Mercedes-AMG Safety-Cars

Bernd Mayländer führte mit allen Fahrzeugen schon mal Formel 1-Rennen an. Für uns pickt er die 5 interessantesten AMG Safety-Cars heraus und plaudert ein bisschen aus der Cockpit-Perspektive.
Sein eigenes Auto über die Mattscheibe flimmern sehen? Zur besten Sendezeit? Das passiert wohl nur wenigen. Bernd Mayländer zählt dazu. Mayländer, Rennfahrer und Schwabe aus Leidenschaft, sitzt vor dem Fernseher, als sein Dienstwagen das Feld der Formel-1-Rennwagen anführt. 1996 war das. Sein damaliger Arbeitgeber AMG hatte einige Tage vorher Mayländers noch frischen C36 Dienstwagen eingezogen, da Mercedes ab sofort die Safety-Cars für die Rennserie stellte. "Sogar mein Kennzeichen war noch dran, S-BM 300, daran kann ich mich noch ganz genau erinnern", erinnert sich der mittlerweile 44-Jährige.
Mayländers Dienstwagen wird erstes Safety-Car
Dabei klingt er ein wenig so, als habe er AMG dieses Manöver immer noch nicht ganz verziehen, zumal als Ersatz eine weitaus schwächere, serienmäßige E-Klasse herhalten musste. "Na ja, ich hab dann bald einen neuen C36 bekommen", sagt Mayländer. Und als er sich in den engen Schalensitz mit der seltsamen Gurtführung des CLK 55 AMG zwängt, springt sofort die organische Zeitmaschine zwischen den Ohren an, spult zurück auf das Ende der 90er-Jahre. "Meine Güte, dass man damit schnell fahren konnte! Dieses riesige Lenkrad!", ruft Mayländer, dreht aber trotzdem schon am Zündschlüssel, lässt den 5,4-Liter-V8-Motor (ja, schon damals rundete AMG großzügig auf) im Leerlauf donnern.
Das Coupé kam ab 1997 zum Einsatz, und das ohne sich wesentlich von einem Straßenfahrzeug zu unterscheiden - abgesehen vom Christbaum natürlich, der je nach Farbe den Status des Safety-Cars verdeutlicht. Oranges Blinklicht bedeutet: absolutes Überholverbot. Sollte sich das Safety-Car mitten im Feld einreihen müssen, gehen die grünen Leuchten an und signalisieren den hinterherfahrenden Formel-1-Fliegern, dass sie vorbeidürfen.
Und wenn sich das gesamte Feld hinter dem Safety-Car gesammelt hat, muss Mayländer aufs Gas latschen - und zwar ordentlich. "Natürlich sieht das im Fernsehen verglichen mit dem eigentlichen Rennen langsamer aus, aber da die Reifen der Rennwagen auf Temperatur bleiben müssen, darf das Tempo nicht zu weit absinken", erklärt er. Daher bewegt sich das Safety-Car oft am Limit, das beim CLK 55 natürlich weitaus niedriger liegt als beim aktuellen GT S.
Mit diesem Youngtimer im Renntempo über die heißesten Pisten dieser Welt? Meine Güte. Allein die gute, alte Ritsch-Ratsch-Schaltkulisse der Fünfgangautomatik torpediert sämtliche Ambitionen auf eine ordentliche Rundenzeit bereits in der Boxengasse. "Ha, da musch halt von Hand schalte", kommentiert Mayländer trocken. Na, das bleibt dem CLK heute dann doch erspart, es bleibt bei ein paar gemütlichen Runden.
Dabei erzählt das Coupé mit seiner gar nicht mal so zimperlichen Fahrwerksabstimmung und dem donnernden Klang des 347 PS starken Triebwerks, dass es sich nicht kampflos Jacques Villeneuve, Michael Schumacher, Mika Häkkinen, David Coulthard und dem Rest der Truppe ergeben, sondern sie mit Würde durch die faden Phasen wie beim Regenrennen von Spa führen wollte. Mayländer saß damals übrigens noch nicht am Steuer, denn sein neuer Job als Safety-Car-Fahrer ließ nach der Zwangsrekrutierung seines Dienstwagens noch eine Weile auf sich warten. Bernd tobte zunächst noch in der DTM, dann in der FIA Langstrecken-WM über die Rennstrecken Europas.
CL55 wird erstes Mayländer Safety-Car
"Erst 1999 hat mich Domingos Piedade, der damalige AMG-Geschäftsführer, beim Großen Preis von San Marino angesprochen, ob ich nicht in der Formel 3000 das Safety-Car fahren könnte", erzählt der Rennfahrer. Und als im darauffolgenden Jahr Oliver Gavin lieber seine Karriere in den USA weiterverfolgen wollte, als im silbernen Mercedes-AMG auf seinen Einsatz in der Formel 1 zu warten, übernahm Mayländer auch dessen Job.
Ach ja, CLK 55 fuhr er dann doch noch: "Ich bekam einen als Dienstwagen", sagt der Schwabe und grinst. Als Safety-Car diente in dieser Zeit übrigens ein CL 55, unter anderem hier in Hockenheim, als sich in Runde 24 ein Zuschauer Zutritt zur Strecke verschaffte, und später, als Jean Alesi im Peugeot mit Pedro Diniz im Sauber kollidierte. Im opulenten S-Klasse-Coupé - das hieß damals noch CL - der Baureihe 221 rutsche Mayländer dabei sogar auf den serienmäßigen Ledersesseln herum. "Die Modifikationen waren überschaubar. Wir hatten sogar nur ein Handfunkgerät, und am Ende des Rennens ist das Auto auf eigener Achse nach Hause gefahren worden", erzählt er.
Schnitt. Wildes Gebrüll hallt im Motodrom, metallisch, ein bisschen scheppernd sogar, wüst. Sackt die Drehzahl ab, etwa in der Sachskurve, brodelt und gurgelt der Achtzylinder-Saugmotor, laut, unruhig. Bereits beim Anbremsen will sich die Hinterachse von der Pflicht unerschütterlicher Traktion befreien, jetzt, beim Herausbeschleunigen erst recht. Das Wissen um den kurzen Radstand zügelt den Appetit auf Leistungsübersteuern jedoch arg – zu hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines Drehers mit dem wohl einzigartigen Mercedes SLK.
Wie bitte? Jenes Roadsterchen etwa, dessen damals so spektakuläre Hardtop-Akrobatik für feuchte Seidenlaken in den Yuppie-Apartments zwischen Hamburg und München sorgte? Genau der. Zwischen 2004 und 2005 durfte die Formel 1 seine Bühne sein, nach dem CLK 55 (C209) und dem SL 55 Kompressor.
SLK-Safety-Car ohne Schalldämpfer
Gerade im Vergleich zum 500 PS starken SL vermisst Mayländer beim SLK natürlich die Leistung: "Doch er war leicht. Und sehr agil. Ein richtig kleines Spielmobil". Allerdings. Und eines, dem neben dem etwas bräsigen Fahrverhalten des Serienmodells noch etwas fehlte: sämtliche Schalldämpfer in der Abgasanlage. Damit mutiert der Zweisitzer zu ... ja, zu was eigentlich? Zu Kommissar Bienzle auf Ecstasy? Wie auch immer: So direkt, so giftig, so wütend arbeitete sich selbst der Serien-SLK-AMG nicht an einer Rennstrecke ab, derart unfassbar brüllend sowieso nicht.
Eine richtig kleine Wildsau haben sie dem Mayländer damals gebaut, der es heute sehr bedauert, dass der SLK nur zwei Jahre im Dienst war - einerseits. Andererseits: "Danach kam erst der CLK, dann der SL mit dem neuen 6,2-Liter-V8. Vor allem der SL bekam ziemlich viele Modifikationen hinsichtlich der Kühlung von Bremsen, Motor und Hinterachsdifferenzial - und obendrein erstmals das MCT-Getriebe mit Zwischengasfunktion", erzählt der Rennfahrer mit kaum zu verbergender Begeisterung.
Nun heult der SL bereits aufgeregt mit seinem Differenzialkühler, die Blitzer in den Scheinwerfern und Rückleuchten zucken. Also die Vierpunktgurte stramm ziehen, raus auf die Strecke, die Ameisenkurve anbremsen, rauf aufs Gas, das Heck zuckt leicht. Selbst auf dem wettbewerbsmäßig topfebenen Belag wird schnell klar, das vom Federungskomfort der Basis in etwa so viel übrig blieb wie von einer Packung Kekse in den Händen des Krümelmonsters.
Mit ähnlicher Gier wütet das 525 PS starke Triebwerk, 7.000/min und mehr, na klar. Auf den Punkt lässt sich der um 220 Kilogramm erleichterte, mit 1,7 Tonnen aber noch immer moppelige Zweisitzer am Ende der Querspange und vor der Sachskurve zusammenbremsen, untermalt von Zwischengas-Salutschüssen.
SLS mit Flügeltüren-Showeffekt
Das dritte der versammelten Safety-Cars spielt, wie die beiden anderen auch, seine ganz eigene Vorstellung. Es gibt eher den wütenden Zehnkämpfer als den kämpfenden Wüterich wie der SLK, vom im Vergleich dazu standesbeamtig-seriösen Auftritt des CLK ganz zu schweigen. Ab 2010 kommt noch mehr Dramatik ins Spiel, der erste AMG-eigene Sportwagen übernimmt. Der SLS wiegt nochmals weniger als der SL, der V8 leistet 571 PS - und doch war auf einmal alles ganz anders. "Da brauchtest du nicht mehr viel verändern. Schalensitze rein, Lichtanlage drauf, das war’s im Prinzip. Ein echter Sportwagen, wirklich", sagt Mayländer.
Zum Treffen in Hockenheim kommt allerdings die GT-Evolutionsstufe vorbei, 591 PS stark, mit überarbeitetem Fahrwerk, den effekthaschenden Flügeltüren, natürlich, aber ohne den tollwütigen Klang des alten SLK - was Bernd Mayländer gar nicht mal so sehr bedauert: "Mal abgesehen davon, dass die ja auch nicht schlecht klingen, konnte dir der SLK irgendwann auch ganz schon auf die Nerven gehen."
Apropos: Geht das Safety-Car den Formel-1-Piloten auf die Nerven? "Das mag sein, speziell wenn sich einige Piloten einen großen Vorsprung auf ihren Verfolger herausgearbeitet haben. Wir verstehen uns allerdings gut, die wissen schon, dass ich nicht antrete, um sie zu ärgern", plaudert Mayländer, der sich einst zusammen mit den Vätern von Max Verstappen und Nico Rosberg auf der Rennstrecke balgte.
AMG GT S erstmals mit Turbo-Power
Heute muss er sich dagegen nicht mehr völlig verausgaben. "Mit dem SLS und erst recht mit dem GT S kannst du etwas unterhalb des Limits bleiben, ohne dass die Formel-1-Autos leiden müssen. Das Potenzial der AMG ist schon enorm." Sicher, der GT S leistet 510 statt 597 PS wie sein Vorgänger, dafür pusten die beiden Turbolader des Vierliter-V8 mit einer Intensität, von der Märchen-Wölfe mit Zerstörungswut nur träumen können.
Zudem zählt der GT S aufgrund der aktiven Motor- und Getriebelager sowie der ausgewogenen Gewichtsbalance zu den wohl treffsichersten Geschossen im Sportwagensegment. Einlenken? Ein kurzes Zucken am Lenkrad genügt, und der massige Vorderwagen biegt rechtwinklig ab - immer wieder gewöhnungsbedürftig, aber auch immer wieder begeisternd, ebenso wie die bierernste Traktion des Hecktrieblers. Ach ja, und der Klang? Tief, dreckig, böse, denn beim Safety-Car stehen die Klappen der Abgasanlage immer auf Sturm.
Innen sieht’s dann aber doch etwas anders aus. Vor allem die beiden Tablet-Computer fallen auf. Sie übertragen das internationale TV-Signal und eine Streckenanimation, damit Beifahrer Peter Tibbets das Feld im Blick behalten kann. Und wenn Mayländer dort nun seinen aktuellen Dienstwagen fahren sähe, einen CLS 63 Shooting Brake übrigens, dann liefe etwas verkehrt. Ganz verkehrt.