"Wendehammer": Ein halber guter Tatort aus Frankfurt

Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) haben es im Tatort "Wendehammer" nicht nur im Büro mit komischen Vögeln zu tun. © HR/Degeto/Bettina Müller
Am Tatort Frankfurt ist man schon einen Schritt weiter als in Berlin: Nachdem die Vorgeschichten von Paul Brix und Anna Janneke abgearbeitet sind, können sich die Ermittler in ihrem vierten Fall nun ganz dem auf dessen Aufklärung konzentrieren. Und Konzentration ist nötig, denn "Wendehammer" gerät zum Ende hin gewaltig aus dem Ruder.
Aber von Beginn an: In einem Wohngebiet meldet eine krimi-schreibende ältere Dame (Cornelia Froboess) ihren Nachbarn Herrn Abendroth (Joachim Bißmeier) als vermisst. Für sie ist die Sache klar: Nils Engels (Jan Krauter) hat ihren Rommé-Partner ermordet, genau wie diverse Katzen und Hunde aus der Nachbarschaft. Der scheue IT-Spezialist hat das angrenzende Haus seiner Oma geerbt und es in einen lückenlos überwachten Hochsicherheits-Trakt verwandelt, inklusive Kameras und Elektro-Zaun.
Paul Brix (Wolfram Koch) und Anna Janneke (Margarita Broich), die gerade nichts Wichtigeres als Aufräumen und Bleistifte anspitzen zu tun haben, nehmen sich der Sache an. Die drei Hauptakteure leben direkt nebeneinander an einem Wendehammer und haben eine lange Tradition des Nachbarschafts-Streites. Außerdem wohnen dort noch Familie Vogt (Lisa Hagmeister, Christoph Luser) und Opern-Diva Olga (Susanne Schäfer).
Es hätte eine gute Groteske werden können
In diesem Stadium könnte der Frankfurter Tatort genial werden: Schwelende Konflikte latent durchgeknallter Spießer, die auf engstem Raum zusammengewürfelt wurden. Das Ganze stets am Rande der Groteske, die man beim Hessischen Rundfunk ja fast perfekt beherrscht.
Doch dann, etwa zur Halbzeit, gerät "Wendehammer" leider komplett aus dem Ruder. Ein tragisches Opfer, das im bis dahin ironischen Tonfall einen bitteren Beigeschmack bekommt und diverse abstruse Wendungen lassen den Tatort leider viel zu beliebig werden. Wo bis dahin viel Liebe zum Detail zu sehen war, nehmen nun hingeklatschte Verallgemeinerungen und platte Konstrukte deren Platz ein, die sogar Lena Odenthal peinlich wären.
Big Data war gestern, Massive Data ist angesagt
Im namensgebenden Wendehammer schwelen nämlich nicht nur diverse Kleinkriege, sondern Nerd Nils kann alle Funktionen der Welt steuern. Oder, wie Geschäftspartner Daniel (Constantin von Jascheroff) es ausdrückt: "Da läuft doch alles zusammen. Massive Data, Google, Apple, Amazon, Samsung, Facebook, you name it!" Big Data war gestern, im Omi-Haus mit Kuckucks-Uhr arbeitet man schon an Massive Data. Nach Stuttgart und Bremen nun der dritte Tatort, der auf die "Gefahren" von Vernetzung hinweisen möchte, das komplexe Thema aber bis zur Unkenntlich herunterbricht, bis es in die Wohnzimmer der Tatort-Zuseherschaft passt.
Brix und Janneke stolpern ähnlich verwirrt durch die Geschichte von " Wendehammer" wie wir als Zuschauer. Gerade hatte man sich an die Figuren gewöhnt und deren Potential erkannt, müssen die beiden in der zweiten Hälfte gegen eine komplett bescheuerte Story anspielen. Die gute Idee und der starke Beginn wird leider nahezu weggeworfen und kann sich nach 90 Minuten nicht einmal zu einem richtigen Ende durchringen. Es muss nochmal einer draufgesetzt werden. Eine vertane Chance, ein Tatort, den man sich besser erspart. Schade.