„Wir wollen Audi wieder ganz nach vorne bringen“

"Entwicklungsgeschwindigkeit, Entscheidungsgeschwindigkeit und der Mut, auch nachzukorrigieren, sind die entscheidenden Faktoren im Wettbewerb." betont Audi-Chef Gernot Döllner (links) im Interview.
Audi stellt sich neu auf: Chef Gernot Döllner spricht über radikale Veränderungen, den mutigen Design-Umbruch mit dem Concept C und den Angriff in der Formel 1. Sein Ziel ist klar: Audi soll wieder ganz nach vorne.
Sie sind seit zwei Jahren bei Audi und haben eine umfassende Agenda angestoßen, die fast alle Bereiche des Unternehmens betrifft. Was ist Ihr persönlicher Anspruch, Ihre Aussicht?
Gernot Döllner: Wir haben vor zwei Jahren begonnen, Audi mit einem Transformations- und Strategieprogramm zukunftsfähig aufzustellen – mit gezielten Handlungsfeldern. Wir haben eine Modelloffensive gestartet und zahlreiche spannende Autos auf den Markt gebracht. Parallel dazu haben wir die Weiterentwicklung der Organisation vorangetrieben. Das hat zu einer deutlichen Verschlankung der Entscheidungsstrukturen und im Frühjahr zu einer Zukunftsvereinbarung mit Mitbestimmung geführt. Unser Ziel ist es, Audi wieder ganz nach vorne zu bringen und die Marke als progressiven Premiumhersteller weiterzuentwickeln.
Sie haben die Zahl der Meetings massiv reduziert.Ja, wir haben jetzt im Management eine komplette Hierarchieebene weniger, drei statt vier. Es gibt deutlich weniger Gremien – gute Kommunikation muss nicht formalisiert sein, vieles klären wir in kleinen, direkten Runden. In jeder Organisation entsteht irgendwann ein Apparat, der sich selbst stützt – es war an der Zeit, das neu zu justieren.
Audi durchläuft einen echten Change-Prozess.Richtig, wir befinden uns in einem großen Veränderungsprozess. Dafür brauchen wir sehr fokussierte Teams – und möglichst wenig Hierarchie.
Ja. Das gesamte Vorstandsteam steht dahinter, und wir haben die Führungskräfte – insbesondere bei der Produkt- und Entwicklungsorganisation – intensiv eingebunden.
Sie haben vorher bei Porsche gearbeitet. Welche Erfahrungen von Porsche sind für Audi besonders wertvoll? Und was war völlig anders?Audi ist ein ganz anderes Unternehmen – mit einer völlig anderen Dimensionierung, was das Geschäftsmodell betrifft. Wir produzieren in China, Nordamerika und Europa, haben regionenspezifische Produkte und decken mit A- bis D-Segment ein extrem breites Portfolio ab. Das ist eine andere Größenordnung, eine andere Komplexität. Jede Station prägt einen – von Porsche bringe ich vor allem ein Verständnis für Prozesse mit, und dafür, wie man schnelle Entscheidungen organisiert. In großen Firmen neigt man dazu, Dinge unnötig kompliziert zu machen. Wenn ein CEO aber vorlebt, dass nicht immer sechs Leute diskutieren müssen, sondern dass oft zwei reichen, setzt sich das durch.
Der Automarkt ist schwierig. Was ist jetzt die größte Herausforderung?Solange wir unsere Stärken mit Innovationskraft und Geschwindigkeit kombinieren, ist mir nicht bange. Wenn uns das gelingt, wird die deutsche Autoindustrie weiterhin ganz vorne mitspielen.
Geschwindigkeit ist ein Schlüsselthema.Absolut. Entwicklungsgeschwindigkeit, Entscheidungsgeschwindigkeit und der Mut, auch nachzukorrigieren, sind die entscheidenden Faktoren im Wettbewerb.
Nachkorrigieren hat viel mit Feedbackkultur zu tun.Richtig. Feedbackkultur ist essenziell – die Bereitschaft, sich selbst zu hinterfragen, Fehler einzugestehen und Dinge anzupassen, wenn man falsch abgebogen ist.
Sie sind Ingenieur. Können Sie loslassen oder schauen Sie noch ins Detail?Mit meinem Background aus der Konzeptentwicklung wird man das nie ganz los. Bei Audi führen wir alle Diskussionen sehr nah am Produkt. Die Liebe zum Produkt prägt das ganze Team.
Über die Progressive Group verantworten Sie auch Bentley, Lamborghini und Ducati. Was bedeutet das für Audi?Diese Marken sind ein integraler Bestandteil unserer Markengruppe. Wir arbeiten eng zusammen, lernen voneinander und profitieren gegenseitig. Audi liefert Großserien-Synergien und technologische Grundlagen. Strategische Fragen wie Portfolio oder Zykluspläne stimmen wir im Management aller vier Marken gemeinsam ab. Aber die Marken haben ihre eigenen, kundennahen Führungsteams. So stellen wir sicher, dass der Charakter jeder einzelnen Marke unverwechselbar bleibt.
Und Sie sitzen auch noch im Aufsichtsrat des FC Bayern. Macht das Spaß?Absolut! Audi und den FC Bayern verbindet der Anspruch zur Höchstleistung.
Reichen 24 Stunden am Tag für all diese Aufgaben?Mit einer guten Struktur und Begeisterung für das, was man tut – ja, es ist eine Freude.
Mit dem Concept C haben Sie den TT-Nachfolger vorgestellt, der die künftige Formensprache vorgibt. Warum jetzt dieser Umbruch?Mir war von Anfang an klar, dass Design ein Schlüsselthema für Audi ist. Deshalb haben wir den Bereich direkt in den Geschäftsbereich des Vorstandsvorsitzenden eingegliedert. Mit Massimo Frascella als neuem Designchef haben wir eine neue Designphilosophie entwickelt, deren erster Vertreter der Concept C ist.
In der Vergangenheit sahen viele Audi-Modelle von vorne sehr ähnlich aus. Bleibt das so?Wichtig ist: Eine Marke braucht eine klare Identität, und gleichzeitig muss jedes Modell klar unterscheidbar sein. Die Kunst ist es, das über unser großes Portfolio hinweg umzusetzen.
Auch im Innenraum setzen Sie auf Klarheit. Wie vermeiden Sie die "Smartphone-Falle"?Wir haben ein gutes Gleichgewicht gefunden: Technologie ist da, aber nicht dominant. Wir wollen keinen Informationsüberfluss, sondern relevante Informationen in der jeweiligen Fahrsituation. Für uns gibt es kein Wettrüsten um Displays, sondern die richtige Information zur richtigen Zeit – kombiniert mit der typischen Audi-Haptik.
Beim Concept C fährt ein Bildschirm elegant aus der Mittelkonsole. Ist das seriennahe Technik?Für Details ist es noch zu früh – aber den Gedanken bedarfsgerechter Bildschirme werden wir weiterverfolgen.
Was ist bei Audi der größte Bruch mit der Vergangenheit?Wir schaffen Klarheit, die aber keinen Verzicht bedeutet. Wir haben uns auf das Wesentliche fokussiert, Strukturen geordnet, Prioritäten gesetzt. Manche Elemente haben wir sogar verstärkt – und trotzdem wirkt es reduziert.
Das ist auch ein Software-Thema. Welchen Stellenwert wird Software künftig haben?Software bietet die Möglichkeit für neue und zusätzliche Funktionen. Wichtig ist aber auch hier, Komplexität zu reduzieren. Denn genau das erwarten unsere Kunden.
Elektroautos bleiben ein Fokus. Was sind aktuell die größten Herausforderungen?Wir haben schon vor über vier Jahren die 800-Volt-Technologie eingeführt und Schnellladen ins Zentrum gestellt. Das ist das Fundament für den Durchbruch des Elektroautos. Der zweite wichtige Aspekt ist die Effizienz. Sie bleibt dabei der Schlüssel – mit ihr steigen die Reichweiten.
In den USA lockert die Regierung die Emissionsvorschriften. Bedeutet das eine Rückkehr zum Verbrenner?Mit unserem Dreiklang aus Verbrenner, Plug-in-Hybrid und Elektro sind wir flexibel aufgestellt. In den USA sehen wir, dass der Wandel zur Elektromobilität im Moment langsamer vorangeht. Gut, dass wir gerade eine neue Verbrenner-Generation eingeführt haben – damit bleiben wir handlungsfähig.
Gibt es schon konkrete Pläne für ein US-Werk?Wir prüfen aktuell unterschiedliche Möglichkeiten – auch, aber nicht nur vor dem Hintergrund der Zölle. Im Herbst bereiten wir eine Entscheidung vor – noch in diesem Jahr fällt sie.
Wie sehen Sie Audi im Jahr 2030?Als ein Unternehmen, das im Design, in der Qualität und im Innenraumerlebnis einen großen Schritt nach vorn gemacht hat – und das "Vorsprung durch Technik" erlebbar macht.
Audi steigt in die Formel 1 ein. Geben Sie konkrete Ziele vor?Wir haben einen langfristigen, ambitionierten Plan. Für 2030 peilen wir den Titelkampf an. Bis dahin gehen wir Etappe für Etappe. Mit Mattia Binotto und Jonathan Wheatley haben wir ein starkes Führungsduo, mit Nico Hülkenberg und Gabriel Bortoleto zwei passende Fahrer. Wir wissen um die Herausforderung, aber unsere Aufstellung stimmt.
Die Formel 1 bedeutet enorme Investitionen. Sehen Sie technologische Vorteile für die Serie?Eher in den Bereichen Teamwork, Geschwindigkeit und Effizienz. Das neue Reglement ist auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Genau diesen neuen Anforderungen an Effizienz stellen wir uns auch gerade bei unseren Serienfahrzeugen. Das passt also perfekt. Technologien können wir nur in ausgewählten Feldern übertragen, aber die Formel 1 als härtestes Testlabor der Welt ist für uns sehr wertvoll.
Vielen Dank Herr Döllner – und viel Erfolg beim Kampf um den Formel-1-Titel. Außerdem sind wir gespannt, wie der Concept C in Serie geht.