Thevis sieht Doping-Jäger zunehmend im Hintertreffen

"Der Abstand zwischen Jägern und Gejagten hat sich in den vergangenen Jahren nicht so reduzieren lassen, wie ich es mal gehofft hatte", sagt Thevis.
Der renommierte Anti-Doping-Forscher Mario Thevis hat mehr Ressourcen gefordert, um den Betrügern im Sport auf den Fersen zu bleiben. "Ich glaube, der Abstand zwischen Jägern und Gejagten hat sich in den vergangenen Jahren nicht so reduzieren lassen, wie ich es mal gehofft hatte", sagte Thevis der ARD-Dopingredaktion. Der Leiter des renommierten Kölner Doping-Kontrolllabors begründete dies mit der "doch sehr signifikanten pharmazeutischen Weiterentwicklung".
Der 52-Jährige betonte, viele klinisch noch nicht zugelassene Substanzen brächten Missbrauchspotenzial mit sich: "Das heißt, wir müssen mehr und mehr auch die neuen Präparate, die sich in den Entwicklungen befinden oder auch aus den Entwicklungen wieder herausgenommen wurden, mit in die Doping-Analytik implementieren." Er gehe grundsätzlich davon aus, dass die Möglichkeiten, das Doping-Kontrollsystem zu unterwandern, "größer geworden sind".
Auch fehlende weltweite Test-Standards stellten ein Problem dar. Als Beispiel nannte Thevis die synthetischen Ableger des körpereigenen Stoffwechsel-Aktivators Aicar, für die es zwar Nachweisverfahren gebe, aber "keine genauen und global anwendbaren Aktionsgrenzwerte, ab wann eine Urinprobe als auffällig im Sinne des Aicar-Befundes angesehen wird". Körperfremdes Aicar sei zudem nur für vier bis sechs Stunden nach der Einnahme im Körper auffindbar.
Noch nie ist eine Athletin oder ein Athlet positiv auf Aicar-Missbrauch getestet worden. Im Profisport wurde es allerdings bereits eingesetzt, wie aus den Ermittlungen der "Operation Aderlass" rund um den deutschen Mediziner Mark S. hervorging. In Folge der Razzia im Jahr 2019 war unter anderem Radprofi Björn Thurau auch wegen des Umgangs mit Aicar gesperrt worden, der ihm allerdings nur infolge staatsanwaltlicher Ermittlungen und nicht durch eine Dopingprobe nachgewiesen worden war.
Ein anonymer Hinweisgeber aus der Radsport-Szene hatte in der ARD-Doku "Geheimsache Doping: Im Windschatten" Aicar als "Mittel der Wahl" unter Radprofis bezeichnet.