Mercedes droht, als einziger Autobauer zu scheitern
Laut Transport & Environment sind alle Hersteller in Sachen CO₂-Ziele auf Kurs. Nur Mercedes tanzt aus der Reihe. Das sind die Gründe – und wie der Umschwung doch noch gelingen könnte.
Eine aktuelle Analyse des europäischen Forschungs-Konsortiums Transport & Environment (T&E) zeigt, dass Mercedes-Benz der einzige europäische Automobilhersteller ist, der vermutlich nicht die CO₂-Vorgaben für den Zeitraum 2025 bis 2027 erfüllen wird. Den Berechnungen zufolge liegt der schwäbische Autokonzern voraussichtlich zehn Gramm CO₂ pro Kilometer über dem zulässigen Flottendurchschnitt.
Mercedes auf CO₂-Pooling angewiesen
Damit gerät Mercedes gegenüber Wettbewerbern wie BMW, Renault, Stellantis und Volkswagen, die allesamt im Rahmen liegen oder die EU-Vorgaben sogar deutlich unterschreiten, ins Hintertreffen. T&E zufolge sei Mercedes nach aktuellem Stand "der einzige EU-Autohersteller, der die CO₂-Ziele nicht erreichen wird", heißt es in einer Mitteilung. Um Bußgelder zu vermeiden, muss Mercedes laut der Analyse auf ein Pooling-Modell zurückgreifen und Emissionsgutschriften von Volvo Cars oder Polestar erwerben (konkrete Ergebnisse erfahren Sie in der Fotoshow über dem Artikel).
Mercedes droht, die CO₂-Ziele zu verfehlen, obwohl die EU-Kommission den Autobauern eine zweijährige Fristverlängerung für ihre Einhaltung eingeräumt hatte; statt 2025 gilt inzwischen das Zieljahr 2027. Eine Maßnahme, die von der Branche zwar begrüßt, von Kritikern jedoch als Bremsklotz für die Elektromobilität und die Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor gesehen wird.
Bevor die regulatorischen Zugeständnisse ihre Wirkung entfalten, zeichnete sich ein positiver Markttrend ab: Im ersten Halbjahr 2025 stieg der Absatz batteriebetriebener Fahrzeuge (BEV) bei den europäischen Herstellern um rund 38 Prozent. T&E zufolge werde die erwähnte Fristverlängerung jedoch dazu führen, dass zwischen 2025 und 2027 rund zwei Millionen weniger Elektrofahrzeuge verkauft werden als ursprünglich geplant. Der Hauptgrund dafür seien Preisaufschläge bei E-Autos gegenüber Verbrennern im Rahmen von 30 bis 40 Prozent, die eine direkte Reaktion auf die Fristverlängerung gewesen seien.
Immer bessere Rahmenbedingungen
T&E prognostiziert zudem sinkende Batteriepreise im Rahmen von 27 Prozent bis Ende 2025 und weiteren 28 Prozent bis 2027. Hinzu komme ein flächendeckender Ausbau der Ladeinfrastruktur, der bereits 77 Prozent des EU-Fernstraßennetzes umfasse. Alle EU-Mitgliedstaaten haben inzwischen die für 2025 geforderten öffentlichen Ladepunkte erreicht oder gar überschritten.
Lucien Mathieu warnt vor der Strategie mancher Hersteller, die Rahmenbedingungen durch Druck zu verwässern. "Die europäischen Automobilhersteller leben in einer Traumwelt, wenn sie glauben, dass China seine Innovationen einstellen wird, während sie versuchen, die Technologie der Vergangenheit weiterzunutzen", sagt der T&E-Direktor für den Pkw-Sektor. Wenn die Europäische Kommission den Automobilherstellern erlaube, den Fortschritt im Bereich der Elektrofahrzeuge zu verzögern, werde Europa in einer weiteren Schlüsselindustrie gegenüber seinen globalen Konkurrenten an Boden verlieren.
Europa könnte den Anschluss verlieren
Ein Blick ins Ausland zeigt laut T&E, wohin die Reise in Sachen E-Mobilität international gehe. China erhöhe unaufhaltsam seinen BEV-Anteil (über 30 Prozent bis Ende 2025), während andere Märkte wie Indien, Mexiko, Indonesien und Thailand ebenfalls zulegen. Ohne klare Vorgaben drohe Europa im Rennen um grüne Technologie, den Anschluss zu verlieren.