50 Jahre Mondlandung
Vor 50 Jahren landeten erstmals Menschen auf dem Mond. Für mehr Reichweite vor Ort brachten sie später aberwitzig teure Autos mit.
Die Metallgitter-Reifen wirbeln kleine Staubwolken auf, während mit dem Lunar Roving Vehicle (LRV) erstmals ein von Menschen geschaffenes Auto über die Mondoberfläche fährt. Nachdem am 21. Juli 1969 mit Neil Armstrong zum ersten Mal ein Mensch den Mond betreten hatte, gab es dort zwei Jahre später bereits Verkehr. Am 30. Juli 1971 landete die amerikanische Mondmission Apollo 15 auf dem Erdtrabanten, am nächsten Morgen packte sie innerhalb von 20 Minuten das mitgebrachte zusammengeklappte Fahrzeug aus: Sie entfernten die Seile, die die per Federn vorgespannte Konstruktion zusammenhielten. Beim Aufbau war klar: Die Vorderachslenkung des Mondautos ist so stark beschädigt, dass sie nicht funktionieren wird. Kein Problem – schließlich hatte Mondauto-Chefentwickler Ferenc Pavlics das Fahrzeug mit einer Allradlenkung ausgelegt.
Der heute 91-jährige aus Ungarn stammende Ingenieur Ferenc Pavlics ersann für die Nasa (National Aeronautics and Space Administration) viele Teile des Lunar Roving Vehicle. Einer seiner wichtigsten Mitarbeiter war dabei der deutsch-baltische Ingenieur Georg von Tiesenhausen, der in Deutschland bereits an der V2-Rakete mitgearbeitet hatte. Mit Wernher von Braun holte ihn sein ehemaliger Chef zur Nasa, schließlich war von Braun vor seiner Zeit bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde technischer Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf Usedom – also dort, wo die V2 entwickelt wurde. In den USA verlor er die Lust am Entwickeln von Waffen. Bereits 1959 legte er sein Konzept für ein Mondfahrzeug vor. Damals waren seine Vorgesetzten entsetzt – zehn Jahre später kam dieses Konzept, in weiten Teilen unverändert, bei der Entwicklung des Mondautos zum Einsatz. Georg von Tiesenhausen starb 2018 im Alter von 104 Jahren in Huntsville im US-Bundesstaat Alabama.
Metallgitter-Reifen
Die vielleicht wichtigsten vier Teile des Mondautos sind seine mit einem elastischen Metallgitter bereiften Räder – und diese kamen maßgeblich vom Reifenspezialisten Pavlics. Der Ingenieur für Mechanik hatte in Budapest studiert war nach dem Ungarischen Volksaufstand 1956 über mehrere Stationen in die USA geflüchtet. Kein Englisch sprechend wohnte er in einem Flüchtlingscamp und arbeitete als Straßenkehrer im US-Bundesstaat New Jersey. Ein Mitarbeiter von General Motors besuchte das Camp, um dringend benötigte Ingenieure zu finden. Er heuerte vom Fleck weg fünf ungarische Ingenieure an – darunter Pavlics. Der lernte Englisch, arbeitete sich bei GM hoch bis er in einem Labor Boden-Reifen-Wechselbeziehungen untersuchte. Als ihn GM dann in seine GM-Forschungsabteilung im kalifornischen Santa Barbara versetzte, trat die Nasa mit ihrem Mondauto-Projekt an ihn heran.
Die Gitterreifen bestanden aus einem verzinktem Stahldraht-Gitter und hatten einen Durchmesser von 81 Zentimetern. Damit sie sich nicht zu stark verbiegen, stützt sie eine steife Struktur von innen. Für einen besseren Grip im weichen Mondsand sind die Gitter mit V-förmig angeordneten Titanblechen versehen. Diese Konstruktion erwies sich als gut geeignet für den Mond – bei allen drei im Laufe der Jahre eingesetzten LRV gab es nie Probleme mit den Reifen. Die erste Tour führte zum sogenannten Ellenbogen der Hadley-Rille, einer bis zu 1,5 Kilometer breiten sowie zwischen 180 und 270 Meter tiefen Rille auf der Vorderseite des Mondes. Zu weit durften sich die Astronauten nicht von ihrem Landepunkt entfernen – die Vorschriften sahen vor, dass sie den Rückweg zur Mondfähre mit ihren Sauerstoffvorräten und Energiereserven auch zu Fuß schaffen mussten. Das LRV sparte also Zeit und half beim Transport von schweren Messgeräten und Mond-Gesteinsproben, musste aber im Falle einer Panne verzichtbar sein.
Extrem hohe Zuladung
Das Lunar Roving Vehicle ist 3,1 Meter lang und hat einen Radstand von 2,3 Metern bei einer ordentlichen Bodenfreiheit in Höhe von 36 Zentimetern. Das Packmaß im zusammengefalteten Zustand beträgt nur handliche 1,7 mal 1,5 mal 0,9 Meter. Da das Mondauto keine schützende Karosserie trägt und zum größten Teil aus Aluminium besteht, wiegt es nur 210 Kilogramm. Die mögliche Zuladung auf dem Mond ist mit 490 Kilogramm mehr als doppelt so hoch – 353 Kilogramm verbrauchten davon bei Apollo 15 allerdings schon die beiden Astronauten mit ihrer schweren Überlebens-Ausrüstung. Die verbliebenen 137 Kilogramm nahmen Kommunikationsgeräte, wissenschaftliche Ausrüstung und auf der Rücktour auch Gesteinsproben in Anspruch.
Für den Antrieb war beim LRV ein Elektromotor pro Rad zuständig – jeder Motor leistete 180 Watt (0,24 PS) und leitete seine Momente über ein Harmonic Drive genanntes Wellengetriebe mit einer Untersetzung von 80 zu eins an das entsprechende Rad weiter. Diese besonders steife und für hohe Über- oder Untersetzungen geeignete Getriebe hatte der Erfinder Walton Musser in den 1950ern für die Nasa entwickelt und 1957 patentieren lassen (Patentnummer US2,906,143A). Musser galt als Multitalent, in seiner Karriere hat er über 250 Erfindungen und Entwicklungen gemacht, darunter ein rückstoßfreies Gewehr für die Streitkräfte. Seine Energie bezog das Mondauto von zwei 36-Volt-Silberoxid-Zink-Batterien. Die kamen von Varta, hatten eine Gesamtkapazität von 121 Amperestunden und waren nicht wiederaufladbar. Die Energie reichte für eine Strecke von maximal 92 Kilometern, danach war das Einmal-Auto nicht mehr für Fortbewegungszwecke zu gebrauchen. Als Höchstgeschwindigkeit gab die Nasa 13 km/h an, Astronaut Eugene Cernan schaffte allerdings 18 km/h und hält damit den inoffiziellen Geschwindigkeitsrekord auf dem Mond.
Hüpfende Fortbewegung
Die Astronauten lenkten das Mondauto per Joystick – dieser war mittig positioniert und somit von beiden Insassen erreichbar. Die Steuerbefehle gingen an je einen 72-Watt-Lenkmotor pro Achse. Bei seiner ersten Tour zur Hadley-Rille hüpfte das Auto häufig, oft hatte nur ein Rad Bodenkontakt – schließlich beträgt die Anziehungskraft auf dem Mond nur ein Sechstel der Erdanziehung. Für die Navigation gab es ein Kreiselinstrument (Gyroskop) und einen Kilometerzähler. Außerdem war für die manuelle Navigation ein Sonnenschatten-Gerät an Bord. Die Instrumenten- und Bedienkonsole des LRV sah aus wie aus einem Flugzeug-Cockpit entnommen.
Zwei Kameras zeichneten die Umgebung des LRV auf, eine war von der Erde aus ferngesteuert. Besonders auffällig war die Richtantenne mit schirmförmigem Reflektor an der Front des Autos – mangels einer nennenswerten Mondatmosphäre gab es keinen „ Luftwiderstand“ zu überwinden, womit die Antenne frei und aufrecht stehen konnte. Die Astronauten richteten die für die Fernsehbildübertragung zuständige Antenne mithilfe eines optischen Visiers auf die Erde aus, während der Fahrt übertrug sie keine Bilder. Am Ende der Mission blieb das LRV auf dem Mond zurück und sollte den Start der Mondfähre zur Erde übertragen – was aber nur teilweise funktionierte. Das von Apollo 15 mitgebrachte LRV rückte dreimal zu Erkundungsmissionen aus und brachte insgesamt 76,8 Kilogramm an Gesteinsproben mit.
Erste Auto-Reparatur außerhalb der Erde./strong>
Im April 1972 führte Apollo 16 ein neues Mondauto mit, das drei große Ausfahrten machte – dieses Mal versagte die Hinterachslenkung des ansonsten bewährten Gefährts. Bei der zweiten Tour nahmen die Astronauten mit einem Bohrer Gesteinsproben aus drei Metern Tiefe. Auch das zweite LRV sollte den Start der Mondfähre zur Erde übertragen, was besser als beim ersten Mal aber immer noch nicht gut gelang. Im Dezember 1972 kam mit Apollo 17 das dritte LRV auf den Mond. Erstmals funktionierte die Lenkung beider Achsen, allerdings beschädigte ein Astronaut versehentlich die rechte hintere Radabdeckung mit einem Hammer. Da der während der Fahrt aufgewirbelte Staub die Sicht stark behinderte, reparierten die Astronauten das Schutzblech mit Klebeband, zweckentfremdeten Klammern von der Innenbeleuchtung der Mondfähre und Mondkarten provisorisch. Die Reparatur hielt bis zum Ende der Mission und ist bis heute die einzige Reparatur eines Autos außerhalb der Erde. Insgesamt fuhren die Apollo-17-Astronauten mit ihrem Mondauto 34 Kilometer weit, führten an den Zielen verschiedene Experimente durch und brachten 110,4 Kilogramm Gesteinsproben mit. Auch das dritte Mondauto filmte den Start der Mondfähre – dieses Mal gelang eine perfekte Übertragung der Aufnahmen.
Schon bevor Apollo 15 das erste Mondauto mitbrachte, versuchten die Amerikaner die Arbeit auf dem Mond komfortabler zu gestalten. Deshalb hatte Apollo 14 den MET (Modular Equipment Transporter) dabei. Dies war eine in Eile entwickelte einachsige Zug-Karre, die beim Transport von schweren Lasten helfen sollte. Die Karre ließ sich in hügeligem Gelände nur schwer ziehen und verlangsamte das Vorankommen der Astronauten erheblich – die Nasa nahm von diesem Transportmittel-Flop sofort Abstand.
Alle drei Mondautos noch unbeschädigt vorhanden
Die LRV waren nicht die ersten Fahrzeuge auf dem Mond. Am 17. November 1970 landete der sowjetische Mond-Rover Lunochod 1 auf dem Erdtrabanten. Das wannenförmige Gefährt hatte vier Achsen und wurde von einem fünfköpfigen Team von der Erde aus ferngesteuert. Lunochod 1 fuhr in elf Monaten 10,54 Kilometer weit. Der ferngesteuerte sowjetische Mond-Rover war also noch aktiv, als die Besatzung von Apollo 15 mit dem LRV über den Mond hoppelte. Lunochod 1 überprüfte über 500 Bodenproben und schoss mehr als 20.000 Fotos. Später kamen weitere Rover hinzu, die in letzter Zeit spektakulärste Landung fand Anfang Januar 2019 statt: Die chinesische Sonde Chang'e 4 landete auf der dunklen Seite des Mondes. Über eine Rampe verließ das Fahrzeug Jadehase 2 die Sonde und erkundet seitdem die Umgebung der Landestelle.
Auf dem Mond lagern inzwischen viele vom Menschen geschaffene Objekte, das meiste davon ist Weltraumschrott. Die schwersten Teile sind die fünf Raktenoberstufen des Apolloprogramms. Kleine Objekte sind beispielsweise Golfbälle und Flaggen, die US-Astronauten zum Mond brachten. Insgesamt hat der Mensch inzwischen 190 Tonnen Material zum Mond gebracht und nur 382 Kilogramm Mondgestein zur Erde mitgenommen.
Von den LRV ließ die Nasa insgesamt vier bauen – nach der kostenbedingten Absage weiterer Mondlandemissionen blieb einer als Ersatzteilspender auf der Erde zurück. Für die vier Autos musste die Nasa seinerzeit 38 Millionen Dollar bezahlen, was sie zu den mit Abstand teuersten Autos der Welt machte.
Die drei US-Mondautos stehen nach wie vor unverändert und optisch unbeschädigt an den Plätzen, an denen sie die Astronauten vor über 40 Jahren abgestellt haben.