Bayern beklagt 90 % Fehlalarme

Mehr als 90 Prozent der automatischen Notrufe über das eCall-System sind in Bayern Fehlalarme. Die Zahl solcher Auslösungen steigt kontinuierlich und stellt die Integrierten Leitstellen vor erhebliche Herausforderungen.
Während die Technik im Ernstfall Leben retten kann, führt sie im Alltag zu zusätzlicher Arbeit und im Zweifel auch zu Verzögerungen bei echten Notfällen. Darüber berichten BR24 sowie die Deutsche Presseagentur (dpa).
eCall als Pflichtsystem – mit Problemen im Alltag
Seit April 2018 ist eCall für alle Neuwagen in der EU vorgeschrieben. Das System soll bei einem Unfall automatisch den Notruf wählen und Standortdaten übermitteln. Grundsätzlich gilt eCall als wichtige Innovation, weil Rettungskräfte schneller informiert werden und die Überlebenschancen von Unfallopfern steigen können.
In der Praxis zeigt sich jedoch eine hohe Fehleranfälligkeit. Nach Angaben des Verbands der bayerischen Leitstellenbetreiber sind mehr als 90 Prozent der eingehenden eCall-Meldungen Fehlalarme.
"Die aktuell hohe Fehlalarmquote ist belastend für Leitstellen und Rettungskräfte. Wichtig wäre eine bessere technische Qualität, verlässliche Rückmeldemöglichkeiten und vor allem: eine strukturierte Integration in die Leitstellensysteme", sagte Verbandssprecher Jürgen Meyer.
Zahlen aus München, Augsburg und weiteren Regionen
Wie groß die Dimension ist, zeigen die Statistiken der bayerischen Leitstellen. In München gingen im Zeitraum von zwölf Monaten bis Ende Juni 3.208 eCall-Meldungen ein. In Augsburg registrierte die Leitstelle 350 Alarme, von denen 275 Fehlalarme waren. Auch in kleineren Regionen wie Hochfranken und Schweinfurt gehören automatische Notrufe inzwischen zum Alltag – dort werden bis zu 30 Fälle im Monat gezählt.
Die Bandbreite der Fehlalarmquote reicht je nach Leitstelle von 75 bis über 95 Prozent. Damit handelt es sich bei der überwiegenden Mehrheit der Meldungen nicht um tatsächliche Notfälle, sondern um Fehlauslösungen.
Belastung für die Einsatzkräfte
Jeder Alarm löst bei den Leitstellen den gleichen Ablauf aus wie ein echter Notruf. Disponenten müssen die Anrufer zurückrufen, Daten überprüfen und gegebenenfalls Fahrzeuge bereithalten. Diese Ressourcen stehen in der Zeit nicht für andere Einsätze zur Verfügung. Damit entsteht ein Risiko, dass Hilfe bei einem realen Notfall später kommt, weil Kapazitäten durch Fehlalarme gebunden sind.
Besonders kritisch sehen die Leitstellen die fehlenden Rückmeldemöglichkeiten vieler Systeme. Wenn Rückrufe nicht möglich sind, bleibt nur, den Alarm zunächst wie einen Ernstfall zu behandeln – mit allen personellen und organisatorischen Folgen.
eCall als Innovation mit Nachbesserungsbedarf
Grundsätzlich haben sich die eCall-Systeme in Fahrzeugen nach Einschätzung der Rettungskräfte bereits vielfach bewährt. In schweren Unfällen konnten sie Leben retten, weil Notrufe automatisch und schnell abgesetzt wurden. "Das ist eine wertvolle technische Innovation", betonte Meyer.
Gleichzeitig macht die hohe Zahl an Fehlalarmen deutlich, dass die Systeme weiterentwickelt werden müssen. Vor allem bei Smartphones und Smartwatches, die ebenfalls über automatische Notruffunktionen verfügen, sind die Auslöseschwellen nach Ansicht der Leitstellen häufig zu niedrig eingestellt. Das führt dazu, dass auch bei alltäglichen Bewegungen oder Stürzen ohne Verletzungsfolge die Notrufnummer gewählt wird.