Liberty macht ziemlich viel richtig
Die Formel 1 entwickelt sich inmitten der Corona-Krise prächtig. Liberty Media macht aus ihr ein Geschäftsmodell, in dem Hersteller im Gegensatz zu früheren Zeiten auch verlieren können. Weil nicht mehr nur Dollar-Scheine verbrannt werden, sondern mit den Budget-Obergrenzen sogar Einnahmen winken.
Die Sorge war groß, dass Corona den Motorsport nicht nur hart treffen, sondern vielleicht sogar ausknocken würde. Das Gegenteil trat bislang ein. Die Parteien rückten zusammen, entwarfen Notfallpläne und hielten den Betrieb am Laufen. Hoffen wir, dass es trotz neuer Virus-Varianten so bleibt.
Bis dahin sollten wir auf das schauen, was war. In der Formel 1 hat sich seit März 2020 einiges getan. Der Budgetdeckel für die Chassis-Entwicklung wurde von angedachten 175 auf 145 Millionen Dollar abgesenkt. In der Not waren sich alle Parteien auf einmal einig, dass weniger in diesem Fall mehr ist. Manche wollten noch weniger, doch man hat sich auf einen für alle akzeptablen Kompromiss geeinigt. Die Obergrenze fällt in den kommenden zwei Jahren schrittweise weiter. Erst auf 140 Millionen, 2023 dann auf 135 Millionen.
Das bedeutet, dass die Topteams ihren Betrieb mächtig umkrempeln müssen, ihn auf Effizienz bürsten müssen. Sie stöhnen, sagen aber gleichzeitig, dass der Kostendeckel das beste war, was ihnen hätte passieren können.
Formel 1 auf allen Kanälen
Mit einem Notkalender hatte die Formel 1 zwar Verluste eingefahren, diese aber erträglich gehalten. Mit 17 Rennen erlöste man die so wichtigen Einnahmen aus den TV-Übertragungen. In dieser Saison boomt sie mehr denn je: Mercedes und Red Bull liefern sich Wettbewerb auf höchstem Niveau und giften sich dazu wöchentlich an. Lewis Hamilton und Max Verstappen fahren brutal gut und begeben sich bei jedem zweiten Rennen in den Infight. Mit Ferrari und McLaren balgen sich zwei Dinos um Platz 3. So entstehen gute Geschichten.
Die Formel 1 erzählt sie inzwischen nicht nur auf den alten Plattformen, sondern auch in den Sozialen Medien. Davon kann man halten, was man will. Doch über Twitter und YouTube lässt sich ein junges Publikum heranziehen. So wie auch über E-Sports. "Wir wollen damit Leute an uns heranholen, die später Rennen fahren, Ingenieure oder Marshals werden", sagt F1-Boss Stefano Domenicali. Die Netflix-Doku "Drive to survive" mag an manchen Stellen künstlich sein, doch sie hat der Königsklasse viele neue Fans gebracht. Jetzt muss die Formel 1 dafür sorgen, dass sie langfristig dabei bleiben.
Ob jung oder alt: Die Fans sind heiß auf die Formel 1. Das hat man zuletzt in den USA, in Mexiko und Brasilien gesehen. Das lässt mit einem Kalender von 22 Grands Prix die Kassen klingeln. 2022 werden es 23 Rennen sein. Anfragen gäbe es für mehr als 30. Das ist schlecht für Traditions-GP wie Deutschland, weil dadurch keine Rabatte mehr drin sind. Die Formel 1 ist ein Geschäft, Liberty will damit Geld einnehmen. Gleichzeitig sollten die Rechteinhaber aber eine Balance finden aus Tradition und neuen Rennorten.
Brücke für die Hersteller./strong>
Mit neuen Autos könnte das Racing in Zukunft noch ausgeglichener werden. Zumindest wurden die Regeln dafür geschrieben. Von verschiedenen Teams ist zu hören, dass das vielleicht nicht im ersten Jahr klappt, weil einer womöglich schlauer war als die anderen. Weil die Topteams noch immer die besten Werkzeuge wie Windkanal und Fahrsimulator haben. Ihre Strukturen im Technikbüro sind gewachsen. Sie schaffen es, die begrenzte Entwicklungskapazität effizienter auszunutzen. Doch weil die Regeln so restriktiv geschrieben sind, dürften sich die Teams mit den Jahren einander annähern. Und dann könnten die Verstappens, Leclercs, Russells, Norris und Co. in verschiedenen Autos gegeneinander fahren.
Die angedachte Obergrenze für die Motoren macht die Kosten noch transparenter. Mercedes schreibt mit dem Rennteam bereits jetzt schwarze Zahlen und will das im nächsten Jahr samt Motorensparte schaffen. Die großen Teams könnten bald Milliarden wert sein. Selbst die Kleinen dürften im Wert auf Hunderte Millionen steigen. Jeder hat die Chance, Gewinne zu erwirtschaften. Über Sponsoren, über das ausgeschüttete Preisgeld. So schafft Liberty Media im Zusammenspiel mit der FIA ein System wie im US-Sport. Jeder könnte dank Budgetdeckel eines Tages um Podestplätze fahren oder gar um Siege. Verlieren wird dank der Aussicht auf schwarze Zahlen erträglicher – selbst für große Hersteller.
Das Thema Nachhaltigkeit steht oben auf der Agenda der Macher. Die Königsklasse will bis 2030 CO2-neutral unterwegs sein. Für die Saison 2019 bezifferte die F1 ihren Ausstoß mit einem CO2-Äquivalent von 256.551 Tonnen. Zum Vergleich: Für die Fußball-WM 2018 in Russland wurde laut FIFA ein Gesamtausstoß von fast 2,2 Millionen Tonnen CO2 errechnet.
Der neue Antrieb ab 2026 mit erhöhtem Elektro-Anteil und zu 100 Prozent sythetischen Kraftstoffen (für manche zu spät) schlägt die Brücke für die involvierten Hersteller. Und sie lockt neue Player wie Porsche und Audi an. Erhöhte Elektro-Leistung heißt erhöhter Lerneffekt. Mit synthetischem Kraftstoff lässt sich eine bestehende Flotte sauberer machen – auf Märkten, wo Elektromobilität in absehbarer Zeit nicht den Durchbruch schaffen wird.
Ein exklusiver Zirkel
Mehr als eine Milliarde Autos sind weltweit mit Verbrenner unterwegs. Allein die Zahl verdeutlicht schon, dass es einen zweiten Zweig neben Elektro brauchen wird. Auch wenn man dazu sagen muss, dass Produktionsstätten erst hochgezogen werden müssen und die Branche noch kein echtes Geschäftsmodell in E- oder Bio-Fuels sieht. Es könnte so anfangs nur ein geringer Prozentsatz tatsächlich versorgt werden. Sportwagen zum Beispiel. Andererseits müssen E-Ladesäulen auch erst flächendeckend gebaut werden. Und ohne grünen Strom bringt auch das E-Auto nichts.
Zehn Teams gehören dem exklusiven Formel 1.Zirkel an. Sie werden von steigenden Umsätzen profitieren, sofern Corona nicht dazwischenfunkt. Neueinsteiger müssten 200 Millionen Dollar bezahlen. Das steigert den Wert der Etablierten, gilt aber als Kritikpunkt: Wie sollen da je neue Teams in die Formel 1 kommen? Vor allem private? Neue Teams, die es eigentlich braucht, damit talentierte Nachwuchsfahrer, wie derzeit zum Beispiel Oscar Piastri, nicht ein Jahr auf der Ersatzbank landen, wenn sie erst die Formel 3 und im Jahr darauf (wohl) die Formel 2 gewinnen.
Das F1-Management kontert: Ein Privatteam wie Andretti wäre in der Lage gewesen, mehr als 400 Millionen für Sauber auf den Tisch zu legen. Und es heißt, es gäbe einige Interessenten. Die Macher positionieren die Formel 1 bewusst als "Kreis der Exzellenz". Zwei Teams könnten laut Regeln noch dazustoßen, müssen aber Champions-League-Format haben.