Luzern-Tatort "Kleine Prinzen": Ein Sonntag Pause ist auch okay
Der Tatort: Die junge Ava liegt tot auf der Straße, überfahren von einem Lkw. © ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler
Kim Jong-Un soll bekanntlich auf ein Schweizer Internat gegangen sein. Nach dem Tatort "Kleine Prinzen" beginnt man zu verstehen, warum der moppelige Despot lieber greise Generäle fantasievoll exekutiert als sich um sein Volk zu kümmern.
Worum geht’s?
Eigentlich sieht es aus wie ein Unfall: Der übermüdete Trucker Fritz Loosli (Urs Jucker) überfährt nachts auf einem Waldweg die junge Ava Fleury (Ella Rumpf Capron). Schnell finden Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) den Flüchtigen, der voller Schuldgefühle alles zugibt. Doch die Obduktion ergibt: Ava war schon vorher tot, jemand hat ihre Leiche auf die Straße gelegt. Nun ermitteln die Luzerner Tatort-Kommissare in einem Mordfall.
Die 18-Jährige ging auf ein Edel-Internat und hatte dort nicht den besten Ruf. Trotz der strengen Regie von Leiterin Elisabeth Ammann (Esther Gemsch) geht es wild zu. Avas Ex Tom (Flurin Giger) steht wegen Kokain-Handels vor Gericht, ihre neue Flamme Fad (Hassan Akkouch) ist der jüngere Spross einer zwielichtigen Herrscher-Familie aus den Emiraten. War Avas Tod am Ende eine Beziehungstat?
Avas Vater Laurent Fleury (Luc Feit) macht sich Vorwürfe, seine Tochter vernachlässigt zu haben. Ihre Zimmergenossin Swantje Beck (Julia Sewing) hingegen wurde von der Toten erpresst – noch jemand mit Motiv. Und Avas Beziehung zu Fad wurde von dessen großen Bruder (Nadim Jarrar) nicht gern gesehen. Mit ihren Ermittlungen betreten Flückiger und Ritschard diplomatisch heikles Terrain, denn gerade findet ein offizieller Besuch der Emirate statt…
Worum geht es wirklich?
Tja, wenn man das so genau wüsste. "Kleine Prinzen" kann sich nicht so recht entscheiden, ob ein Soziogramm des verdorbenen Millionärs-Nachwuchses erzählt werden soll, ein Internats-Drama oder ein Polit-Thriller. Es gibt viele Ansätze, keiner wird stringent durchgezogen. Zudem werden viel zu viele Nebenschauplätze eröffnet: Reto Flückiger bekommt plötzlich ein merkwürdiges Privatleben, und der Praktikant hüpft mit der Kriminaltechnikerin ins Bett. WTF?
Ist die Handlung glaubwürdig?
Die besten Momente hat dieser Luzern-Tatort immer nur beiläufig. Wenn Liz Ritschard die Internats-Insassen als "Schöne, Reiche und zukünftige Diktatoren" abkanzelt oder – noch besser – der Emir auf Staatsbesuch sich darüber empört "die Herren von der FIFA" versetzt zu haben, blitzt für einen kurzen Moment bitterböse Kritik auf. Ansonsten bleibt "Kleine Prinzen" harmlos bis nichtssagend. Doch was die Logik angeht, hatten die Macher wohl den einen oder anderen Aussetzer, über den man nur den Kopf schütteln kann.
Bester Auftritt
Gefühlt besteht ein Drittel dieses Tatortes aus einem Handy-Video, das die ermordete Ava beim Flirten in einem Freibad zeigt. Ella Rumpf Capron gehört zu den Shooting Stars in der Schweiz, durch das Video hat sie immerhin mehr Präsenz als die meisten anderen Tatort-Leichen. Dennoch hätten wir gerne mehr von ihr gesehen.
Das ist ja generell das Angenehme an den Schweizer Tatorten: Kaum Darsteller, die einem in jedem dritten Film begegnen, sondern (für den deutschen Zuschauer) unverbrauchte Gesichter. Wie toll wäre es, diese mal in einem richtig guten Fall zu sehen…?
Was muss man sich merken?
Die peinliche Liebelei von Reto Flückiger erweckt leider den Anschein, als ob wir davon im nächsten Fall noch einmal hören werden. Merken muss man sich das ungelenke Heimlichtun des Best-Agers auf seinem Segelboot aber dennoch nicht.
Soll man gucken?
Och nö. Wer nicht schaut, verpasst nichts. Fast alles an diesem Schweiz-Tatort ist austauschbar und uninspiriert. Gab es im letzten Film immerhin noch einen Antoine Monot Jr., der mitreißen konnte, versinkt "Kleine Prinzen" wieder im Schweizer Tatort-Einerlei. Nicht mehr ganz so unterirdisch wie noch vor zwei Jahren, aber immer noch nicht überzeugend. Natürlich wurde auch hier wieder synchronisiert, natürlich wieder so, dass es stellenweise komplett irritiert. In diesem Sinne: Ein Sonntag Pause tut auch mal ganz gut.