Ein Revival mit Signalwirkung und Rückendeckung
Bei den letzten zwei IAA-Veranstaltungen in München wurde schon im Vorfeld viel Kritik laut. Dieses Mal ist das wohltuend anders, findet auto motor und sport-Chefredakteurin Birgit Priemer.
Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Beginn der Weltpremiere der Neuen Klasse in einem Filmstudio bei München, da eilt BMW-Vorstandsvorsitzender Oliver Zipse noch einmal durch die Reihen des Publikums und klatscht sein Team ab. Designchef Adrian van Hooydonk dagegen verfällt in einen Moment der kontemplativen Ruhe, bis die Show beginnt: Die Weltpremiere des iX3 auf Basis der neuen Klasse ist ein historischer Moment. BMW demonstriert hier dem Rest der Welt, wie es wirklich um die Innovationskraft der deutschen Autoindustrie steht – besser, als viele es behaupten. WLTP-Reichweite von 800 Kilometern, Ladeleistung bis 400 kW, eine neue Batteriezellen-Generation mit 25 Prozent mehr Energiedichte, aber erheblich geringerem CO₂-Fußabdruck. Der ist auch dank eines hohen Anteils an recycelten Materialien bei diesem E-Auto insgesamt klein wie nie: Schon nach gut 21.000 km fährt der iX3 CO₂-ärmer als sein Verbrenner-Pendant.
Vieles liest sich in den technischen Daten des Mercedes GLC, der als reines Elektroauto ebenfalls Weltpremiere auf der IAA feiert, ähnlich. Beide Modelle gehen in den Monaten nach der IAA an den Verkaufsstart – ein neues Prestigeduell mit noch offenem Ausgang.
Comeback der Messe als Lichtblick für deutsche Autobauer
VDA-Präsidentin Hildegard Müller guckt aber nicht nur deshalb zufrieden. Die IAA ist zurück, auch wenn sie nicht an die Besucherzahlen der Vergangenheit auf dem Frankfurter Messegelände anknüpfen wird. Viel wichtiger ist, dass Deutschland wieder eine Leitmesse hat und die Menschen Lust mitbringen, ein Auto-Festival zu feiern, das um viele weitere Mobilitätskonzepte ergänzt wurde. Der so genannte Open Space, also die öffentlich zugängliche Ausstellungsmeile in der Münchener Innenstadt hat sich etabliert – 750 Aussteller und mehr als 300 Weltpremieren stehen für sich.
Bemerkenswert auch, wie viel Chinesisch auf den Fluren und Gängen wieder gesprochen wird – das demonstriert die internationale Anziehungskraft der IAA 2025 mit dem Slogan "It`s all about Mobility". Die deutsche Autoindustrie steht zweifellos massiv unter Druck. Aber Weltpremieren wie die des VW ID. Cross zeigen: Die Aufholjagd läuft auf Hochtouren. Sogar Oliver Blume, leidgeprüfter VW- und Porsche-Chef, wurde mit einem Lächeln auf dem Gesicht auf dem Münchener Messegelände gesehen.
Alternativen zum Auto statt dagegen – gibt es auch
Dabei können wir davon ausgehen, dass München auch die nächsten Messen dieser Art austrägt. Frankfurt bietet nicht diese Option eines Open Space, deshalb dürfte der Zuschlag schon bald auf die bayerische Landeshauptstadt fallen.
Lange Zeit waren es ja die Hersteller selbst, die sich mit dem Konzept schwertaten – und schon mal unverhohlen lästerten, bevor die Party überhaupt losging. Das war dieses Mal anders. Mercedes-Boss Ola Källenius ließ schon lange vor Messestart wissen, dass er an das Konzept glaube und generell der Meinung sei, dass Automessen wieder zurück sind. Vielleicht hat es tatsächlich drei Anläufe gebraucht, um das Konzept ins Lot zu bringen. Vorbei die Zeiten, in denen zuerst die Fahrräder und dann die Autos kamen. In diesem Jahr finden viele Mobilitätsbetreiber eine Plattform, auf deren Grundlage sie ihr Netzwerk weiterentwickeln können. Dass Radhersteller wie Riese und Müller und Tech-Giganten Google von Anfang an als Partner dabei waren, war ein wichtiges Zeichen der Pluralität.
Deutschland muss seine Chancen waren und technische Vorsprünge, wie es in der Vergangenheit oft der Fall war, einfach wahren. Deshalb ist es auch wichtig, dass das Zukunftsgeschäft Circular Economy ebenfalls eine Rolle spielt wie die Technologie des automatisierten Fahrens. Daimler war schon in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf deutschen Autobahnen mit entsprechenden Prototypen unterwegs. Da lag der Marktanteil von VW in China noch über 50 Prozent. Lang ist es also her.
Heute ist wichtig, dass Daimler und Co. nach der Batteriezellfertigung nicht auch hier Boden gegenüber der chinesischen Konkurrenz verlieren. Denn wir zaudern seit nahezu zwei Jahrzehnten, ob es gut ist, die Verantwortung an die Technik zu übergeben. Chinesen warten kein halbes Jahr.