Tatort "Echolot" aus Bremen: Siri unchained
Tatort "Echolot": Stedefreund (Oliver Mommsen) und Lürsen (Sabine Postel) begegnet das Mordopfer auf dem Bildschirm immer wieder. © Radio Bremen/Christine Schroeder
Wenn ein Tatort Teil einer ARD-Themenwoche wird, ist in der Regel Vorsicht angesagt. Meistens müssen moraltriefende Fälle mit einem mühsam konstruierten Bezug zum Oberthema herhalten. Dass es dieses Jahr den Bremer Tatort erwischt hat, ist schade, denn Lürsen und Stedefreund gehören seit Jahren zu den am meisten unterschätzten Ermittlern der Reihe. In "Echolot" müssen die beiden durch eine abstruse Handlung stolpern und unter lauter Start-up-Hipstern die Analog-Deppen geben.
Es beginnt noch recht traditionell, eine junge Frau ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Vanessa Arnold (Adina Vetter) war Mitbegründerin eines Start-ups und arbeitete gemeinsam mit Paul Beck (Christoph Schechinger) und Kai Simon (Lasse Myhr) an einer künstlichen Intelligenz. Ex-Mann David (Matthias Lier), Vater von Vanessas Tochter Lilly, hockt im Silicon Valley und steuert von dort aus den anstehenden Lauch der Software.
Das Produkt der Firma heißt "Nessa" und ist ein genaues Abbild der ermordeten Chefin. Vanessa Arnold wurde gefilmt, ihre Stimme aufgezeichnet, um dem Produkt ein Gesicht zu geben. Nun ist die Tote auf Tablets und Screens omnipräsent, im Hintergrund analysiert die Software alle Tätigkeiten und Äußerungen des Gegenübers, um "Nessa" nahezu menschlich reagieren zu lassen. Die Siri-Variante lernt schnell dazu und hat per Code einen eignen Willen eingepflegt bekommen. Ohne die echte Vanessa ist das perfekte Abbild, das sogar die eigene Mutter täuschen konnte, jedoch nur halb so beeindruckend.
Ein Code-Haufen als wichtigster Zeuge
Das Problem: "Nessa" weiß als Einzige, wer die Software im Unfall-Auto so manipuliert hat, dass Vanessa Arnold starb. Inga Lürsen (Sabine Postel ) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) kommen bei den beiden Chefs der Firma nicht weiter, die Nerven liegen blank. Die Kommissare holen IT-Spezialistin Linda Selb (Luise Wolfram) hinzu, sehr zur Freude von Stedefreund.
Selb gräbt sich durch die Codes, die Start-up-Nerds haben schließlich irgendwas zu vertuschen. Und siehe da: Programmierer und Aushilfs-Papa Paul flüchtet sich via Virtual Reality-Brille in seine Traumwelt, in der er mit der unerreichbaren Vanessa im Bett landete. "Nessa" ist da weniger wählerisch. Kai nutzt das Programm heimlich für dunkle Porno-Geschäfte in Nowosibirsk, und das gesamte Team hatte kurz vor ihrem Tod einen erbitterten Streit mit Vanessa.
Das Viertel der Tatort-Zuschauer, die zur Zielgruppe 14-49 gehören, wird der Handlung eventuell etwas Mühe folgen können. Der betagtere Großteil, der sich gerade vom Nachwuchs WhatsApp hat installieren lassen, dürfte aufgeschmissen sein. Auch Lürsen und Stedefreund stehen staunend vor den Bildschirmen und ermitteln weitgehend analog. "Endlich normale Polizeiarbeit" konstatiert Stedefreund, als es mal aus der Cloud in die Realität geht. Warum? Eigentlich sind die Bremer Kommissare im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen in der Regel auf der Höhe der Zeit. Dieser Auftritt hingegen ist Figuren und Schauspielern nicht würdig.
Aus Bremen gab es zuletzt viele gute Tatorte, " Echolot" gehört nur bedingt dazu. Die Kommissare sind auch hier gut gespielt, haben aber in dem abgehobenen Fall kaum eine Chance. Außerdem triefen die Start-up-Nerds und ihr Umfeld vor Klischees. Zumal erst vor wenigen Wochen die Stuttgarter in einer ähnlichen Geschichte ermittelt haben. Das Positive: Eine Themenwoche gibt es nur einmal im Jahr…