GM-Skandal: 56 Tote aus Spargründen

Beim amerikanischen Automobil-Hersteller General Motors ist mehr als zehn Jahre lang ein Fehler vertuscht und verschwiegen worden, der mindestens 56 Menschen das Leben kostete. Ursache der Probleme war eine fehlerhafte Billigfeder im Zündschluss.
Man stelle sich vor, ein deutscher Autohersteller wäre für 56 Tote verantwortlich, weil ein Kostenkiller im Unternehmens-Einkauf statt vier Cent nur zwei Cent für eine Feder im Zündschloss bezahlen wollte: Undenkbar. Der gesamte Vorstand müsste seinen Hut nehmen. Beim US-Riesenkonzern General Motors ist das anders. Denn das Drama zieht sich seit über zehn Jahren durch zahlreiche juristische und noch mehr Management-Instanzen. Dass GM nach einem Jahrzehnt ignoriertem Wissen 56 Tote wegen einer zu schwachen Feder im Zündschloss einräumt und die Fahrzeuge in 2014 zurückgerufen hat, macht die Sache nicht wesentlich besser.
Fest steht, dass wichtige Entscheider und Führungskräfte über eine Dekade lang von dem Problem wussten. Konsequenzen wurden aber nicht gezogen. "Da wurde vertuscht, ignoriert, gelogen und versucht, das Problem durch die Zeit erledigen zu lassen", sagte ein Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des US-Kongress.s. Erst GM-Chefin Mary Barra, 2014 kaum im Amt, setzte sich für Aufklärung und Lösung des Problems ein. Zu stark war der Druck der Öffentlichkeit geworden, um weiter auf Aussitzen zu setzen.
2014 wurden deshalb 13 Millionen Fahrzeuge zurückgerufen, um die Zündschlösser auszutauschen. Dazu kamen weitere rund 17 Millionen zurückgerufene Fahrzeuge, bei denen Bremsprobleme und Airbag-Defekte zu beklagen waren. "Alles nur, weil an jedem Detail gespart werden sollte", resümierte ein Entwickler vor dem US-Kongress.
Der 315 Seiten starke Report liest sich wie ein Krimi./p>
Das Drama begann mit der Entscheidung eines einzelnen Ingenieurs, ein bestimmtes Zündschloss von Delphi einzukaufen, das zwar preisgünstig war, dessen Qualität aber "weit unterhalb der GM-eigenen Spezifikation" lag, wie die Ermittler feststellten. Eine zu schwache Feder führte dazu, dass die Zündung schon bei einer leichten unbeabsichtigten Berührung des Schlosses auf "Aus" sprang und den Motor stilllegte.
Obwohl sich mehrere Gremien in der Folge mit dem Schloss befasst hatten, kam keines zu der logischen Erkenntnis, dass mit dem versehentlichen Abschalten der Zündung auch die Airbags deaktiviert werden. "Die GM-Mitarbeiter hätten wissen müssen, dass die Airbags bei ausgeschalteter Zündung nicht zünden können", kritisieren die Ermittler. Tatsächlich starben in GM-Modellen Menschen überwiegend deshalb, weil die Airbags nicht zündeten. Und Aufklärer Valukas stellt verwundert fest: "Alle Beteiligten hatten Verantwortung, das Problem zu lösen, aber niemand handelte verantwortlich." Eine schallende Ohrfeige für das gesamte GM-Führungspersonal.
Die Manager in der Entwicklung sahen das Abschalten des Motors lediglich als eine Einschränkung der Bequemlichkeit, weil dann auch die Servohilfen der Bremsen und der Lenkung ausfallen. Die Techniker waren der Meinung, das Fahrzeug ließe sich auch mit stehendem Motor noch kontrollieren. Dass dabei auch das Airbag-System abgeschaltet wird, wurde offensichtlich übersehen oder ignoriert.
Ein Polizist und Uni-Forscher deckten den Fehler auf
Dazu hätten zwischen 2004 und 2006 teure Rückrufe und eine angespannte Finanzlage bei GM vom Zündschloss-Problem abgelenkt. Ein Rückruf des Zündschlosses wurde "aus Kostengründen abgelehnt". Die zuständige Produkt-Investigationsabteilung, ausdrücklich mit der Suche nach Sicherheitslücken beauftragt, kam in 2005 nach nur vierwöchiger Ermittlung zu dem Schluss, dass es keine Sicherheitsprobleme gebe. Als sich später tödliche Unfälle häuften, kamen ausgerechnet ein Polizeibeamter aus Wisconsin und eine Forscher-Gruppe der Universität Indiana darauf, dass das Zündschloss für das Versagen der Airbags verantwortlich war.
Der für den Einkauf des Schlosses verantwortliche Ingenieur ahnte seinen Fehler und tauschte das Schloss heimlich durch ein besseres aus. Erst der Anwalt eines klagenden Opfers fand 2013 heraus, dass in dem Chevrolet Modell Cobalt ab einem bestimmten Zeitpunkt bessere Schlösser eingebaut wurden, der Mangel des alten Zündschlosses also dem Ingenieur bewusst gewesen sein musste. Der konnte sich allerdings nicht daran erinnern, bessere Zündschlösser eingekauft zu haben.
Auf den Prototypen stand: "The switch from hell"
Vermutlich wegen des Versuchs ein paar Cent pro Auto zu sparen, sind bei GM mittlerweile Schadenersatzforderungen von über drei Milliarden Dollar aufgelaufen, von denen die Hälfte bereits ausgezahlt wurden. Es liegen weitere 4.180 Anträge auf Entschädigung vor, von denen bisher nur 128 anerkannt worden sind. "GM lädt mit der zögerlichen Behandlung der Anträge weitere Schuld auf sich", kritisiert ein Opfer-Anwalt.
Dass die Probleme des Zündschlosses eigentlich von Anfang an bekannt gewesen sein müssen, geht aus dem humorig gemeinten Hinweis eines der Schloss-Konstrukteure hervor. Er hing einen handschriftlichen Vermerk an den Prototypen des Schlosses, auf dem zu lesen war: "The switch from hell".