Bei psychischer Belastung helfen: "Zuhören ist die halbe Miete"
Körperlich gesund, aber psychisch ausgelaugt? Der richtige Umgang mit Menschen, die mental belastet sind, ist nicht immer einfach. Anlässlich des Welttags der mentalen Gesundheit am 10. Oktober gibt Dr. Hanne Horvath, Psychologin und Mitgründerin der Online-Therapieplattform HelloBetter, im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news Tipps, wie wir Betroffenen aus einer psychischen Krise helfen können.
Warum fällt es vielen Menschen schwer, über ihr Gefühlsleben zu sprechen?
Dr. Hanne Horvath: Offen über seine psychischen Beschwerden zu sprechen, ist gesellschaftlich leider noch immer nicht akzeptiert, deshalb leiden viele lieber im Stillen. Viele Betroffene schweigen auch lieber, weil sie denken: Wenn ich es ausspreche, dass es mir nicht gut geht, dann ist es wahr, obwohl ich es lieber wegschieben und warten würde, dass es von allein besser wird. In der Gesellschaft, in der wir leben, haben wir leider noch nicht ausreichend gelernt, darüber zu reden, wenn es uns schlecht geht. Wenn solche Gespräche häufiger stattfinden würden, wäre es viel einfacher.
Woran erkenne ich, dass eine mir nahestehende Person psychische Probleme hat?
Horvath: Wir alle reagieren anders auf zum Beispiel zu viel Stress und verhalten uns dementsprechend. Manche werden stiller und ziehen sich zurück, andere drehen den Lautstärkeregler erst so richtig auf und sind viel präsenter als vorher. Entscheidend sind die Verhaltensunterschiede. Zu den weiteren Symptomen, die sich von außen wahrnehmen lassen, zählen Schreckhaftigkeit und Gereiztheit. Gerade bei Burnout äußern sich Betroffene oft auch zynisch über ihre eigene Arbeit.
Was kann ich tun, wenn ich merke, dass es einem guten Freund oder einer guten Freundin psychisch nicht gut geht?
Horvath: Die halbe Miete ist es, jemanden darauf anzusprechen und zuzuhören. Es ist ein Trugschluss, dass ein Problem immer gleich gelöst werden muss, es kann auch erstmal stehen bleiben. Wichtig ist auch, keine Vermutungen zu äußern, sondern bei dem zu bleiben, was wir wahrnehmen. Wenn wir mit einer Person mit psychischen Beschwerden sprechen und helfen möchten, kann es schon helfen, ihr mitzuteilen, wie wichtig sie uns ist. Dabei können wir sie beispielsweise auf die Veränderungen in ihrem Verhalten ansprechen, die wir bemerkt haben. Hilfreich ist es oft, eigene Beispiele anzubringen und zu teilen, dass wir auch manchmal Angst davor haben, etwas Bestimmtes zu erleben. Für die betroffene Person kann es einfacher sein, sich zu öffnen, wenn auch wir etwas von uns preisgeben.
Und was sollte ich vermeiden?
Horvath: Auf keinen Fall sollten wir ungefragt Ratschläge geben. Wir wollen ja selbst nicht, dass uns jemand anderes reinredet. Im Allgemeinen nicht und schon gar nicht, wenn wir psychisch belastet sind. Letztlich geht es darum, besser zuzuhören, ohne schon eine Antwort im Kopf zu haben oder eine eigene Anekdote zu teilen. Wichtiger ist es klarzumachen, dass man für die Person da ist. Das kann mündlich sein, aber auch durch Gesten wie Briefe oder ein Päckchen mit Schokolade, das einfach zeigt: 'Ich bin für Dich da.' Wenn es jemandem nicht gut geht, der mir wirklich nahesteht, wie zum Beispiel der Partner oder die Partnerin, ist es aber auch wichtig, selbst Grenzen ziehen zu können. Das eigene Leben darf nicht nur aus der uns nahestehenden Person bestehen, die gerade leidet. Es ist sehr wichtig, weiterhin Freundschaften zu pflegen, Hobbys zu verfolgen, sich auch mal etwas Gutes zu tun. Nur so kann ich für meine Freunde oder meinen Partner beziehungsweise Partnerin stark bleiben.