Das passiert, wenn Sie zu wenig schlafen
Arianna Huffington hat in ihrem neuen Buch das Thema Schlaf beleuchtet. Auch viele Deutsche leiden unter Schlafproblemen. Was man ändern kann, was bei Schlafdefizit im Körper passiert und was es mit den Mythen rund um die Nachtruhe auf sich hat, erklärt Autor und Gesundheitscoach Michael Despeghel.
Mit "The Sleep Revolution: Transforming Your Life, One Night at a Time" ist Arianna Huffington in den USA ein großer Erfolg geglückt. Die Folgen eines ständigen Schlafdefizits für unsere Gesundheit, unsere Leistungsfähigkeit, unsere Beziehungen und unser Lebensglück seien dramatisch, heißt es in dem Buch, das im Oktober auch auf Deutsch erscheint. Schenken wir dem Thema Schlaf zu wenig Aufmerksamkeit und was hat es mit den Mythen rund um die Nachtruhe auf sich? Die Nachrichtenagentur spot on news hat bei Sportwissenschaftler, Autor und Gesundheitscoach Dr. Dr. Michael Despeghel ("So senken Sie Ihr biologisches Alter") nachgefragt.
Kümmern wir uns tatsächlich zu wenig um das Thema Schlaf?
Michael Despeghel: Der Schlaf scheint für die Regeneration die meist unterschätzte Ressource zu sein. Von daher kann man das wirklich bestätigen.
Immer wieder hört man von erfolgreichen Künstlern und Managern, die angeblich nicht mehr als vier oder fünf Stunden pro Nacht schlafen. Gibt es Menschen, die mit so wenig Schlaf auskommen?
Despeghel: Diese Menschen haben wahrscheinlich eine hohe Disziplin. Denn die Frage ist: Was passiert im Schlaf? In der Nacht teilen sich etwa 350 Milliarden Zellen. Zellen, die Ansätze von pathologischen Strukturen haben, werden ausgeforstet. Neue Strukturen werden aufgebaut. Wir schaffen im Prinzip Potenzial, um die Herausforderungen des nächsten Tages anzugehen. Menschen sind allerdings unterschiedlich und es gibt keine pauschale Schlafmenge. Die neueren großen Untersuchungen zeigen aber, dass die meisten acht Stunden brauchen, um eine abgeschlossene Regeneration zu haben.
Wie kann man herausfinden, wie viel Schlaf man braucht und ob der auch erholsam ist?
Despeghel: Wenn man morgens dieses tiefe Gefühl hat, ausgeruht zu sein und sich auf den Tag freut, ist das ein gutes Zeichen. Man sollte aber nicht gleich mit Vollgas starten. Der Körper braucht Zeit, um umzuschalten. Wer den Wecker morgens mehrfach ausmacht und sich aus dem Bett quälen muss, sollte etwas ändern. Das sind die subjektiven Anzeichen. Objektiv lässt sich das über die Herzfrequenz messen. Und hier haben die Untersuchungen gezeigt, dass Menschen, die acht Stunden schlafen, die besten Werte aufweisen.
Was halten Sie von Fitnessarmbändern oder Smartwatches, die den Schlaf überwachen?
Despeghel: Meiner Meinung nach gehört nichts Technisches in ein Schlafzimmer. Und ob die Überprüfung des Schlafes mit diesen Hilfsmitteln funktioniert, steht nicht fest. Man sollte sich statt auf das Fitnessarmband lieber auf die innere Uhr verlassen.
Viele Menschen klagen über ein Schlafdefizit. Was passiert, wenn ich zu wenig schlafe?
Despeghel: Immer dann, wenn die Regeneration nicht abgeschlossen ist, kann die ein oder andere pathologische Zelle vielleicht nicht gefunden werden - das heißt, das Immunsystem wird anfälliger, die Abwehr ist geschwächt, häufiger Schnupfen, Heiserkeit, etc. drohen. Krankheitsphasen dauern lange. Zudem ist die Leistungsfähigkeit eingeschränkt, man kann sich schlechter konzentrieren, wird aggressiv, der Blutdruck steigt. Dauerhaft zu wenig Schlaf ist Stress für den Körper.
Macht wenig Schlaf dick?
Despeghel: Das ist möglich. Der Stoffwechsel soll nachts auch dafür sorgen, den Insulinspiegel zu optimieren. Der sagt uns, ob wir Hunger haben oder nicht. Stressphasen erhöhen ihn.
Was hilft bei Schlafstörungen?
Despeghel: Jeder dritte Deutsche klagt über Ein- oder Durchschlafprobleme. Es gibt verschiedene Punkte, die hier helfen können. Das Schlafzimmer sollte Raum für den Geist bieten und auch für den Körper, der sich erholen muss. Wenn dieser Ort zugestellt ist mit elektronischen Geräten wie Fernseher, Stereoanlage, Laptop, Smartphone - und das alles im Stand-by-Modus mit verschiedenen Lampen, die nachts blinken - führt das nicht dazu, dass eine Regeneration stattfinden kann. Schon das Stand-by-Licht eines Fernsehers reduziert die Schlafqualität, weil das Schafhormon Melatonin verzögert ausgeschüttet wird, wenn Lichtquellen da sind. Alle Störfaktoren dieser Art sollten raus aus dem Zimmer, das komplett abdunkelbar sein müsste. Bei Feng Shui wird von einer Schlafzelle gesprochen, ein Lager, in dem man Körper und Geist entspannen kann. Die Temperatur liegt darin im besten Fall zwischen 18 und 20 Grad und vielmehr als ein Bett sollte nicht drin stehen.
Sollte man am besten alleine schlafen?
Despeghel: Es gibt Menschen, die besser mit Partner schlafen, weil sie ihre Symbiose, Vertrautheit und Sicherheit damit gut spüren. Aber Störgeräusche wie Schnarchen, Unruhe, verschiedene Zubettgehzeiten führen dazu, dass der andere am nächsten Morgen nicht ausgeruht ist. Und dann sollte man darüber nachdenken, ob einem nicht die Regeneration nachts wichtiger ist.
Auch Mittagsschlaf gilt als gesund...
Despeghel: Wir beraten Unternehmen, die sich bereits Schlafräume eingerichtet haben. Es gibt spezielle Stühle, in denen man sich auch bekleidet bequem zurücklehnen kann, zudem Schlafmasken und Kopfhörer mit beispielsweise Wal-Klängen oder Bambusflöten. Zehn bis 15 Minuten sollten tagsüber aber nicht überschritten werden, damit man nicht in eine zu tiefe Schlafphase fällt. Ideal wäre für alle in der Mittagspause, zehn Minuten die Beine hochzulegen, die Augen zuzumachen und danach ein bisschen spazieren zu gehen.
Es gibt viele Mythen rund um das Thema Schlaf, zum Beispiel, dass ein Gläschen Bier oder Wein beim Einschlafen hilft. Stimmt das?
Despeghel: Das ist völlig falsch. Den Schlaf in den acht Stunden kann man in drei Boxen einteilen. Wenn ich zwei Stunden vor dem Schlafengehen 20 Gramm Alkohol trinke, was einer Flasche Bier entspricht, ist die Schlafqualität in den ersten beiden Stunden null. Der Körper ist damit beschäftigt, das Gift abzubauen, die Leber arbeitet auf Hochtouren. Kurz vor dem Zubettgehen sollte man also auf keinen Fall Alkohol trinken.
Wie sieht es aus, wenn ich abends Sport treibe?
Despeghel: Da sieht es ähnlich aus. Hohe sportliche Belastungen sollte man nach 20 Uhr meiden. Viele Menschen gehen nach einem langen Arbeitstag ins Fitnessstudio, um ihre Powereinheiten zu absolvieren - diese Leute werden sicher eine verzögerte Regeneration haben.
Wie lange vor dem Schlafengehen sollte man auf Essen verzichten?
Despeghel: Zwei Stunden vor dem Schlafengehen sollte nichts mehr gegessen werden. Sonst dehnt sich der Magen aus, das Zwerchfell wird hochgedrückt, die Atmung dadurch beeinträchtigt, gerade wenn man liegt. So lässt es sich schlecht einschlafen. Der Körper ist im Schlaf zudem auf Ruhe eingestellt, wenn er aber noch Verdauungsarbeit leisten muss, ist das schlecht.
Ist der Schlaf vor Mitternacht wirklich der Beste?
Despeghel: Wir haben alle 90 Minuten eine Tiefschlafphase, das heißt, die Uhrzeit ist nicht entscheidend. Aber wer weit vor Mitternacht ins Bett geht, wird am besten auf seine acht Stunden Schlaf kommen, das steckt wohl dahinter.
Kann man zu viel schlafen?
Despeghel: Bei sehr viel Schlaf fehlt dann natürlich Bewegung. Und darauf ist unser Körper zwingend angewiesen.