Adversarial Fashion

Hackerin und Designerin Kate Rose hat die ständige Überwachung per Kamerasysteme in den Großstädten satt. Mit ihrer Nummernschild-Kleidung will sie diese Systeme mit Datenmüll überlasten und so auf ihre Unzuverlässigkeit hinweisen.
Big Brother is watching you! Die staatliche Überwachung der Zivilbevölkerung ist spätestens seit dem 1949 erschienenen Roman „ 1984“ von George Orwell dem einen oder anderen Bürger dieses Planeten ein Dorn im Auge. Heutzutage kommen Systeme zum Einsatz, die nicht nur immer besser programmiert sind, sondern selbst dazulernen und somit immer klüger und besser werden. Sie sorgen dafür, dass zum Beispiel die Polizei auf Wunsch eine gesuchte Person in vielen Großstädten dieser Welt in kürzester Zeit aufspüren und ihren Weg zurückverfolgen kann. Einer Amerikanerin geht das mittlerweile zu weit und möchte vor einem blinden Vertrauen in den „Großen Bruder“ warnen: Hackerin und Designerin Kate Rose.
Auf der diesjährigen DefCon-Cybersicherheits-Konferenz in Las Vegas stellte sie aus diesem Grund eine ganz besondere Modekollektion vor, die Adversarial Fashion-Line. Sie besteht aus enganliegenden Kleidern, Röcken, T-Shirts und Hoodies, auf denen auf den ersten Blick zahllose amerikanische Nummernschilder mit gelber Schrift auf schwarzem Grund zu sehen sind.
Buchstabelsalat mit großer Botschaft
Was von Menschen als Buchstabensalat wahrgenommen und somit für unwichtig, weil falsch, abgestempelt wird, sorgt bei Nummernschild-Lese-Systemen für Datenmüll. Und genau das Kates Ziel. „Es ist ein hochinvasives Massenüberwachungssystem, das jeden Teil unseres Lebens erfasst und Tausende von Schildern pro Minute sammelt. Aber wenn es sich von Stoff täuschen lässt, sollten wir dieses System vielleicht nochmal überdenken“, erklärt sie und warnt zugleich vor einer totalen Computerüberwachung.
Beim genaueren Hinsehen fällt übrigens auf, dass dieser Buchstabensalat durchaus Sinn ergibt. Es sind die Worte aus dem vierten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten. Übersetzt hieße das: „Das Recht des Volkes auf Sicherheit der Person und der Wohnung, der Urkunden und des Eigentums vor willkürlicher Durchsuchung, Festnahme und Beschlagnahme darf nicht verletzt werden, und Haussuchungs- und Haftbefehle dürfen nur bei Vorliegen eines eidlich oder eidesstattlich erhärteten Rechtsgrundes ausgestellt werden und müssen die zu durchsuchende Örtlichkeit und die in Gewahrsam zu nehmenden Personen oder Gegenstände genau bezeichnen.“
Ein Italiener machte 1988 den Anfang
Die ganze Aktion von Kate Rose erinnert in gewisser Weise an ein über 30 Jahre zurückliegendes Experiment, das in der italienischen Hafenstadt Neapel stattgefunden hat. Italien führte zu der Zeit, genauer gesagt am 26. April 1988 in Italien die Anschnallpflicht ein. Für viele Italiener ein Ding der Unmöglichkeit. Für den Psychiater Carlo Ciaravolo ein perfekter Nährboden für seine Forschung. Er wollte zeigen, dass, sobald ein neues Gesetzt in Neapel verabschiedet wird, noch am selben Tag alles versucht wird, dieses Gesetz zu umgehen.
Aus diesem Grund ließ er 100 weiße T-Shirts mit einem quer von oben links nach unten rechts verlaufenden schwarzen Balken bedrucken. Aus der Ferne wurde so der Anschein erweckt, als wäre der Fahrer angeschnallt. Beifahrer gingen bei der Kollektion leer aus, hätten sie ja ein T-Shirt mit einem schwarzen Balken von oben rechts nach unten links benötigt. Als wenn das pure Erstellen der T-Shirts nicht schon ausreichen würde, hat er sein Geheimprojekt mit einem Slogan garniert: „Non stringe, non stinge, non serve, ma finge!“ Frei übersetzt bedeutet dies: „Es beengt nicht, verblasst nicht, aber tut so, als ob“. Die durchnummerierten 100 T-Shirts bot er am 26. April 1988 auf einem Markt zum Verkauf an – ohne sie allerdings tatsächlich zu verkaufen.
Das Resultat waren zahllose Berichte in den italienischen Medien wie Tageszeitungen, Tagesschauen und Co., die kurioser Weise sehr kritisch darüber berichteten, dass jede Menge von diesen Shirts verkauft worden sein. Aktuell sind genau solche T-Shirts immer noch zu kaufen. Doch sind sie selbstverständlich nachgemachte Massen-Shirts. Die nummerierten Shirts von Carlo Ciaravolo finden sich allerhöchstens noch in Museen.