diensten wesentlich besser empfinden als beim klassischen TV. So begrüßten 29 Prozent die Möglichkeit, einzelne Werbeclips überspringen zu können.
AVoD-Anbieter: Endlich steigen auch die großen Plattformen mit ein
Den etablierten Streaming-Anbietern blieb die wachsende Unzufriedenheit ihrer Kunden natürlich nicht verborgen. Die Abwanderung zur werbefinanzierten Konkurrenz geschieht nicht nur aus Kostengründen. Die beiden bekannten Content Provider Disney und Amazon haben auf das veränderte Nutzerverhalten reagiert und kündigen selbst werbefinanzierte Streaming-Modelle an. Mit Freevee will Amazon nun einen AVoD-Dienst in Deutschland etablieren. Unter der Bezeichnung ImdB-TV wurde er bereits in den USA und im Vereinigten Königreich bekannt. Disney+ plant ebenfalls ein kostenloses Angebot für Inhalte. Hierzu soll ein spezieller Disney+-Tarif greifen, der vier Minuten Werbung in der Stunde vorsieht. Sendungen für Kinder im Vorschulalter werden davon jedoch ausgenommen. Auch Netflix will hier mitmischen und plant ähnliche Tarife für die USA.
Hinsichtlich der Inhalte dürften die Unterschiede zwischen den werbefinanzierten und normalen, über Abo-Tarife gestreamten Inhalten bei Amazon, Disney+ und Netflix nicht allzu groß sein. Hier können wir allerdings nur spekulieren, denn bislang ist kein AVoD-Dienst der drei großen Anbieter bislang in Deutschland verfügbar.
Daneben gibt es mit AMC+ und PeacockTV noch weitere US-amerikanische Anbieter für AVoD. In Deutschland können Sie diese jedoch über Sky- oder Amazon-Channels-Abo empfangen, die bekanntlich kostenpflichtig sind. Hier sind sie natürlich werbefrei. Mit Discovery+ ist ein verbilligtes AVoD-Angebot seit Ende Juni verfügbar. Im Dezember soll Paramount+ als Sky-Abo beziehungsweise separat hinzukommen. Ob sich hier auch ein AVoD-Tarif buchen lässt, ist nicht genau bekannt. Wer das werbefinanziert Angebot von Tubi und Hulu nutzen möchte, benötigt eine VPN-Verbindung, denn die Dienste dieser Anbieter werden derzeit in Deutschland noch nicht angeboten.
Streaming-Dienst | Inhalte | Besonderheiten (Auswahl) |
AMC+ | Shows, Serien und Filme, auch Eigenproduktionen | Nutzbar nur über andere Plattformen (Pluto TV, Amazon Prime Channels etc.) |
Discovery | Dokus, Filme und Sport sowie Eigenproduktionen | Durch Werbung finanziertes Angebot. 3,99 statt 5,99 Euro im Monat oder 39,99 statt 59,99 Euro im Jahr |
Disney+ | Shows, Filme und Serien, viele Exklusivinhalte und Eigenproduktionen | Inhalte in Originalsprachen |
Freevee | Shows, Serien und Filme, viele Exklusivinhalte und Eigenproduktionen | Inhalte in Originalsprache, angekündigt für Deutschland |
Hulu | Dokus, Filme, Serien, Shows, auch Eigenproduktionen | englischsprachig mit Werbung für 6,99 US-Dollar statt 12,99. Erreichbar nur über VPN |
Joyn Free | Serien, Filme und Shows, viele Exklusivinhalte und Eigenproduktionen | Nur deutsche Tonspur |
Moviedome | Dokus, Filme und Shows | Nur deutsche Tonspur, Streaming via hauseigenem Youtube-Kanal |
Netzkino | Filme | Nur deutsche Tonspur, Streaming auch über hauseigenen Youtube-Kanal, Offline-Funktion |
Paramount+ | Serien, Filme, Sport und Shows sowie Eigenproduktionen | Solo oder über Sky-Abo in Deutschland ab Dezember |
PeacockTV | Serien und Filme | Nur über werbefreies Sky-Abo in Deutschland |
PlexTV | Shows, Serien, Dokus und Filme | Originalversionen |
PlutoTV | Shows, Serien und Filme | Ohne Anmeldung, diverse Serien in Originalsprache |
Popcorntimes | Filme aus den Jahren 1910-2010, Dokus | Selbstverständnis als Filmarchiv, Zusammenarbeit mit Filmverleihern, Tonspur nur auf Deutsch |
Rakuten.tv free | Shows, Filme und Serien, vereinzelt Eigenproduktionen | Bei Smart-TV keine Anmeldung nötig, nur deutsche Tonspur |
rlaxx TV | Shows, Filme, Dokus, Sport und Serien sowie Eigenproduktionen | In Kanäle unterteilte Inhalte, auch Originalversionen |
RTL+ | Hauptsächlich Eigenproduktionen (Reality-TV und Soaps) | Nur deutsche Tonspur |
Tubi | Serien und Filme | Zurzeit nur über VPN erreichbar, englischsprachig |
Wedotv | Dokus, Serien und Filme | Nur deutsche Tonspur, Anmeldung nicht nötig |
Youtube | Shows, Serien, Filme und Dokus | Shows, Serien und Filme zum Teil von Usern hochgeladen (rechtlich umstritten) |
Viele AVoD-Anbieter sind noch weitgehend unbekannt
Zumindest in Deutschland gibt es noch kein AVoD-Angebot der großen Anbieter. Inhalte mit Werbepausen kennen die meisten von den Fernsehsendern und Youtube. Bei RTL+ und Joyn gibt es zahlreiche Eigenproduktionen und Shows. Serien und Filme mit deutscher Tonspur werden vereinzelt gesendet. Wenn Sie das komplette Angebot werbefrei nutzen möchten, benötigen Sie einen kostenpflichtigen Account.
Bei Netzkino.de sind dagegen unzählige Kinofilme zu finden, die allerdings nicht immer ganz taufrisch sind. Die Kinofilme können auf vielen Endgeräten, auf einem eigenen Youtube-Kanal und direkt auf der Webseite angesehen werden. Moviedome hat ein ähnliches Angebot, bringt aber zusätzlich Dokus und Shows. Wem Filme aus den Jahren zwischen 1910 und 2010 zusagen, für den hat Popcorntimes das passende Angebot. Dagegen kommen Sportfans vor allem bei Wedotv und rlaxx TV auf ihre Kosten. Eine überschaubare Anzahl an Serien haben zudem alle Anbieter zusätzlich im Angebot. Nicht bei jedem Anbieter muss man sich anmelden, so etwa bei Pluto TV und Wedotv. Pluto TV, durch die vierte Star-Trek-Discovery-Staffel bekannt geworden, gehört zu den wenigen Plattformen, die Inhalte in Originalfassung anbieten. So zum Beispiel "21 Jump Street", der Hit aus den 1980er-Jahren, in dem ein noch recht junger Johnny Depp zu sehen ist. Wer mehr englische Originaltitel sucht, sollte sich bei rlaxx TV oder PlexTV umsehen. Bei Rakuten.tv Free gibt es zudem noch Eigenproduktionen.
Tipp: Falls sich der Dienst im Browser nicht wiedergeben lässt, sollten Sie die Browsereinstellungen hinsichtlich Werbeblocker, Pop-Ups & Co. überprüfen. Nutzen Sie gegebenenfalls einen anderen Browser. Wir hatten so einen Fall bei Netzkino. Der Anbieter, dessen Filme in einem separaten Fenster starten, ließ sich nicht mit Firefox nutzen, sondern nur mit Chrome.
Welche Geräte und Auflösungen taugen für die Wiedergabe von AVoD-Inhalten?
Beim werbefinanzierten Streaming ist ebenso wie beim konventionellen Streaming mit Abo kein zusätzliches Equipment nötig. Bei allen Anbietern können Sie das Programm im Browser Ihres PCs oder Macs ansehen. Wenn Sie es vorziehen, Werbepausen lieber im heimischen Wohnzimmer zu genießen, dann stehen Ihnen noch andere Wiedergabeoptionen zur Verfügung. Die meisten Dienste können Sie mit Apple TV, Amazons Fire-TV-Geräten oder über Streamingboxen wie Googles Chromecast-Modellen empfangen. Hinzu kommen Boxes und Sticks von Roku, die kompatibel sind mit den meisten Anbietern von AVoD. Zudem ist es bei Amazon möglich, Dienste wie Hulu oder Disney+ auf Echo Shows und Fire Tablets wiederzugeben. Grundvoraussetzung ist die Verfügbarkeit einer entsprechenden App. Genauso wie es auch bei der Wiedergabe über den Fernseher der Fall ist. Als ersten Schritt sollten Sie deshalb immer erst den Appstore Ihres Streaming-Geräts nach einer entsprechenden App durchsuchen. Fernseher von LG, Samsung, Panasonic und die mit Android-TV haben bereits solche Apps an Bord. AVoD lässt sich zudem über Geräte wie Spielkonsolen empfangen. Wer eine PS4 oder eine PS5 von Sony oder eine Xbox One S oder X von Microsoft besitzt, dem steht diese Möglichkeit offen. PlexTV lässt sich zudem über Nvidia Shield und Hulu über Nintendo Switch empfangen.
Übrigens: Popcorntimes ist der einzige Anbieter, der sich bislang ausschließlich über den Browser erreichen lässt. Der Anbieter versteht sich weniger als typischer AVoD-Anbieter, sondern mehr als Filmarchiv. Hier gibt es eine große Auswahl an Filmen, die zwischen 1910 und 2010 gedreht wurden: von Rudolph Valentino über Alfred Hitchcock bis hin zu John Wayne.
Hinsichtlich der Auflösung sieht es so aus: In Abhängigkeit vom Ausgangsmaterial streamen alle Anbieter in SD und HD. Wie gut die Wiedergabequalität tatsächlich ist, hängt aber auch davon ab, welches Ausgabegerät Sie verwenden. Die Internetgeschwindigkeit spielt hier natürlich auch eine Rolle. Einige Plattformen wie PeacockTV, Wedotv und Hulu bieten auch 4K-Material an. Ob Amazon und Disney+ auf den Zug aufspringen und ebenfalls in 4K streamen, werden wir sehen.
Fazit: AVoD ist eine Abo-Alternative mit kleinen Abstrichen
Für alle Streaming-Fans, die eine große Auswahl an Inhalten wünschen, hohe Abokosten aber scheuen, ist werbefinanziertes Streaming eine Alternative. Im Vergleich zum Privatfernsehen fallen die Werbepausen deutlich kürzer aus. Bei manchen Anbietern können die Clips auch übersprungen werden.
Zwar sind die Inhalte auf AVoD-Plattformen bisher meist älteren Datums. Sobald die Streaming-Riesen wie Netflix, Disney, Amazon & Co. ins AVoD-Geschäft einsteigen, dürfte sich das Angebot durch neuere Serien und Filme deutlich ausweiten.