Leclerc-Motor nicht zu retten

Charles Leclerc: 7/10 - Der siebte Startplatz war eine kleine Enttäuschung. Man hatte mehr von einem Ferrari erwartet. Doch es fehlten nur sieben Hundertstel auf den vierten Startplatz. Da war auch Glück und Pech im Spiel. So wie beim Start, als der Monegasse von Stroll torpediert wurde. Leclerc war wie so viele ein unschuldiges Opfer.
Der GP Ungarn brachte Ferrari ein geschenktes Podest und ein kaputtes Auto. Den Motor in Charles Leclercs SF21 kann die Scuderia abschreiben. Eine Untersuchung nach dem Crash mit Lance Stroll ergab einen irreparablen Schaden. Teamchef Mattia Binotto fordert die FIA zum Handeln auf.
Es herrscht maximale Ausgeglichenheit. Ferrari zog mit einem dritten Platz von Carlos Sainz in der Team-Weltmeisterschaft mit McLaren gleich. Die Traditionsteams haben bis zur Sommerpause jeweils 163 Punkte gesammelt. Und doch war die Stimmung im Lager der Roten getrübt. Der Teamchef meinte: "Das war ein Rennen, in dem wir deutlich mehr Punkte hätten holen können." Sainz trauerte zunächst einem verpassten Podest nach, das er später doch noch von Sebastian Vettel erbte.
Vier Podiums hat der Spanier nun in seiner Laufbahn gesammelt. Zwei Mal davon stand er gar nicht auf dem Stockerl – in Brasilien 2019 und jetzt in Budapest. Er erfuhr jeweils erst Stunden später von seinem Glück. Teamkollege Charles Leclerc war bereits nach 500 Metern aus dem Rennen, obwohl er am Start alles richtig gemacht hatte. Lance Stroll rammte ihn aus dem Grand Prix.
Teamchef Mattia Binotto nannte es einen "dummen Unfall". Leclerc tadelte. "Manchmal haben die kleinsten Fehler die größten Auswirkungen. Das war aber kein kleiner Fehler von Lance. Ich habe in den Spiegel geschaut. Da war er fünf oder sechs Positionen hinter mir. Es war völlig unnötig, etwas zu versuchen und so ein Manöver zu reiten."
Zwei Tage nach dem Grand Prix stimmte die Scuderia in einer Pressemitteilung ein neues Klagelied an. Nicht nur das Auto wurde durch den Aston Martin schwer getroffen, sondern auch der V6-Turbo. Die Techniker stellten bei der Inspektion in Maranello am Tag nach dem Budapest-Rennen einen irreparablen Schaden fest. Ferrari muss den Motor abschreiben.
Binottos Vorschlag zu Unfallschäden
Ferrari fürchtet neben den entstandenen Kosten noch weitere Konsequenzen. Leclerc hat nur noch einen gebrauchten Motor im Pool. Einen Neuen darf Ferrari noch einschleusen, ohne eine Strafe zu kassieren. Doch damit wird man wohl nicht durch die verbleibenden zwölf Rennen kommen. Der Einsatz eines vierten Motors ist wahrscheinlich – wie bei Max Verstappen. Leclerc droht in der zweiten Saisonhälfte also mindestens eine Rückversetzung in der Startaufstellung.
Obendrauf reklamieren die Italiener die finanziellen Folgen des Unfalls in Zeiten des Budget Caps. Ferraris Saisonplanung ist wie die von Mercedes und Red Bull auf Kante genäht. Die "Big Spender" der vergangenen Jahre müssen unter dem Budgetdeckel jeden Cent umdrehen, um ja unter der Obergrenze zu bleiben. Vor diesem Hintergrund führt jeder Unfall zu einer Magenverstimmung – vor allem die unverschuldeten wie der von Leclerc.
Red Bull und Ferrari rufen zu Gesprächen mit der FIA und Formel 1 auf, um Unfälle und ihre Folgen neu zu bewerten. Ferraris Teamchef macht einen Vorschlag, der nicht überall auf Gegenliebe stößt. Demnach soll künftig der Verursacher eines Unfalls zur Kasse gebeten werden. "Wenn es nicht deine Schuld ist, sind die Konsequenzen unter dem Budget Cap umso gravierender", führt Mattia Binotto aus.
"Sollten wir Ausnahmen machen? Ich glaube nicht, dass das die Lösung ist, weil es schwer zu überwachen wäre. Was wir in Betracht ziehen sollten, ist, dass das Team zahlt, dessen Fahrer den Unfall verursacht. Dann stünde der Fahrer stärker in der Verantwortung." Doch wo fängt man da an, wo hört man auf? Es gibt nicht wenige im Fahrerlager, die angesichts der Klagen von Red Bull und Ferrari mit der Stirn runzeln und sagen: "Das ist Rennsport und Teil des Spiels."
Sainz überstimmt Strategen
Carlos Sainz kam unbeschadet aus der ersten Runde. Der Fehler der Qualifikation, der ihn in Q2 rausgeworfen hatte, war da bereits vergessen. Auf Position 15 gestartet, grüßte der Mann aus Madrid plötzlich vom dritten Platz. Sainz hätte sogar eine Rolle um den Sieg spielen können, wären ihm beim Boxenstopp in der dritten Runde nicht Nicholas Latifi und Yuki Tsunoda vor die Nase gefahren. Den Reifen.echsel von Intermediates auf Slicks wickelten die Mechaniker zwar schnell ab. Doch Ferrari zögerte, seinen Fahrer zurück in die Fast Lane der Boxengasse zu schicken.
"Wir wollten ein Unsafe Release vermeiden und haben Carlos deshalb festgehalten. Wenn wir in der Box nicht die zwei Plätze verlieren, kann das Rennen einen anderen Ausgang nehmen", glaubt der Teamchef. Latifi und Tsunoda erwiesen sich als unüberwindbare Gegner auf einer Strecke, die alles andere als ein Überholparadies ist. So verschwanden Esteban Ocon und Sebastian Vettel an der Spitze, während Sainz hinter zwei langsameren Autos versauerte.
Die Strategen wollten ihren einzig verbliebenen Fahrer zunächst über einen früheren zweiten Reifen.echsel vorbeilotsen. Sainz bettelte, draußen bleiben zu dürfen, mit der Begründung, die Reifen seien noch gut in Schuss und er könne bei freier Fahrt viel schnellere Rundenzeiten fahren. So änderte Ferrari die Taktik hin zu einem langen Stint auf den Mediums und einem Overcut. Sie ging am Ende auch auf.
Binotto sieht darin keine anfängliche Fehleinschätzung seiner Strategen, sondern gutes Teamplay. "Wir führen eine offene Diskussion, die zu einer besseren Entscheidung führte. Nur der Fahrer fühlt, in welchem Zustand die Strecke und die Reifen sind. Das berücksichtigen wir. Die Entscheidung, wann wir die Reifen tauschen, trifft schlussendlich aber immer der Kommandostand."
Kein DRS für Alonso
Sainz wähnte sich danach bereits zurück im Spiel. Allerdings hing ihm zu diesem Zeitpunkt direkt Weltmeister Hamilton formatfüllend im Rückspiegel, und zwang ihn, sofort auf den harten Reifen ans Limit zu gehen, statt sie gleichmäßig einzufahren. So etwas kostet am Ende Reifen.eben. Generell verlief der Stint bis ins Ziel nicht nach den Vorstellungen des WM-Sechsten. "Auf den harten Reifen haben wir uns das ganze Wochenende aus unerklärlichen Gründen schwer getan." Daran muss Ferrari noch arbeiten, dass der SF21 auf allen Mischungen gut funktioniert.
Bis zur 49. Runde hatte Sainz den Rückstand zur Spitze auf 4,693 Sekunden verkürzt. Danach zollte er dem zu hohen Reifen.erschleiß Tribut. Und ihm drohte das Benzin auszugehen, wenn er nicht am Ende der Zielgerade früher den Gasfuß lupft. Deshalb verlor Sainz das Führungsduo aus den Augen und orientierte sich nach hinten. Lewis Hamilton hatte mittlerweile noch einmal Reifen gewechselt, schloss aber hinter Fernando Alonso schnell wieder auf.
Der Alpine-Kommandostand schrieb Nachrichten. Sainz möge doch bitte seinen Landsmann unter eine Sekunde herankommen lassen, damit dieser DRS zur Hilfe hatte. Das hätte Alonso gegen Hamilton abgesichert – und damit Sainz ebenfalls gegen den Weltmeister. "Als Rennfahrer denkst du über ein solches Szenario nach. Ich habe mich dagegen entschieden, Fernando DRS zu geben. Ich musste massiv Sprit sparen vor Kurve eins. Ich strauchelte mit den Reifen. Ich war schwach in der letzten Kurve. Ich wollte deshalb nichts gegen Fernando riskieren, sondern so weit wie möglich wegbleiben, damit Lewis länger braucht, mich einzuholen."
Den zweiten Spanier hatte Hamilton schneller geknackt als Alonso, was eben auch dem Spritsparen und den Reifen geschuldet war. "Und Ricciardo war als Überrundeter auch keine Hilfe für mich in dem Moment."
"Die beste Fahrerpaarung"
Sainz hat nach elf Rennen drei Punkte mehr gesammelt als der hoch geschätzte Teamkollege. Ein Beweis der Qualität des Neuzugangs. Trotzdem fällt die Zwischenbilanz durchwachsen aus. "Ich war ab dem ersten Rennen schnell. Nur habe ich das Gefühl, dass ich immer noch kein sauberes Wochenende mit Ferrari hatte", sagt Sainz.
"Ungarn ist das beste Beispiel. Ich war schnell im dritten Training und in Q1. Dann baue ich einen Unfall in Q2. Ich komme gut durch den Start, dann verliere ich in der Box zwei Positionen. Es kam in dieser Saison nie alles zusammen. Deshalb fühlt es sich nicht nach meiner stärksten Saison an. Früher war es meine Stärke, die Wochenenden zu maximieren. Vielleicht dauert es nach dem Teamwechsel länger, dort hinzukommen."
Der Teamchef lobt seine beiden Fahrer. "Wir haben die beste Paarung im Feld. Charles hat sich weiter verbessert und hätte in Monaco gewinnen können. Wir wissen, aus welchem Grund er es nicht tat. Carlos hat sich gut integriert. Er ist eine echte Messlatte für Charles. Beide Fahrer punkten regelmäßig und gleichmäßig für das Team."