Tatort "Die Wahrheit" aus München: Schöner scheitern

Tatort "Die Wahrheit": Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) verzweifeln an ihrem Fall. ©BR/X Filme/Hagen Keller.
Vor drei Jahren ist in München ein Mann auf offener Straße erstochen worden, vor den Augen seiner Frau. Trotz eines immensen Fahndungs-Aufwandes ist der Täter im sogenannten "Isar-Mord" bis heute nicht gefasst. Diese Geschichte erzählt nun auch, nur wenig verfremdet, der neue München-Tatort "Die Wahrheit".
Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) suchen in "Die Wahrheit" zunächst fieberhaft, dann immer resignierter den Mörder von Ben Schröder. Der Familienvater wollte einem vermeintlich Betrunkenen helfen, der sticht mehrfach auf ihn ein und flüchtet dann unerkannt. Die Zeugenaussagen sind kaum hilfreich, ein erkennbares Motiv oder Verbindungen zum Opfer gibt es nicht. Einzige Spur ist die Täter-DNA auf einem Taschentuch, Leitmayr startet als Soko-Chef eine riesige Suchaktion im Umfeld des Tatortes – ohne Erfolg. Batic ist währenddessen mit sich selbst und seinen Panik-Attacken beschäftigt, außerdem kümmert er sich noch ein wenig zu intensiv um die Witwe (Luka Omoto) und den Sohn (Leo Schöne) des Opfers.
Die mehr oder weniger würdig ergrauten Kommissare stehen ratlos vor diesem Fall, sie agieren hilflos wie selten und klammern sich an kleinste Spuren. Mit Ihnen der Zuschauer: Es wird kein überschaubares Figuren-Kabinett präsentiert, in dem sich zunächst ein falscher Verdächtiger und schließlich ein Täter finden lässt. Es kann ganz München gewesen sein. Fallanalytikerin Christine Lerch (Lisa Wagner) vermutet einen Narzissten hinter dem Mord, der aus purer Blutlust getötet hat, Ben Schröder wäre demnach ein zufälliges Opfer.
Die Hilflosigkeit bringt Batic und Leitmayr an den Rand ihrer Belastbarkeit und ihrer Freundschaft, ist aber wesentlich näher an der Polizei-Realität als die 99%-Aufklärungs-Quote der sonstigen Tatorte. Beim Versöhnungs-Besäufnis lassen die alternden Junggesellen ihr Leben und die darin wichtigen Personen an sich vorbeiziehen: "Lisa?"- "Die ist tot."- "Anne?"-"Auch tot." – "Und wie geht es wohl Carlo?"
Es herrscht eine merkwürdige Endzeitstimmung in diesem Münchener Tatort, die vom Fatalismus der Kommissare genährt wird. Christine Lerch packt ihre Koffer, Chef Maurer (Jürgen Tonkel) will Leitmayr an dem Fall zugrunde gehen lassen. (Doch keine Angst, zwei weitere Fälle sind schon abgedreht, Batic und Leitmayr bleiben uns erhalten.) Gerade wegen der Tristesse und Hoffnungslosigkeit sticht "Die Wahrheit" heraus. Die montägliche Diskussion im Stile von "Wie viele Mörder laufen wirklich frei herum?" oder "Darf ein Tatort so enden?" ist quasi vorprogrammiert.
Ein Tipp für alle Tatort-Twitterer: Die Münchener Polizei begleitet diesen Tatort auf ihrem Account @PolizeiMuenchen!